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Gewaltschutz von Frauen: Welchen Beitrag die Männerberatung leisten kann

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Nach bereits elf mutmaßlichen Femiziden im Jahr 2021 sprach sich der Grüne Sozialminister Wolfgang Mückstein dafür aus, einer "falschen Männlichkeit entgegenzutreten". Denn, um die Gewalt zu beenden, müssen nicht nur Frauen geschützt werden, Männer müssen sich auch ändern. Die Männerberatung kann einen Beitrag leisten.

Der Mai 2021 hatte kaum begonnen, mussten Medien schon die zehnte und elfte mutmaßlich getötete Frau in diesem Jahr vermelden. Es folgten zwei Gewaltschutzgipfel der Regierung - der erste ohne Gewaltschutzeinrichtungen, der zweite dann mit ihnen.

Die Regierung sicherte zusätzliche 24,6 Millionen Euro zur Ausweitung von Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt zu. Vier Millionen Euro sind für die männerspezifische Gewaltprävention vorgesehen, für Frauen- und Mädchenberatung sind zusätzliche sechs Millionen Euro geplant.

Zudem sollen die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung ausgebaut, eine Informationskampagne gestartet, die Präventionsbeamten bei der Polizei aufgestockt und Antigewalt- und Affektkontrolltrainings für Täter in der Justiz forciert werden. 

"Sockelfinanzierung fehlt"

Die Opferschutzeinrichtungen forderten eigentlich 228 Millionen Euro im Jahr für eine Ausweitung und längerfristige Absicherung ihrer Arbeit. Denn einer Frau stünden derzeit nur fünf Termine zur Verfügung, was etwa bei einer Trennung viel zu wenig sei.

Und die Männerberatung könne derzeit ihre "Breitenwirkung" nicht entfalten und zu wenig präventiv arbeiten, erklärt Romeo Bissuti, Klinischer- und Gesundheitspsychologe und Psychotherapeut von der Männerberatung Wien. Das Gewaltschutz-Paket der Regierung sieht er als wichtigen "Startschuss", auf dem man weiter aufbauen müsse: "Uns fehlt ganz einfach die Sockelfinanzierung". 

Das leistet die Männerberatung

Dabei könnte die Männerberatung einen wichtigen Beitrag zum Schutz vor Gewalt gegen Frauen leisten. 

Bei Tätern (es gibt schon zumindest ein Betretungsverbot oder eine Wegweisung) funktioniert das in der Regel so, dass die Männer von der Polizei zur Beratung geschickt werden. Man führt mit dem Mann Gespräche, in welchen die Normverstöße verdeutlicht werden, wie Bissuti erklärt. Zeitaufwendig und kostenintensiv sei hier vor allem die Vernetzung mit den Opferschutzorganisationen. Diese sei aber wichtig, damit dem Mann seine wirklichen Taten vor Augen geführt werden können. "Wir reden Klartext, das kann schon mal konfrontativ sein", sagt Bissuti. 

Es gehe dabei keines Falls darum, die Beziehung zu retten. "Das kann höchstens die Anfangsmotivation für den Mann sein. Der Mann muss das aber für sich machen, um mit seinen Gefühlen besser umgehen zu lernen", sagt Bissuti. 

Der Idealfall

Im Idealfall setze die Männerberatung aber schon weit früher an: Es müsse ein "aktives, breites, niederschwelliges" Angebot für Männer geben, die sich bei den verschiedensten Problemen beraten lassen wollen, sagt der Männerberater. Dabei könne es um Arbeitslosigkeit, die Gesundheit, Trennungen "oder was auch immer gehen". In ausreichend Gesprächen können so Perspektiven aufgezeigt, Therapien vermittelt und somit Gewalt präventiv verhindert werden. "In der Eskalation selbst ist es dann viel schwieriger zu arbeiten", erklärt Bissuti.

Männlichkeitsbilder verändern

"Oft kommen die Männer nicht wegen der Gewalt, das stellen wir dann erst während der Gespräche fest", sagt er. So können Fälle häuslicher Gewalt auch aufgedeckt werden.  Dann gehe es darum, die "toxischen Männlichkeitsbilder" zu verändern. 

Denn obwohl die Dynamiken, die zu Gewalt führen, vielfältig sind, ist das Geschlechterverhältnis schon auffällig: "Männer sind Täter, Frauen Opfer", bringt es Paul Scheibelhofer, Geschlechterforscher am Institut für Erziehungswissenschaften an der Uni Innsbruck, auf den Punkt. Zorn, Enttäuschungen und psychische Erkrankungen erleben auch Frauen - die Reaktionen darauf seien bei Männern aber oft anders. 

"Keine Geschlechterdemokratie"

"Männer lernen in unserer Gesellschaft, dass es eine sinnvolle Strategie ist, auf Enttäuschen mit Gewalt zu reagieren", sagt Scheibelhofer. Als Beispiel nennt er schon die Jugend, in der Burschen schon zu Hören bekommen: "Gehe raus und erobere die Welt". Während Mädchen hören: "Pass auf dich auf".

Der Vater hat ein größeres Auto wie die Mutter und verdient in der Regel mehr, in der Schule bekommen Jungs um zwei Drittel mehr Aufmerksamkeit als Mädchen. All das spreche gegen eine "Geschlechterdemokratie": Männer lernen, das Recht darauf zu haben, sich zu holen, was sie wollen.

Diese Männlichkeitsbilder könnte die Politik auch mit dem Kampf gegen Gehaltsunterschiede oder für eine längere Väterkarenz beeinflussen und dadurch gegen Gewalt an Frauen vorgehen. Die Gewaltschutzgesetze in Österreich seien ausreichend, die Opferschutz- und Männerberatungseinrichtungen bräuchten hingegen mehr Geld und gesellschaftspolitisch sowie in der Bildungspolitik müsse etwas getan werden, sagt Scheibelhofer. 

Hilfe für Gewalt-Betroffene gibt es hier:

  • Frauenhelpline (Mo-So, 0-24 Uhr, kostenlos): 0800 / 222 555
  • Männerberatung (Mo-Fr, Ortstarif): 0720 / 70 44 00
  • Männernotruf (Mo-So, 0-24 Uhr, kostenlos): 0800 / 246 247
  • Telefonseelsorge (Mo-So, 0-24 Uhr, kostenlos): 142
     

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ribbon Zusammenfassung
  • Nach bereits elf mutmaßlichen Femiziden im Jahr 2021 sprach sich der Grüne Sozialminister Wolfgang Mückstein dafür aus, einer "falschen Männlichkeit entgegenzutreten". Denn, um die Gewalt zu beenden, müssen nicht nur Frauen geschützt werden, Männer müssen sich auch ändern. Die Männerberatung kann einen Beitrag leisten.