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Chaos nach Kika/Leiner-Pleite: Run auf Möbel und Mitarbeiter

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Die Arbeiterkammer wirft Rene Benko ein "vampirartiges Geschäftsmodell" vor. Die Hälfte der Kika/Leiner-Filialen und -Mitarbeiter muss nun raus. Schnäppchenjäger und verunsicherte Kunden sorgten am Freitag für Notschließung einer Filiale wegen Überfüllung. Supermärkte, Post und Polizei keilen um gekündigte Mitarbeiter.

Die Kika/Leiner-Insolvenz steht bevor, die Hälfte der Mitarbeiter muss gehen, die Hälfte der Filialen soll geschlossen werden. Damit beginnt der Run aufs Unternehmen gleich an mehreren Fronten - auf die Möbel im Totalabverkauf und auf die Angestellten, die bald ohne Arbeit dastehen.

1,5 Stunden Wartezeit an Kassa

Am Freitag stauten sich die Autos zum Beispiel schon am Weg zur Filiale in Steyr. Die Wartezeiten an der Kassa betrugen bis zu 1,5 Stunden. Um 11.30 Uhr wurde wegen Überfüllung zwischenzeitlich geschlossen, dann auf Blockabfertigung umgestellt. Auch in Wörgl und Horn kam es zu langen Watteschlangen.

KIKA/LEINER-SCHLIESSUNGEN - KUNDENANDRANG IN HORNAPA/CHRISTOPHER ECKL

1,5 Stunden Wartezeit an der Kassa: Bei Kika/Leiner ist vor der Schließung einiger Filialen die Hölle los. 

VKI warnt wegen Gutscheinen

Neben Schnäppchenjägern waren auch viele verunsicherte Kunden dabei, die sich um die Gültigkeit ihrer Gutscheine sorgen. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) rät dazu, sie schnell einzulösen und keine Anzahlungen mehr zu tätigen. Kika/Leiner wiederum verspricht, dass alle Bons ihre Gültigkeit behalten, weil der neue Eigentümer, Hermann Wieser, die Haftung dafür übernehme. 

Supermärkte, Post und Polizei wollen Mitarbeiter anwerben

Bald werden 1.900 Kika/Leiner-Mitarbeiter ohne Job dastehen. Nach ihnen lecken sich gleich mehrere Großunternehmen die Finger. Supermarktketten wie Hofer, Spar, die Rewe-Gruppe mit Billa und Lidl bieten den Gekündigten Jobs. Auch dm hofft auf Bewerber. Bauhaus will die Leute mit einer zusätzlichen 6. Urlaubswoche ködern. Und sogar die Post und die Polizei zeigten Interesse.

GPA: "Beabsichtigt" von Benko

Investor Rene Benko löste die Immobilien aus dem Konzern und verkaufte sie um kolportierte 300 Millionen Euro, den operativen Bereich extra. "Da muss man ja fast schon blind sein, wenn man nicht sieht, dass das durchaus beabsichtigt war", sagt Gewerkschafts-Geschäftsführer Mario Ferrari von der GPA im PULS 24 Interview. Über 2.000 Menschen würden den Job verlieren, bei einer Insolvenz sogar alle. Fair wäre, die 300 Millionen unter den Mitarbeitern aufzuteilen. Ferrari fordert die Politik auf, solchen Praktiken einen Riegel vorzuschieben. Die Zeche würden am Ende Arbeitnehmer:innen und Konsument:innen zahlen. Das sei laut auch bei den Corona-Hilfen so gewesen, die Benko kassiert habe. Der Gewerkschafter stellte aber auch eine allzugroße Nähe zwischen dem Investor und der Politik in den Raum, das sei bei seinem Verhältnis zu Ex-Kanzler Sebastian Kurz klar ersichtlich gewesen. Es sei "offensichtlich so, dass Freunde durchaus gut kooperieren". 

Geschäftsführer der Gewerkschaft GPA Wien, Mario Ferrari spricht im Interview mit Anchor Jakob Wirl über die Kika/Leiner-Situation.

Arbeiterkammer: Benko saugt Firmen aus und verkauft sie

 

Tirols AK-Chef Erwin Zangerl kritisierte den Ex-Besitzer von Kika/Leiner scharf: Rene "Benko ist ja bekannt dafür, dass er ein vampirartiges Geschäftsmodell ausführt. Das heißt, er kauft Firmen, saugt sie bis zum letzten Tropfen aus, verkauft wieder und dann gibt es die Insolvenz." 2018 hatte Kika/Leiner noch rund 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nun, nach der Insolvenz, müssen 1.900 Personen von den noch vorhandenen gehen. Benko "nimmt höchstmögliche Förderungen in Anspruch, stößt die Firmen ab und lässt die Menschen im Stich, wenn sie für ihn nichts mehr abwerfen", polterte Zangerl. Solche Geschäftspraktiken seien "ein Schlag ins Gesicht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für ihren Arbeitgeber tagtäglich ihr Bestes leisten, aber auch für alle seriösen Unternehmerinnen und Unternehmer dieses Landes."

Ein Benko-Manager sprach nach dem Verkauf der Immobilien an Supernova von einem "guten Geschäft" für das Unternehmen. Das operative Geschäft ging - angeblich um einen symbolischen Euro - an Hermann Wieser, der seit Jahrzehnten im Möbelgeschäft arbeitet und unter anderem Verkaufschef von XXXLutz und Kurzzeit-Chef von Kika-Leiner im Jahr 2014 war.

Keine Überraschung für Branchenkenner

Aus Sicht von Branchenbeobachtern kommen der Kahlschlag bei Kika/Leiner sowie die prompte Ankündigung eines Sanierungsverfahrens wenig überraschend. Immerhin schrieb die Möbelkette seit der Übernahme durch die Signa Holding im Jahr 2018 durchgehend rote Zahlen. Herbert Wieser, der das operative Geschäft übernommen hat, kannte die Bilanzzahlen, erinnern Insider, und wusste, dass er bei laufenden Verlusten hohe Verbindlichkeiten übernimmt.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Arbeiterkammer wirft Rene Benko ein "vampirartiges Geschäftsmodell" vor.
  • Die Hälfte der Kika/Leiner-Filialen und -Mitarbeiter muss nun raus.
  • Schnäppchenjäger und verunsicherte Kunden sorgten am Freitag für Notschließung einer Filiale wegen Überfüllung.
  • Supermärkte, Post und Polizei keilen um gekündigte Mitarbeiter.

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