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Austro-Fossilien zeigen wie Ur-Haie Dino-Sterben trotzten

Heute, 18:00 · Lesedauer 4 min

Wenig deutet heute darauf hin, dass Waidach in Salzburg und Gams in der Steiermark einmal im Meer lagen. Forschende vom Naturhistorischen Museum (NHM) Wien haben ebenda aber um die vier Tonnen einstigen Meeresboden geborgen und analysiert. Im Fachblatt "PNAS" zeigen sie, warum Haie das Aussterbeereignis, das den Dinosauriern den Garaus gemacht hat, relativ gut überstehen konnten. Nebenbei wiesen sie neun neue Hai-Arten in der Region vor rund 66 Millionen Jahren nach.

Damals kam es durch den Einschlag des sogenannten Chicxulub-Asteroiden zu einem großen Massenaussterben, das u.a. die Dominanz der Dinosaurier auf unserem Planeten beendete. Heute zeugt ein etwa 200 Kilometer großer Einschlagskrater unter der Halbinsel Yucatán in Mexiko von dem verheerenden Ereignis, das auch das Leben in den Meeren gehörig durcheinanderbrachte. Tendenziell besser als die vorher erfolgreicheren Knochenfische überstanden Knorpelfische, wie etwa die Haie, diese Phase, die weltweit rund 75 Prozent aller Arten dahinraffte.

Das NHM-Team um die Studien-Erstautorin Iris Feichtinger ging daran, die maritimen Überbleibsel aus dieser Zeit anhand von Proben aus Waidach und Gams genau unter die Lupe zu nehmen. In dem Gesteinsmaterial fanden sich letztlich mehr als 9.000 Zähne und Schuppen von Haien und Knochenfischen. Aus dieser fossilen Vielfalt lässt sich einiges über die früheren Bewohner in den unterschiedlich tief im Meer gelegenen Lebensräumen herauslesen. Durch diese nun verfügbaren, umfassenden Proben, "welche unglaublich viele neue Gattungen lieferten, ist Österreich momentan der Hotspot der Haiforschung rund um das letzte große Massenaussterben", so Feichtinger gegenüber der APA.

Tatsächlich glich das damalige Mitteleuropa dem heutigen kaum: Es war ein Meer, das im Bereich des heutigen Österreich von Inseln durchzogen war. Ur-Waidach befand sich in einer unruhigen tektonischen Gegend, lag etwas näher an der Küste, trotzdem aber "im tiefmarinen Bereich", nämlich in Tiefen zwischen 300 und 450 Metern vor dem Ende der Kreidezeit und nur rund 40.000 Jahre später nur noch in 200 und 150 Metern. Der Meeresboden, der heute bei Gams zu finden ist, lag noch tiefer im "Penninischen Ozean" zwischen 1.000 und 2.000 Metern unter dem Meeresspiegel, wie Feichtinger erklärte. Dementsprechend fanden sich in letzteren Proben auch weniger fossile Fischreste. Außerdem waren die beiden Fundorte durch einen tiefen Meerestrog voneinander ein Stück weit getrennt, heißt es seitens des NHM.

Was Haie unter neuen Umständen fitter machte

Das grundlegende Bild sei trotzdem an beiden Orten ein Ähnliches und daher auch nicht als rein regionales Muster anzusehen: Während die Knochenfische nach dem Asteroideneinschlag weniger wurden, konnten sich die Haie gut halten bzw. ihre Präsenz sogar ausbauen. Das Team um Feichtinger, die Mikropaläontologin Anna Weinmann und Mathias Harzhauser, Leiter der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des NHM, hat auch eine Erklärung für diesen sehr unterschiedlichen Erfolg der beiden Gruppen, die eigentlich den gleichen Lebensraum bevorzugten. Es dürfte an den unterschiedlichen Fortpflanzungsstrategien und dem geänderten Nahrungsmittelangebot gelegen haben.

So sei nachweisbar, dass kleinere Meeresbewohner, die den Beginn der Nahrungskette im damaligen Meer bildeten, nach dem Impakt nicht mehr in großer Zahl präsent waren. Dadurch wurde das gesamte Nahrungsangebot dezimiert - vor allem aber die "Primärproduktion" in den Ozeanen, erklärte Weinmann. "Im Gegensatz zu Haien produzieren die meisten Knochenfische viele Eier, aus denen kleine, empfindliche Fischlarven schlüpfen", so Feichtinger.

Haie tauchten in neue Nischen ein

Der Knochenfisch-Nachwuchs war also sehr stark auf die plötzlich schwerer zu findende, leichter verfügbare Nahrung aus der Primärproduktion angewiesen. "Haie hingegen setzten auf weniger und besser entwickelten Nachwuchs. Daher haben ihre Jungtiere eine höhere Überlebenschance und können sofort aktiv Beute jagen. So sind sie flexibler in der Nahrungsaufnahme", erklärte Feichtinger. Das wiederum ermöglichte es ihnen auch, nach und nach Nischenlebensräume zu besetzen, in denen vorher Knochenfische dominant waren.

Weitere Analysen des Sauerstoffgehalts des Wassers offenbarten zudem, dass schon relativ kurz nach der Krise durch den unmittelbaren Asteroideneinschlag die Lebensbedingungen nahe dem Meeresboden wieder erstaunlich stabil waren, so Harzhauser. Das kam vor allem Haiarten entgegen, die sich gerne in unmittelbarer Bodennähe aufhalten. "Im Generellen fungiert die Tiefsee bzw. küstenferne Tiefengewässer wie ein Puffer, wodurch die Auswirkungen etwas abgemildert wurden", betonte Feichtinger.

Auch "Incognitorapax fernsebneri" war ein Überlebender des Impakts

Für das Team war es auch eine "große Überraschung", dass "die beprobten Sedimente so viele neue Arten und Gattungen Preis gaben". Einer der insgesamt neun hierzulande neu identifizierten Haie ist sogar ein echtes Mysterium - das brachte ihm den Namen "Incognitorapax fernsebneri" ein, wie Feichtinger erklärte. Seine Zahnform sei keiner der aktuell lebenden Arten ähnlich. Da man nun in Waidach und im nahen Bayern Zähne gefunden hat, von denen noch dazu einer vor und einer nach dem Einschlag stammen, ist klar, dass die neue Gattung und Art auch ein Überlebender der Katastrophe war.

(S E R V I C E - https://doi.org/10.1073/pnas.2409366122)

Zusammenfassung
  • Forschende des Naturhistorischen Museums Wien haben in Waidach und Gams rund vier Tonnen Meeresboden aus der Kreidezeit geborgen und dabei mehr als 9.000 fossile Zähne und Schuppen entdeckt.
  • Die Analysen zeigen, dass Haie das Massenaussterben vor 66 Millionen Jahren, das rund 75 Prozent aller Arten auslöschte, besser überstanden als Knochenfische.
  • Neun bisher unbekannte Hai-Arten, darunter die rätselhafte Incognitorapax fernsebneri, konnten in den österreichischen Fundorten identifiziert werden.
  • Haie profitierten von ihrer Fortpflanzungsstrategie und Flexibilität bei der Nahrungssuche, während das Nahrungsangebot nach dem Asteroideneinschlag stark zurückging.
  • Die Studie belegt, dass sich die Lebensbedingungen in den Tiefseegebieten nach dem Einschlag rasch stabilisierten, was die Überlebenschancen der Haie zusätzlich erhöhte.