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Stichwahl in der Türkei: Schnellere Auszählung, früheres Ergebnis

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Im Rennen um das Präsidentenamt in der Türkei treten Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan und Herausforderer Kemal Kilicdaroglu in einer Stichwahl gegeneinander an. Die Wahllokale öffneten Sonntag früh um 7.00 Uhr und schließen um 16.00 Uhr (MESZ). Vorläufige Ergebnisse werden am Abend erwartet.

Der 69-jährige Erdogan geht als Favorit in die Abstimmung. Er hatte bei der ersten Runde der Wahl vor zwei Wochen zwar die meisten Stimmen erhalten, verpasste aber die nötige absolute Mehrheit. Kilicdaroglu landete etwa 4,5 Prozentpunkte hinter dem islamisch-konservativen Staatschef, der seit 20 Jahren die Geschicke des Landes lenkt.

Wahlergebnisse früher verfügbar

Die Ergebnisse der Stichwahl um das Präsidentenamt in der Türkei sollen früher verfügbar sein als die Ergebnisse der ersten Runde. Weil es nur eine Abstimmung mit zwei Kandidaten sei, werde die Auszählung voraussichtlich schneller gehen, erklärte der Leiter der türkischen Wahlbehörde, Ahmet Yener, am Sonntagvormittag. Eine Zeit nannte er nicht.

An sich darf offiziell erst ab 20.00 Uhr über Ergebnisse berichtet werden. Die Wahlkommission hat diese Regel in der Vergangenheit aber meist außer Kraft gesetzt und eine frühere Berichterstattung zugelassen.

Nach der ersten Abstimmung am 14. Mai hatten sowohl die Staatsagentur Anadolu als auch die oppositionsnahe Agentur Anka bereits am Abend gemeldet, dass es in eine zweite Runde gehen würde. Die Wahlbehörde verkündete ihr vorläufiges Endergebnis allerdings erst gegen Mittag am Folgetag. In der ersten Runde hatten die rund 61 Millionen Wahlberechtigten in der Türkei auch ihre Stimme für ein neues Parlament abgegeben, was die Auszählung verlangsamte.

Das Ergebnis des ersten Wahlgangs überraschte viele: Umfragen hatten zwar eine Stichwahl vorausgesagt, der 74-jährige Kilicdaroglu galt aber als Favorit. Zwischen Erdogan und seinem Gegner lagen dann rund 2,5 Millionen Stimmen, die die Opposition nun aufholen will.

Wahl richtungsweisend

Die Wahl gilt als richtungsweisend. Erdogan ist seit 20 Jahren an der Macht. Seit der Einführung eines Präsidialsystems 2018 hat er so viel Macht wie nie zuvor. Kritiker befürchten, dass das Land mit rund 85 Millionen Einwohnern vollends in die Autokratie abgleiten könnte, sollte er erneut gewinnen. Kilicdaroglu ist Chef der sozialdemokratischen Partei CHP und tritt für eine Allianz aus sechs Parteien unterschiedlicher Lager an. Er verspricht, das Land zu demokratisieren. International wird die Abstimmung in dem NATO-Land aufmerksam beobachtet.

60,47 Prozent Wahlbeteiligung in Österreich

Rund 61 Millionen Menschen sind zur Stimmabgabe aufgerufen. Türkische Staatsbürger in Österreich haben bereits abgestimmt. Es war hierzulande erneut eine Rekordbeteiligung verbucht worden. Wie die türkische Botschaft in Wien mitteilte, wurden insgesamt 67.726 Stimmen gezählt.

Dies entspreche einer Beteiligung von 60,47 Prozent der 112.000 Stimmberechtigten oder um 4,3 Prozentpunkte mehr als in der ersten Wahlrunde. Im ersten Durchgang hatten 72 Prozent der türkischen Wähler:innen in Österreich für Erdogan gestimmt.

Wahlen frei, aber nicht fair

Die Wahlen gelten grundsätzlich als frei, aber nicht fair. Am Sonntag jähren sich auch die regierungskritischen Gezi-Proteste von 2013. Das Thema Migration hatte vor dem Hintergrund einer zunehmend feindlichen Stimmung gegen Flüchtlinge großen Stellenwert im Wahlkampf. In der Türkei leben nach offiziellen Angaben rund 3,4 Millionen syrische Flüchtlinge. Die Wahl findet zudem vor dem Hintergrund einer Währungskrise und den verheerenden Erdbeben im Februar statt.

Symbolisches Datum

Die Abstimmung fällt auf ein für die Opposition symbolisches Datum: Am Sonntag jähren sich auch die regierungskritischen Gezi-Proteste zum zehnten Mal. Die Demonstrationen im Frühjahr 2013 hatten sich zunächst gegen die Bebauung des zentralen Istanbuler Gezi-Parks gerichtet. Sie weiteten sich zu landesweiten Demonstrationen gegen die immer autoritärere Politik Erdogans aus, der damals noch Ministerpräsident war. Dieser ließ die weitestgehend friedlichen Proteste brutal niederschlagen.

Kilicdaroglu ist Chef der sozialdemokratischen Partei CHP und tritt für ein breites Bündnis aus sechs Parteien an. Erdogan wurde 2003 Ministerpräsident, seit 2014 ist er Staatspräsident. Seit der Einführung eines Präsidialsystems vor fünf Jahren hat er weitreichende Befugnisse.

ribbon Zusammenfassung
  • Seit Sonntagfrüh 8.00 Uhr Ortszeit können Bürger ihre Stimme entweder dem amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan oder seinem Herausforderer Kemal Kilicdaroglu geben.
  • Die Wahllokale haben bis Sonntagnachmittag geöffnet.
  • Im ersten Durchgang hatten 72 Prozent der türkischen Wähler:innen in Österreich für Erdogan gestimmt.
  • Die Wahl findet zudem vor dem Hintergrund einer Währungskrise und den verheerenden Erdbeben im Februar statt.

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