Amoklauf in Hamburg

In vier Minuten beim Amoklauf: Hamburger Polizei arbeitete mit Wiener Wissen

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Rund 10 Minuten nach dem ersten Schuss des Attentäters in Hamburg und vier Minuten nach dem ersten Notruf stürmten die Polizisten den Tatort. Der Täter flüchtete vor den Beamten, bevor er noch mehr Personen umbringen konnte. Zufall half den Beamten - und die Erkenntnisse der Wiener Wega vom Terroranschlag in Wien.

Acht Personen starben beim Amoklauf in Hamburg, als der 35-jährige Philipp F. am Donnerstag das Feuer bei einer Messe der Zeugen Jehovas eröffnete. "Eine Amoktat dieser Dimension - das kannten wir bislang nicht. Das ist die schlimmste Straftat, das schlimmste Verbrechen in der jüngeren Geschichte unserer Stadt", sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote am Freitag bei einer Pressekonferenz. 

Die Spezialeinheit der Polizei stürmte fünf Minuten nach dem ersten Notruf und rund eine Minute nach dem Eintreffen der ersten Polizisten das Gebäude. "Zufall" habe mehr Todesopfer verhindert - und die Erfahrungen der Wiener Wega, auf deren Basis die Abläufe bei der Hamburger Polizei optimiert wurden. 

21 Uhr: Philipp F. eröffnet das Feuer

Um 21 Uhr fand im Hamburger Stadtteil Alsterdorf eine Messe der Zeugen Jehovas statt. Laut Angaben der Glaubensgemeinschaft waren 36 Gemeindemitglieder vor Ort, 25 weitere waren digital zugeschaltet. Philipp F. hatte eineinhalb Jahre zuvor die Zeugen Jehovas im Bösen verlassen und sich im Dezember eine halbautomatische Waffe besorgt. Mit 32 Magazinen voll Munition schoss er vor dem Haus auf ein Auto, dann stieg er durchs Fenster bei den Zeugen Jehovas ein. 

Der Wagen der Autofahrerin wurde zehnmal getroffen. Die Frau flüchtete leicht verletzt und rief die Polizei. Im Haus eröffnete F. bei der Messfeier auf die Gläubigen das Feuer. 

21.04 Uhr: Opfer rufen Polizei

Um 21.04 Uhr gingen die ersten Notrufe bei Polizei und Feuerwehr ein. Sie kamen von der Frau im Auto, auch die Gläubigen im Haus riefen per Telefon um Hilfe. 

21.08 Uhr: Die Polizei erreicht den Tatort

"Um 21.08 Uhr waren erste Kräfte vor Ort", sagte der Hamburger Innensenator Andy Grote am Freitag bei einer Pressekonferenz. Die Beamten hörten, wie im Haus geschossen wurde. Nur eine Minute später, um 21.09 Uhr, kam die Unterstützungsstreife für erschwerte Einsatzlagen (USE) zum Tatort.

21.10 Uhr: Spezialeinheit schießt Tür auf

Um 21.10 Uhr schossen die Beamten der Spezialeinheit auf die Glastür des Gebäudes und konnten sich so Zutritt verschaffen. Als sie den Saal betraten, schilderte Grote die Vorgänge, hätten die Beamten bereits Menschen am Boden liegen sehen. Ein Mann lief in den ersten Stock. Später stellte sich heraus, dass es sich bei ihm um F. handelte. Die Beamten fanden ihn tot auf. Er erschoss sich selbst. 

"Wir haben es mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit dem sehr, sehr schnellen und entschlossenen Eingreifen der Einsatzkräfte der Polizei zu verdanken, dass hier nicht noch mehr Opfer zu beklagen sind", sagte der Innensenator. Dass die Beamten so schnell vor Ort waren, war Zufall. Die Spezialstreife wollte gerade Feierabend machen und hielt sich ganz in der Nähe auf. 

Polizei optimierte Abläufe - Dank der Wiener Wega

Nach dem Terroranschlag von Wien habe die Wiener Wega Informationen über den Einsatz an die Kollegen von der deutschen Polizei weitergegeben. Auf Basis der Vorfälle in Wien überlegte man, wie man Abläufe optimieren könne, sollte es auch in Hamburg zu einem ähnlichen Vorfall kommen. Es waren wahrscheinlich auch diese Erkenntnisse, die am Donnerstag in Hamburg Menschenleben gerettet haben. 

Die USE in Hamburg gibt es erst seit Oktober 2020.  "Die Hamburger haben damals nach dem Terroranschlag in Wien angefragt, ob sie sich bei uns etwas abschauen können", sagte Kommandant Ernst Albrecht am Freitag zur Austria Presse Agentur.

Wie bei der Wiener WEGA bestehet die Einheit aus speziell ausgebildeten Bereitschaftspolizisten, die in Einsatzwagen im Stadtgebiet unterwegs sind. Zwei Fahrzeuge sind immer auf der Straße. "Es kann um Randalierer gehen, eine Schlägerei, einen Einbrecher, der noch in einem Gebäude ist, oder einen angekündigten Amoklauf", zu dem die USE gerufen wird, sagte Polizeisprecher Thilo Marxsen dem "Hamburger Abendblatt". Auch bei Terrorlagen soll die Unterstützungsstreife eingreifen, so wie die Wiener WEGA, deren Angehörige 2020 neun Minuten nach den ersten Notrufen zu einem Terroranschlag den Täter erschossen. Die Wiener WEGA half den Kollegen aus Hamburg bei der Ausbildung.

Kollege aus Hamburg bedankte sich in Wien

Die Wiener Polizei schuf die WEGA in den 90er-Jahren, um auf die veränderte Entwicklung bei Einsätzen reagieren zu können. "Wir haben hier sicher international eine Vorreiterrolle", so Albrecht. Er und seine Kollegen erhielten nach dem tragischen Einsatz bereits Nachrichten aus Hamburg. "Es hat ein befreundete Kollege angerufen und sich bedankt, dass wir sie in den vergangenen Jahren unterstützt haben und so noch mehr Tote verhindert werden konnten."

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ribbon Zusammenfassung
  • Rund 10 Minuten nach dem ersten Schuss des Attentäters in Hamburg und vier Minuten nach dem ersten Notruf stürmten die Polizisten den Tatort.
  • Der Täter flüchtete vor den Beamten, bevor er noch mehr Personen umbringen konnte.
  • Zufall half den Beamten - und die Erkenntnisse der Wiener Wega vom Terroranschlag in Wien.

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