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Kredite und Inflation: "Doppelhammer" für Häuslbauer

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Hohe Zinsen und strengere Vergabe-Regeln für Immobilienkredite bereiten Häuslbauern Kopfzerbrechen. Der Traum vom Eigenheim ist in den letzten anderthalb Jahren für viele in weite Ferne gerückt. Experten schlagen Alarm und warnen vor weitreichenden Folgen - auch für Mieter.

Gestiegene Baukosten und teurere Kredite haben in den letzten Monaten nicht nur große Bauträger und Immobilien-Imperien wie die Signa zum Kollaps gebracht - sie werden auch für Häuslbauer zu einer enormen Belastung. 

Für Kreditnehmer sind nämlich nicht nur die Leitzinsen der EZB ein Problem. Im Sommer 2022 wurden zudem die Vergaberichtlinien für Immobilienkredite in der sogenannten KIM-Verordnung verschärft. 

Nun müssen Kreditnehmer 20 Prozent an Eigenmitteln mitbringen, zudem darf die Monatsrate nicht mehr als 40 Prozent des Netto-Haushaltseinkommens ausmachen. Die maximale Kreditlaufzeit ist auf 35 Jahre begrenzt. 

"Doppelhammer für die Kreditnehmer"

"Der Hintergedanke war prinzipiell gut und wichtig", meinte Finanzexperte Stefan Goldschmidt im Gespräch mit PULS 24 zur KIM-VO. Man wollte nämlich erreichen, dass der von der langen Nullzinspolitik angefeuerte Immobilienmarkt "nicht überhitzt".

Doch beinahe zeitgleich leitete die EZB die Zinswende ein. Durch die Inflation sind zudem die Baukosten massiv gestiegen - gepaart mit den teureren Krediten "ist das jetzt der Doppelhammer für die Kreditnehmer", so Goldschmidt. 

Kreditvergaben eingebrochen

Die Folge: "Die Nachfrage an Immobilienfinanzierungen ist drastisch - um bis zu zwei Drittel - zurückgegangen", heißt es auf PULS 24 Anfrage von der Bundessparte Bank und Versicherung in der WKO. 

Aber woran liegt das? An den Leitzinsen oder der strengen KIM-VO? "Die Wahrheit liegt immer in der Mitte", meinte Gerhard Wagner, Geschäftsführer des Kreditorenschutzverbands KSV1870 im PULS 24 Interview. Doch für ihn steht fest, dass die strengeren Vergaberichtlinien "massiv eingreifen und die finanzielle Reichweite von jungen Bauwilligen massiv eingeschränkt worden ist". 

Auch Goldschmidt stimmt zu: "Der Otto Normalverbraucher schafft das nicht mehr so ohne weiteres. Gerade für die klassische junge Familie: Privat Grund zu kaufen und darauf zu bauen, das geht vielleicht noch in Gegenden, wo die Grundstücke günstig sind". 

100.000-Euro-Häuslbauer-Bonus die Lösung?

In der vergangenen Woche sorgte ein Vorstoß der Sozialpartner für Aufsehen. Um die Bauwirtschaft und Häuslbauer zu unterstützen, soll ein 100.000-Euro-Bonus her. Der Bonus soll gedeckelt "bis zu 20 Prozent der Kosten" abdecken und "in die Richtung von 100.000 Euro" gehen, teilten Muchitsch und WKÖ-Chef Harald Mahrer (ÖVP) mit.

Ablehnung gab es schnell und von allen Seiten. Selbst SPÖ-Chef Babler sieht es als "kein sozialdemokratisches Modell". Auch ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner meinte: "Es gibt sicher sinnvollere Maßnahmen"

"Zeitgeistig, aber nicht sehr gscheit"

Dem Vorschlag kann auch KSV1870-Geschäftsführer Wagner nicht abgewinnen. So eine Maßnahme "ohne erkennbare Gegenleistung ist nicht das richtige didaktische oder pädagogische Signal", meinte er. Vor allem würde sie nicht das Problem an sich lösen. "Vielleicht zeitgeistig, aber nicht sehr gscheit", so sein Urteil. 

Dramatische Folgen für die Bauwirtschaft und Mieter:innen

Durch die veränderten Bedingungen wird deutlich weniger Wohnraum geschaffen. Bis 2026 soll der Wert um rund 25 Prozent zurückgehen, rechnet die WKO vor: "Während 2022 noch 62.300 Wohnungen finalisiert wurden, sinkt der Wert im Jahr 2026 auf 46.400, wenn nicht sofort gegengesteuert wird". 

Zwei Gruppen bekommen das besonders zu spüren: die Bauwirtschaft und Mieter:innen. Prognosen für die Auftragslage in der Bauwirtschaft sind ohnehin düster, aus der Branche ist zu hören, dass man mit Sorge in Richtung 2025 blickt. Vielerorts sind die Auftragsbücher bei weitem nicht gefüllt. 

Weniger Wohnraum kann vor allem auch den Mietmarkt anfachen. Die ungebrochen hohe Nachfrage trifft auf weniger Angebot - das lässt die Preise steigen. "Was es nun braucht, sind schnell wirksame Maßnahmen, um den Wohnbau wieder leist- und finanzierbar zu machen", heißt es aus der WKO. 

Für Gerhard Wagner vom KSV1870 ist aber auch klar: "Die Baukosten werden langfristig nicht sinken". 

Experten fordern Anpassung der Kreditregeln

Ein Teil der Lösung ist für viele Experten, die Verordnung für Kreditvergaben zu überarbeiten. Dafür spricht sich nicht nur der KSV1870, sondern auch die Bankensparte der WKO aus. "Klar ist, dass die Verordnung, angesichts völlig anderer Rahmenbedingungen als vor der Einführung, neu zu bewerten ist", hieß es dazu. 

Unter der Woche sprach sich dafür auch Wifo-Wohnbauexperte Michael Klien aus. "Man sollte über zinsgünstige Darlehen eingreifen und gleichzeitig bei einer Lockerung der KIM-VO da gesamthaft die Finanzierungsmöglichkeiten für die Haushalte, gemeinnützige und andere Bauträger wieder vereinfachen", sagte er im Ö1-"Mittagsjournal". 

Hoffen auf die Zinswende?

Dabei helfen könnte auch eine Zinswende der EZB. Nach zurückgehenden Inflationszahlen rechnen Experten schon mit den ersten Zinssenkungen. Waren diese zunächst schon für März erwartet, gehen Analysten inzwischen eher von Sommer 2024 aus. 

"Wenn eine Zinsdämpfung eintritt, ist das eine super Sache. Aber bis sich das auf die Bauwirtschaft auswirkt, wird das dauern", so Wagner. "Große Hoffnung" komme bei ihm deshalb noch keine auf. Denn "repariert ist halt langsamer als kaputt gemacht". 

Doch Finanzexperte Stefan Goldschmidt wollte im PULS 24 Gespräch nicht nur nur das Schlechte sehen. "Wer früh genug Eigenmittel aufbaut und durchdacht finanziert, mit einem soliden Partner, hat auch heute noch die Möglichkeit, das Eigenheim zu verwirklichen", sagte er. 

ribbon Zusammenfassung
  • Hohe Zinsen und strengere Vergabe-Regeln für Immobilienkredite bereiten Häuslbauern Kopfzerbrechen.
  • Experten schlagen Alarm und warnen vor weitreichenden Folgen - auch für Mieter.
  • Die Vergabe von Immobilienkrediten ist seit 2022 eingebrochen.
  • Experten fordern eine Lockerung der Regeln und halten nichts vom 100.000-Euro-Häuslebauer-Bonus.