Pilotprojekt
Ein Jahr Gewaltambulanz Graz: Jüngstes Opfer 2 Wochen alt
Vor rund einem Jahr wurde die gerichtsmedizinische Einrichtung an der MedUni Graz vorgestellt. Sie gelte als wesentlicher "Puzzelteil", um Verletzungen und Spuren von Gewalt gerichtsverwertbar dokumentieren zu lassen sowie Gewaltbetroffene zu unterstützen, erklärte Sarah Heinze, Leiterin des Diagnostik- und Forschungsinstituts für Gerichtliche Medizin, bei einer Pressekonferenz am Freitag.
Im Beobachtungszeitraum vom April 2024 bis zum März 2025 haben sich die Fallzahlen beinahe verdreifacht (Faktor 2,84). Das sei eine deutlicher Hinweis auf die Notwendigkeit des niederschwelligen Angebots.
Jüngste Betroffene war 2 Wochen alt
237 klinisch-forensische Untersuchungen nach gerichtsmedizinischen-fachärztlichem Standard wurden in den letzten 12 Monaten durchgeführt. Davon 118 direkt in der Gewaltambulanz.
Die jüngste Betroffene sei erst 2 Wochen alt gewesen, die älteste 73 Jahre. 66 Prozent der Betroffenen kamen mit Verdacht auf körperlich Gewalt in die Ambulanz. 69 Prozent der Betroffenen seien weiblich gewesen.
97 Prozent der weiblichen Betroffenen kamen wegen sexualisierter Gewalt zur Anlaufstelle.
Zudem gab es 13 Fälle männlicher oder transsexueller Personen, die von einer Kombination aus sexualisierter und körperlicher Gewalt betroffen waren.
"Für eine von Gewalt betroffene Person wird es möglich, vor Gericht zu sagen: 'Das ist passiert. Ich kann es beweisen'", begründet Heinze die Notwendigkeit der Ambulanz.
Video: Sexuelle Gewalt - Was können Betroffene tun?
Gewaltambulanz im Budget abgedeckt
Frauenministerin Eva Maria Holzleitner (SPÖ) erklärte die Ambulanz bei der Pressekonferenz als "Institution der Gerechtigkeit". Sie sei mit dem Budget 2025 und 2026 abgesichert, "weil sie im Kampf gegen Gewalt an Frauen ganz dringend notwendig" sei.
"Die Bilanz nach zwölf Monaten zeigt eindrucksvoll, wie notwendig und wirksam diese Arbeit ist", hob auch Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) hervor.
Hilfe kostenfrei möglich
Nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder können bei Verdacht auf Misshandlung oder -missbrauch untersucht werden. Die Betroffenen werden zugleich auch über weitere Angebote wie z.B. weiterführende Betreuung durch Opferhilfseinrichtungen sowie psychologische und rechtliche Beratung informiert.
Prinzipiell stehe die Gewaltambulanz allen Menschen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und finanzieller Situation kostenfrei zur Verfügung. Die erhobenen Daten werden für einen Zeitraum von zehn Jahren gesichert und die gesammelten Spuren aufbewahrt, um sie bei Bedarf abrufen zu können.
In der Steiermark wird in einem weiteren Schritt auch die Regionalisierung der Gewaltambulanz vorangetrieben: "Damit möglichst viele Frauen die Dienstleistungen der Gewaltambulanz in Anspruch nehmen können, planen wir eine telemedizinisch unterstützte Ambulanz am Standort Leoben einzurichten", schilderte Heinze. Das Projekt soll im Frühherbst starten.
Die ursprüngliche Gewaltambulanz an der Medizinischen Universität Graz gibt es seit 2008. Sie wurde ausgebaut, im vergangenen Jahr wurde ein Pilotprojekt gestartet, um diese Anlaufstelle bekannter zu machen.
Auch in Wien gibt es seit Anfang des Jahres eine Gewaltambulanz an der MedUni Wien.
Hilfe bei häuslicher Gewalt
Sind Sie Opfer von Gewalt oder kennen jemand, der es ist? Hier finden Sie Hilfe:
Frauen-Helpline: 0800/222 555
Gewaltschutzzentrum: 0800/700 217
24-Stunden-Frauennotruf der Stadt Wien: 01/71719
Frauenhaus-Notruf: 05 77 22
Männerberatung Wien: 01/603 28 28
Rat auf Draht - Hilfe für Kinder & Jugendliche: 147
Im Fall von akuter Gewalt: Polizei-Notruf 133
Zusammenfassung
- Im Mai vergangenes Jahres wurde die Gewaltambulanz in den Räumlichkeiten der MedUni im Rahmen eines Pilotprojekt etabliert.
- Am Freitag zog man Bilanz. Zwischen April 2024 und März 2025 hatten sich die Fälle, die sich an die Ambulanz wendeten, verdreifacht.
- 237 klinisch-forensische Untersuchungen nach gerichtsmedizinischen-fachärztlichem Standard wurden in den letzten 12 Monaten durchgeführt. Davon 118 direkt in der Gewaltambulanz.
- Die jüngste Betroffene sei erst 2 Wochen alt gewesen, die älteste 73 Jahre.