Buchbesprechung
Kein Platz für Sachslehner im "modernen Feminismus"?
"Fake" sei er, der "moderne Feminismus", gegen den Laura Sachslehner in ihrem neuen Buch "Fake Feminismus - Zeit zum Aufbegehren" 221 Seiten lang wettert. Nur noch mit "Nebenschauplätzen" beschäftige er sich, kritisiert sie, bevor sie selbst sich ebenfalls seitenlang an jenen "Nebenschauplätzen" abarbeitet.
Es ist der erste Widerspruch von vielen, die sich durch das Buch ziehen. So greift Sachslehner gleich zu Beginn das "Minderheitenthema" der Nicht-Binarität der Geschlechter auf. Denn jeder könne ja jetzt mir nichts, dir nichts sein Geschlecht ändern, wie es ihm oder ihr gerade passt.
Dabei gebe es nur zwei biologische Geschlechter, wird die Ex-ÖVP-Generalsekretärin nicht müde zu betonen. Weiblich und männlich. Wer bestimmt das? Im modernen Feminismus jeder selbst. Das ist Sachslehner ein Dorn im Auge, daher bestimmt sie das Geschlecht der olympischen Boxerin Imane Khelif kurzerhand selbst.
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Ungeachtet dessen, dass Khelif eine Cis-Frau, also biologisch eine Frau ist, schreibt die Ex-Politikerin folgendes: "Mit Imane Khelif gewann dort eine Sportlerin Gold beim olympischen Frauenboxen, die, biologisch gesehen, ein Mann ist und die mit ihrer deutlich sichtbaren männlichen und somit physisch überlegenen Statur Frauen vor der versammelten Weltöffentlichkeit im Fernsehen verprügelte."
Nachdem Kehlif rechtsextremer Hetze ausgesetzt war, hat schon im Vorjahr ihr Vater ihre Geburtsurkunde hergezeigt, in der steht, dass sie eine Frau ist. Und das in Algerien, einem Land, in dem es Transpersonen nicht gestattet ist, ihre persönlichen Dokumente anzupassen. Aber Sachslehner wird es schon wissen.
Respekt für Transpersonen nur in der Theorie
"Wenn jemand sein Geschlecht wechseln möchte, ist das zu respektieren", schreibt Sachslehner später jedoch großmütig. Außer es handelt sich um die deutsche Ex-Bundestagsabgeordneten Tessa Ganserer, die trans ist. Nicht nur verwendet Sachslehner männliche Pronomen für die grüne Politikerin, sondern wirft ihr auch vor, die Weiblichkeit "final der Lächerlichkeit" preiszugeben, wenn sie in transparenter Bluse auftritt.
Na gut, immerhin liegen zwischen der offensichtlichen Transfeindlichkeit und dem Bekenntnis zum Respekt rund 100 Seiten. Ist der Widerspruch also vielleicht einfach ein kleiner Sinneswandel, den Sachslehner gegen Ende des Buches vollzieht?
Politisierte Periode? Nein, danke.
Eher nein, denn widersprüchlich geht es auch sonst munter weiter. Da das biologische Geschlecht von ihr auf jeden Fall in den Vordergrund gestellt wird, sollte man annehmen, alle biologischen Phänomene würden ebenso behandelt, aber: weit gefehlt. Sachslehner hat zum Beispiel kein Interesse daran, dass die Periode im öffentlichen Diskurs zum Thema gemacht wird. Feministinnen würden sie unnötig politisieren und sichtbar machen, etwa durch Freebleeding-Initiativen oder einen geforderten Sonderurlaub bei Menstruationsbeschwerden.
Geht gar nicht, findet Sachslehner. Die Feministinnen "zwingen etwas zutiefst Privatem und Persönlichem" einen "politischen Stempel auf". Höchstpersönlich sei das, was sich im Uterus abspielt.
Das "überlegene Geschlecht" kann Kinder gebären
Außer, es geht ums Kinder-Bekommen. Das, bekräftigt Sachslehner regelmäßig, mache Frauen eigentlich zum "überlegenen Geschlecht". Sie werden praktisch gezwungen, eine Karriere zu haben und dann dafür kritisiert, wenn sie schnell wieder in den Berufsalltag zurückwollen, meckert sie. Jene Frauen, die ihre Mutterrolle länger aktiv ausleben wollen, sollen ihrer Meinung nach mehr unterstützt werden.
Natürlich. Dem zuzustimmen fällt leicht, aber wie genau soll das geschehen? Jedenfalls nicht durch ein Einmischen des Staates.
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"Ich habe absolut nichts gegen Väter, die in Karenz gehen. Und ich beglückwünsche jede Familie, die diese Entscheidung für sich trifft. Doch zum einen ist das etwas zutiefst Privates, das jedes Paar für sich fällen sollte. Die Öffentlichkeit und auch die Politik haben hier kein Mitspracherecht. Zum anderen zeigt uns die biologische Realität auf, dass die Praxis oft sehr anders aussieht", schreibt sie.
Während Sachslehner zwar von einer "biologischen Realität" spricht - etwa, dass Frauen durch die Folgen einer Schwangerschaft körperlich geschwächt sein können -, lässt sie finanzielle Aspekte komplett außen vor.
Tatsache ist, dass viele Frauen deutlich weniger verdienen als ihre männlichen Partner und dann wenig überraschend die Mütter länger in Karenz gehen. Schließlich bleibt so zumindest ein höheres Vollzeitgehalt. Die angeblich so "private" Entscheidung ist in Wahrheit also keine.
