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Kritik an Polizei: Amokläufer schrieb Buch über Hitler als Werkzeug Christi

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Die Hamburger Polizei steht in der Kritik, weil es bereits im Jänner einen anonymen Hinweis auf den Amokläufer von Hamburg gab, der legal eine Waffe besitzen durfte. Im selben Monat, in dem er die Tatwaffe besorgte, mit der er sieben Menschen und sich tötete, veröffentlichte er auch ein Buch mit wirren religiösen Thesen.

Die Ermittler in Hamburg sind nach dem Amoklauf in einer Kirche der Zeugen Jehovas mit acht Toten - sieben Opfer und der Täter - weiter auf der Suche nach dem Motiv von Philipp F. Zugleich wies die Hamburger Polizeiführung am Dienstag erneut Vorwürfe zurück. Kritisiert wird die Bearbeitung eines im Jänner bei der Waffenbehörde eingegangenen anonymen Hinweises auf den späteren Täter. 

Anonymer Hinweis auf Gefahr und wirres Buch

Die Hamburger Waffenbehörde überprüfte die Zuverlässigkeit des späteren Amokläufers Philipp F., die Recherche blieb aber ergebnislos. Zwei Monate vor der Tat ging ein anonymer Hinweis bei der Behörde ein. Es wurde vor einer möglichen psychischen Erkrankung des 35-Jährigen gewarnt. F. sei gefährlich, als Beleg wurde ein von ihm verfasstes Buch angegeben, das über Amazon erhältlich war. Darin verbreitete der spätere Amokläufer wirre religiöse Thesen auch im Zusammenhang mit dem Holocaust. 

Zwei Beamte der Waffenbehörde seien den Hinweisen nachgegangen, hätten bei dem Sportschützen aber keine Auffälligkeiten festgestellt, sagte Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer am Dienstag. Unter anderem hatten sie eine unangekündigte Kontrolle in der Wohnung von Philipp F. vorgenommen und dabei die ordnungsgemäße Aufbewahrung von Waffe und Munition überprüft.

Hitler als Werkzeug Christi

Laut Medienberichten breitete der Mann in dem auf Englisch verfassten und rund 300-seitigen Buch eigenen quasi-religiöse Thesen aus. Eine zentrale Rolle spielt demnach der Glaube an eine Wiederkehr von Jesus Christus und ein "tausendjähriges Reich". Der "Zeit" zufolge soll das inzwischen nicht mehr zugängliche Traktat neben zahlreichen antisemitischen Passagen auch die Aussage enthalten, Adolf Hitler sei ein Werkzeug Jesu Christi gewesen.

Eine Google-Suche, bei der die Polizei lediglich den Namen des späteren Täters und den Suchbegriff "Buch" eingegeben hätten, habe aber zu keinem Ergebnis geführt. Laut Polizei wurde das Buch seit Dezember 2022 über die Handelsplattform Amazon vertrieben.

Polizeipräsident: Möglichkeiten ausgeschöpft

Die Beamten hätten bei der Überprüfung den rechtlich möglichen Rahmen ausgeschöpft, sagte Meyer. Insofern könne er ihnen "keine Vorwürfe machen". Er räumte aber ein, dass der Inhalt des Buchs, wäre es ausgewertet worden, möglicherweise Anlass für weitere Maßnahmen der Waffenbehörde gegeben hätte.

Nach Ermittlerangaben war der Mann bis vor eineinhalb Jahren selbst Mitglied der Kirchengemeinde im Hamburger Stadtteil Groß Borstel, verließ diese dann allerdings unter bisher nicht abschließend geklärten Umständen. Er war zudem Sportschütze und als solcher legal im Besitz der späteren Tatwaffe. Es sei nicht auszuschließen, dass der 35-jährige Philipp F. bei der Tat aus "Hass" gegen die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas gehandelt habe, sagte der für die Ermittlungen zuständige leitende Oberstaatsanwalt Arnold Keller vor Journalisten. Es könne derzeit aber nicht abschließend gesagt werden, ob darin das Motiv zu suchen sei. Es gebe zudem keine Anhaltspunkte für seine Einbindung in Täterstrukturen oder rechtsextremistische Netzwerke, hieß es vom Staatsschutz.

"Psychische Auffälligkeiten"

Nach Angaben des stellvertretenden Leiters der Staatsschutzabteilung des Hamburger Landeskriminalamts, Uwe Stockmann, rekonstruieren die Ermittler derzeit das Leben von F. und befragen dazu zahlreiche Zeugen. Es gebe auch Hinweise auf "psychische Auffälligkeiten", eine fachmedizinische Einschätzung liege jedoch noch nicht vor, betonte Stockmann.

Ein Opfer noch in Lebensgefahr

Der Täter hatte am Donnerstagabend sieben Menschen getötet, vier Männer, zwei Frauen und ein ungeborenes Mädchen. Bei einem der Verletzten - sechs sind noch im Spital - bestehe akute Lebensgefahr, sagte der stellvertretende Leiter des Hamburger Staatsschutzes, Uwe Stockmann, am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Insgesamt neun Menschen seien körperlich verletzt worden, sieben von ihnen erlitten Schusswunden. Ein Verletzter schwebt noch immer in Lebensgefahr, wie die Behörden am Dienstag mitteilten.

Zeugen Jehovas empört

Unterdessen soll am Sonntagabend bei einem ökumenischen Gottesdienst der Opfer gedacht werden. Ein Vertreter der Zeugen Jehovas zeigte sich empört, dass weder die Glaubensgemeinschaft noch die Angehörigen der Todesopfer in die Planungen einbezogen worden seien.

ribbon Zusammenfassung
  • Nach dem Amoklauf in einer Hamburger Kirche der Zeugen Jehovas, bei der ein 35-jähriges ehemaliges Mitglied am Donnerstag sieben Menschen und sich selbst erschoss, wird die Polizei kritisiert.
  • Hintergrund ist ein Buch von Philipp F., in dem dieser wirre religiöse Thesen auch im Zusammenhang mit dem Holocaust äußert.
  • Laut Polizei wurde das Buch seit Dezember 2022 über die Handelsplattform Amazon vertrieben.

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