Dürfen auf Sportwoche
Schüler zeigen Hitlergruß: "Fehlen Möglichkeiten zur Handhabe"
Hinter dem Rücken der Lehrerin sollen drei Mittelschüler im Bezirk Scheibbs in Niederösterreich den Hitlergruß gezeigt haben. Sie alle sind unter 14 Jahre alt und damit strafunmündig, eine Anzeige nach dem Verbotsgesetz greift somit nicht.
Die betroffene Mittelschule zog nach dem Vorfall im Februar selbst Konsequenzen und verbot den drei Schülern einer dritten Klasse, an der geplanten Sportwoche teilzunehmen. Diese findet in dieser Woche statt - und die betroffenen Schüler dürften doch mit dabei sein.
Nach einer Beschwerde der Eltern bei der zuständigen Bildungsdirektion nahm diese das Verbot nämlich wieder zurück. In der Vorwoche soll der zuständige Schulqualitätsmanager, der hierarchisch über den Direktor:innen steht, die Burschen aus dem Unterricht geholt und Ihnen mitgeteilt haben, dass sie doch mit auf die Sportwoche fahren dürfen.
Zunächst hatte der ORF Niederösterreich über den Fall berichtet. Auf Anfrage von PULS 24 bestätigte die Bildungsdirektion Niederösterreich am Montag einen Vorfall im Bezirk Scheibbs.
Bildungsdirektion: Hitlergruß zählt nicht zu "Gefährdung"
Laut Schulunterrichtsgesetz dürfen Schüler:innen nur dann von einer Schulveranstaltung ausgeschlossen werden, wenn eine Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt. Im Gesetzestext heißt es, ein Verbot sei nur möglich "wenn auf Grund des bisherigen Verhaltens des Schülers eine Gefährdung der Sicherheit des Schülers oder anderer Personen mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist".
Das war nach Einschätzung der Bildungsdirektion im vorliegenden Fall nicht gegeben. "Das Zeigen eines Hitlergrußes zählt in diesem Fall nicht zu einer Gefährdung bzw. Selbstgefährdung", erklärte diese auf Anfrage des ORF Niederösterreich.
"Eine Handlung, die im Verdacht steht, gegen das Verbotsgesetz zu verstoßen", würde "ohne weitere Sachverhaltsinformation (etwa Drohungen)" nicht den Tatbestand für einen Ausschluss erfüllen, erklärte die Bildungsdirektion weiter. Die Schulaufsicht habe "gemeinsam mit der Direktion und den Klassenvorständen entschieden (…), dass die Burschen an der Schulveranstaltung teilnehmen können, weil sie sich reuig und einsichtig gezeigt haben, der Vorfall bereits vor längerer Zeit stattgefunden hat und von den Schülern zu keinem Zeitpunkt Gefahr ausgegangen ist."
Lehrergewerkschafter: "Bei ganz vielen Dingen Hände gebunden"
Welche Optionen haben Direktor:innen und Lehrpersonal in Österreich, Schüler:innen Grenzen aufzuzeigen? "Es fehlen die Möglichkeiten zur Handhabe", erklärt Thomas Krebs von der Gewerkschaft der Pflichtschullehrer im Gespräch mit PULS 24. Schulen sei "bei ganz ganz vielen Dingen die Hände gebunden".
Um auf Vorfälle wie jenem in Niederösterreich reagieren zu können, brauche es ein Zusammenspiel verschiedener Behörden. Und: "Es steht und fällt mit den handelnden Personen."
So könnte die Polizei auch strafunmündige Jugendlichen mit ihren Eltern zu Fallbesprechungen vorladen. "Das ist da und dort meiner Meinung nach dringend notwendig", erklärt Krebs. Den Begriff "Einzelfall als solchen kann ich nicht mehr hören und will ich nicht mehr hören."
"Eltern müssen daran erinnert werden, dass sie gefälligst ein Auge darauf haben müssen, was die Kinder tun", so Krebs. Er kenne selbst Beispiele, "wo die Polizei den Ball sofort aufgenommen hat". So sei etwa eine Lehrerin online "aufs Schlimmste diffamiert" worden, woraufhin die Schüler:innen und Eltern zur Polizei mussten.
Sofern die Polizei keine Vorladung ausspricht, könne auch die Schule explizit darum bitten. In Wien stünden auch die sogenannten Grätzel-Polizist:innen als Vertrauenspersonen zur Verfügung und würden "routinemäßig vorbeischauen".