Verwirrung über Transpersonen
Das bleibt aber unerwähnt in "Fake Feminismus". Überhaupt tritt Sachslehner kaum nach oben, eher nach unten. Erwähnungen oder gar Diskussionen rund um den Gender Pay Gap - wohl gemein gesehen ein Hauptanliegen des Feminismus - sucht man vergeblich, die Disparität in der Gesundheit wird in einem einzigen Satz abgehandelt.
Stattdessen kehrt sie immer wieder zu den "Nebenschauplätzen" zurück, die sie so stören. So kritisiert sie, das Gendern (es sei ein "Werkzeug einer kleinen elitären Gruppe, die die Moral für sich gepachtet haben möchte") oder geschlechtsneutralen Begriffen wie menstruierende Personen statt menstruierende Frauen.
Dabei demonstriert Sachslehner auch, wie wenig vertraut sie mit der Realität der von ihr viel zitierten Biologie von Transpersonen eigentlich ist. "Biologische Männer beginnen plötzlich, die Menstruation für sich zu proklamieren (gemeint ist wohl "reklamieren", Anm.), und behaupten, auf etwas stolz sein zu wollen, was sie jedoch nie wirklich erfahren haben", schreibt sie.
Das scheint schwer vorstellbar, schließlich handelt es sich bei den hier genannten "biologischen Männern" aller Wahrscheinlichkeit nach um Transfrauen, die aufgrund ihrer Biologie keine Periode haben. Wenn schon, dann müsste sich Sachslehner auf Transmänner beziehen, die noch weibliche Geschlechtsorgane und damit verbunden womöglich einen Zyklus haben. Die sind aber, um ihrem eigenen Argument zu folgen, eben nicht "biologische Männer".
Opferrhetorik im Mittelpunkt
Zu guter Letzt stört sich Sachslehner auch daran, dass moderner Feminismus Frauen angeblich zu Opfern mache. Man würde "bereits kleinen Mädchen einreden" wollen, "sie wären in eine Welt hineingeboren, in der sie aufgrund ihres Geschlechts per se von Geburt an unterdrückt und missbraucht werden". Dabei könnten sie alles erreichen: Sachslehner sehe etwa Frauen "in verantwortungsvollen Berufen" nicht als "die Ausnahme".
Angst müssten Frauen nur vor der angeblich importierten Gewalt aus Afghanistan und Syrien haben, nicht vor "alten weißen Männern", führt sie gleich zwei ganze Kapitel lang aus. Es ist eigentlich alles also gar nicht so schlecht, folgert die Ex-ÖVP-Politikerin.
Status Quo soll beibehalten werden
Sie bedient sich damit der jahrzehntealten Strategie von Konservativen, die den Status Quo verteidigen und alles, was ihnen nicht behagt, zielsicher in den Bereich des Privaten schieben. Genau das ist der Grund, warum es schon in den Feminismus-Bewegungen der 1970er Jahre hieß: "Das Private ist politisch." Man hatte erkannt, nur, wenn Machtstrukturen aus dem Privatbereich in die Öffentlichkeit geholt wurden, konnten sie auch verändert werden.
Dass Frauen ohne die Zustimmung ihres Ehemannes etwa ein Konto eröffnen oder einen Arbeitsvertrag unterzeichnen können, ist heute selbstverständlich. Diese Errungenschaften fußen aber u.a. auf dem Kampf der Feministinnen, die sich damals gegen den etablierten Status Quo wandten.
Und so führt der "moderne Feminismus" eben diesen Kampf weiter und bindet dabei die Stimmen von Menschen mit ein, die die in früheren feministischen Bewegungen außen vor gelassen wurden.
Laura Sachslehners Identitätspolitik
Dass das Sachslehner nicht behagt, ist kein Wunder, denn ihr bringt dieser Feminismus wenig. Für sie ist der Status Quo ausreichend: Sie hat bereits Karriere gemacht und laut eigenen Angaben einen Mann, der sie in ihrem Beruf sowie in ihrer derzeitigen Schwangerschaft unterstützt. Doch der moderne Feminismus dreht sich eben nicht mehr ausschließlich um weiße, heterosexuelle und gut verdienende Frauen.
Vielleicht ist Sachslehners Verständnis von Feminismus also einfach überholt. Das sieht sie offenbar auch selbst so, denn sie sei nach der "heute gängigen Definition und Auslegung von Feminismus" keine Feministin. Sie setze sich aber "laut gegen jedes Unrecht gegenüber Frauen zur Wehr". Allerdings offenbar nur Unrecht gegenüber jenen Frauen, die sie dessen für würdig hält.
"Fake Feminismus - Zeit zum Aufbegehren" von Laura Sachslehner erschien am 13. Mai im Seifert Verlag (24 Euro)
Video: Laura Sachslehner über ihr Buch
Zusammenfassung
- Das dritte Jahr in Folge hat Ex-ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner ein Buch veröffentlicht.
- In "Fake Feminismus - Zeit zum Aufbegehren" rechnet sie mit dem "modernen Feminismus" ab.
- Ein bisschen verwirrt, wettert sie gegen die Nicht-Binarität der Geschlechter und plädiert am Ende für einen Feminismus, der den Status Quo nicht infrage stellt.
- Eine Rezension.