Wegen Israel: Debatte um Publikumsvoting bei ESC
Als Begründung für seine Forderung nannte Sánchez das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen. Die Offensive habe sogar in der Nacht des ESC-Finales mit weiteren Bombardierungen angedauert, betonte er. In Anspielung auf den Umgang mit Russland sagte der sozialistische Politiker: "Wir dürfen keine doppelten Standards in der Kultur zulassen." Niemand habe sich empört, als Russland wegen der Invasion der Ukraine vom ESC ausgeschlossen wurde. "Dasselbe sollte auch für Israel gelten", sagte Sánchez.
RTVE wollte unterdessen seinen Antrag auf Überprüfung des Televotings nach eigenen Angaben im Laufe des Montags bei der Europäischen Rundfunkunion (EBU) einreichen. "Mehrere Länder werden ebenfalls denselben Antrag stellen, da sie der Ansicht sind, dass das Televoting durch die aktuellen militärischen Konflikte beeinflusst wurde und dies den kulturellen Charakter der Veranstaltung gefährden könnte", teilte der Sender mit.
Bereits im Vorfeld des ESC 2025 hatte es Spannungen zwischen RTVE und der EBU gegeben. Der spanische Sender erklärte, man sei von der EBU unter Androhung hoher Geldstrafen davor gewarnt worden, während der Liveübertragungen politische Botschaften zu verbreiten. Auslöser war ein Hinweis auf die Opfer des Gaza-Konflikts, den RTVE im zweiten Halbfinale eingeblendet hatte. Trotz der Warnung zeigte der Sender unmittelbar vor Beginn des Finales erneut eine Botschaft: "Angesichts der Menschenrechte ist Schweigen keine Option. Frieden und Gerechtigkeit für Palästina."
Belgischer Sender stellt ESC-Teilnahme infrage
Derweil stellt der belgische öffentlich-rechtliche Sender VRT wegen - aus Sicht des Senders - offener Fragen zum ESC-Zuschauervoting seine künftige ESC-Teilnahme infrage. Es brauche ernsthafte Antworten auf Bedenken bezüglich des Eurovision Song Contests, teilte der Sender mit. Nach VRT-Angaben will die für die ESC-Ausstrahlung zuständige Europäische Rundfunkunion (EBU) Gespräche mit den beteiligten Sendern führen.
Es lägen zwar keine Hinweise darauf vor, dass die Stimmenauszählung nicht korrekt durchgeführt wurde, so VRT. Weiter heißt es jedoch: "Wir fordern von der EBU volle Transparenz. Die Hauptfrage ist, ob das derzeitige Abstimmungssystem ein faires Abbild der Meinungen der Zuschauer und Zuhörer garantiert."
Der ESC stehe zunehmend im Widerspruch zu den ursprünglichen Normen und Werten der Veranstaltung und zu den Normen und Werten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auf der Website von VRT heißt es zudem, man unterstütze die Forderung, eine Debatte über die Teilnahme Israels am ESC zu führen.
Israel bei Publikumsabstimmung an der Spitze
Beim Publikum lag Israel deutlich vorn. Das Land hatte die Sängerin Yuval Raphael nach Basel geschickt. Die 24-Jährige ist eine Überlebende des Massakers der islamistischen Hamas und weiterer Terrorgruppen vom 7. Oktober 2023. Wegen des Gazakriegs gab es in Basel immer wieder Proteste gegen ihre Teilnahme.
Dabei bekam Israel bei der Zuschauerabstimmung auch aus Ländern hohe Punktzahlen, in denen das Handeln von Israels Regierung eher kritisch betrachtet wird, etwa Spanien, Belgien oder Irland. Insgesamt bekam Raphael knapp 300 Punkte von den Zuschauenden aus den 37 Teilnehmerländern - so viele wie niemand sonst.
Protest auch vergangenes Jahr
Israels Teilnahme beim Eurovision-Song-Contest-Halbfinale war im vergangenen Jahr auf dem Sender VRT von einer Protestaktion begleitet worden. Am Anfang und Ende der Übertragung der Show wurde eine schwarz-weiße Texttafel eingeblendet, auf der Gewerkschaften ihren Unmut über die Politik Israels zum Ausdruck brachten. In der Einblendung wurde dem Staat Israel im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg unter anderem vorgeworfen, Menschenrechte zu verletzen und die Pressefreiheit zu zerstören.
Der Gaza-Krieg hatte im Oktober 2023 mit einem Terrorangriff der Hamas auf Israel begonnen. Etwa 1.200 Menschen wurden dabei getötet und etwa 250 entführt. In dem Krieg wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als 53.300 Palästinenser im Gazastreifen getötet. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten und lässt sich unabhängig kaum überprüfen.
Aufrufe zwischen Werbeanzeigen
Auf dem offiziellen EBU-Kanal für den ESC rief die israelische Sängerin Yuval Raphael vor dem Finale in einem Werbefenster Zuschauer immer wieder auf, für ihren Song zu stimmen. Diese Aufrufe liefen zum Beispiel in den Aufzeichnungen der Halbfinal-Sendungen zwischen Reklame für Burger und für Internetdienste. Seit dem Finale ist Yuval Raphael in den immer noch online stehenden Halbfinal-Sendungen nicht mehr in Werbefenstern zu sehen.
Dazu sagt die EBU auf Anfrage in einer Stellungnahme: Die ESC-Regeln verbieten es den teilnehmenden Rundfunkanstalten oder Dritten wie Plattenfirmen oder anderen nicht, ihre Beiträge online und anderswo zu bewerben. Die Werbung dürfe den Wettbewerb nicht instrumentalisieren oder gegen seine redaktionellen Richtlinien verstoßen. "Viele Delegationen setzen bezahlte Werbekampagnen ein, um den Song, das Profil und die zukünftige Karriere ihrer Künstler zu unterstützen." Für die Halbfinal-Sendungen war kein anderer Interpret mit einem Wahlaufruf in einem Werbefenster zu sehen.
Zusammenfassung
- In Spanien forderte Ministerpräsident Pedro Sánchez den Ausschluss Israels vom ESC, da das Land trotz laufender Militäraktionen im Gazastreifen beim Publikumsvoting auf Platz 2 landete.
- Der spanische Sender RTVE beantragt bei der EBU eine Überprüfung des Televotings, weil mehrere Länder vermuten, dass der Gaza-Krieg das Abstimmungsergebnis beeinflusst hat.
- Israel erhielt beim Publikumsvoting knapp 300 Punkte und lag damit an der Spitze, auch aus Ländern wie Spanien, Belgien und Irland, in denen Israels Politik kritisch gesehen wird.
- Der belgische Sender VRT stellt wegen offener Fragen zur Fairness des Zuschauervotings seine ESC-Teilnahme infrage und fordert volle Transparenz von der EBU.
- Yuval Raphael, Israels 24-jährige ESC-Teilnehmerin und Überlebende des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober 2023, warb vor dem Finale in Werbefenstern auf dem EBU-Kanal um Stimmen.