Außerdem könne beispielsweise die Jugendwohlfahrt für Krebs aktiver sein, wenngleich man hier Personalengpässe anmerken müsse. "Da kommt manchmal zu wenig."
Mögliche Maßnahmen "absolut unzulänglich"
Die Schulen selbst stoßen Krebs zufolge schnell an ihre Grenzen. Ein aktuelles Beispiel sei auch das von Bildungsminister Christoph Wiederkehr auf ganz Österreich ausgedehnte Handy-Verbot in Schulen bis zur achten Schulstufe. Dafür gibt es wahlweise eine Verwarnung, eine Mitteilung an die Eltern oder einen Klassenbucheintrag. "Da lacht uns jeder aus", meint Lehrergewerkschafter Krebs. Auch in anderen Fällen sei die "Unterstützung da und dort enden wollend".
Video: Thomas Krebs zu Handyverbot an Schulen
Der Katalog an Maßnahmen, aus denen Lehrer:innen bei Fehlverhalten von Schüler:innen auswählen können, müsse groß genug sein, so Krebs. Aktuell seien die Möglichkeiten "absolut unzulänglich".
Derweil ist das Schullandesgesetz zu Ausschlüssen von Schulveranstaltungen für Krebs "gar nicht so eng gefasst". Es brauche etwa keinen physischen Angriff, auch verbale Äußerungen würden ausreichen. Eine Gefährdung könne für ihn auch im niederösterreichischen Fall gegeben sein, wenn andere Schüler:innen "auf dumme Ideen" gebracht werden.
Außerdem zeige allein die Tatsache, dass der Fall in Niederösterreich an die Bildungsdirektion herangetragen wurde, dass "die Eltern offensichtlich auch nicht einsichtig" sind. "Daran scheitert es ganz oft."
Besuch in Mauthausen, Workshop mit dem BMI
Während die Schüler an der betroffenen Schule im Bezirk Scheibbs nun doch an der Sportwoche teilnehmen können, beschreibt die Bildungsdirektion gegenüber PULS 24 diverse Maßnahmen nach dem Hitlergruß der Burschen. So habe es "sofort unter Hinzuziehung der Eltern mahnende Gespräche seitens der Schulleitung" gegeben. Außerdem werde für die Burschen in der Notenkonferenz die Verhaltensnote "nicht zufriedenstellen" beantragt, das Verhalten sei "im Klassenverband aufgearbeitet" worden.
Man habe das Thema "nachdrücklich im Unterricht behandelt", außerdem soll es Workshops zu dem Thema mit der Kriminalprävention des Innenministeriums (BMI) geben. "Diese pädagogische Aufarbeitung erscheint aus Sicht der Bildungsdirektion als sehr sinnvoll und notwendig", heißt es in dem Statement gegenüber PULS 24. Die Schüler:innen der betroffenen Schule müssten noch in diesem Jahr verpflichtend an einem Besuch im Konzentrationslager Mauthausen samt entsprechender Vor- und Nachbereitung teilnehmen.
Gemeinsam mit der Schule habe die Bildungsdirektion Niederösterreich schließlich entschieden, dass die Schüler an der Schulveranstaltung teilnehmen dürfen. "Dies entspricht den rechtlichen Vorgaben, die für die Schule und die Bildungsdirektion gelten."
Zusammenfassung
- In einer Mittelschule im Bezirk Scheibbs in Niederösterreich sollen drei Schüler im Unterricht den Hitlergruß gezeigt haben.
- Sie wurden daraufhin von der Sportwoche ausgeschlossen - zumindest vorerst. Denn nach einer Beschwerde der Eltern bei der Bildungsdirektion wurde das Verbot aufgehoben.
- Laut Schulunterrichtsgesetz dürfen Schüler:innen nur dann von einer Schulveranstaltung ausgeschlossen werden, wenn eine Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt.
- Das war nach Einschätzung der Bildungsdirektion im vorliegenden Fall nicht gegeben.
- Lehrergewerkschafter Thomas Krebs kritisiert gegenüber PULS 24 die "absolut unzulänglichen" Möglichkeiten der Schulen im Umgang mit solchen Vorfällen.
- Für eine angemessene Reaktion auf solche Fälle brauche es laut Krebs die Zusammenarbeit verschiedener Behörden.