Kilicdaroglu ErdoganAPA/AFP/Adem ALTAN

Stichwahl in der Türkei: Das Wichtigste in Kürze

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Recep Tayyip Erdoğan und sein Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu gehen am Sonntag in eine Stichwahl. Wer kann die Situation für sich entscheiden? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die Wahlen in der Türkei sind die wichtigsten des Jahres. Für viele überraschend muss sich der amtierende Präsident Recep Tayyip Erdoğan einer Stichwahl stellen. Was das für die Türkei bedeutet und alles, was Sie sonst über die anstehende Wahl wissen müssen.

Wie ging das erste Ergebnis aus?

Entgegen der Erwartungen der meisten Expert:innen erhielt Erdoğan mehr Stimmen als sein Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu. Am Ende erreichte der amtierende Präsident knapp 49,5 Prozent. Kılıçdaroğlu kam nur auf ca. 45 Prozent. Die restlichen fünf Prozent der Stimmen fielen auf den unabhängigen Kandidaten Sinan Oğan. Er war früher Abgeordneter der rechtsextremen MHP.

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Wem werden Sinan Oğans Wähler:innen ihre Stimme geben?

Auch wenn sich keine genauen Vorhersagungen treffen lassen: Oğan rief seine Wähler:innen auf, bei der Stichwahl Erdoğan zu wählen. Damit stiegen die Chancen des amtierenden Präsidenten, die Wahl für sich zu entscheiden, weiter an.

Gibt es Prognosen zum Ausgang der Stichwahl?

Die meisten Politikbeobachter:innen sehen den amtierenden Präsidenten klar im Vorteil.

Was für ein politisches System hat die Türkei?

2017 ließ Erdoğan über den Wechsel von einer parlamentarischen Demokratie zu einem Präsidialsystem abstimmen. Die Mehrheit der Wähler:innen entschied sich dafür. Seither sind die Funktionen des Staats- und Regierungschefs im Präsidentenamt vereint und Erdoğan hat so viel Macht wie kein anderer türkischer Präsident vor ihm.

Kritisiert wird an dieser Änderung insbesondere die fehlende Gewaltenteilung. Erdoğan erhielt im Zuge des Wechsels zum Präsidialsystem auch Exekutivbefugnisse. 

Türkei: Erdogan bleibt Favorit bei Schicksalswahl

Gab es in der Türkei bisher bereits Stichwahlen?

Seit dem Wechsel zum Präsidialsystem nicht, davor gab es allerdings schon 1989, 1993, 2000 und 2007 eine Stichwahl. Damals waren das Wahl- und auch das politische System der Türkei allerdings noch anders. In den bisherigen Stichwahlen im alten System bestimmten die Parlamentarier:innen den Präsidenten. Dessen Macht war allerdings rein symbolisch.

Weiß man schon, wie Wähler:innen in Österreich bei der Stichwahl gewählt haben?

Türkische Staatsbürger:innen in Österreich konnten bis Mittwoch wählen. Schon in der ersten Runde konnte eine Rekordbeteiligung verbucht werden, in der zweiten Wahlrunde stieg sie weiter ein. Insgesamt gaben rund 60 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Wie sie gewählt haben, ist allerdings erst am Sonntag klar.

Wofür steht eigentlich Erdoğan?

Zu Beginn seiner Amtszeit 2011 vertrat Erdoğan mit seiner islamisch-konservativen AKP eine vergleichsweise liberale Politik. Je länger er regierte, umso mehr war sein Handeln gekennzeichnet von einer autoritären Außen- und Innenpolitik. Insbesondere seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 von Teilen des türkischen Militärs gibt es viel Kritik an seiner Politik, besonders an seinem Umgang mit Oppositionellen. Viele von ihnen sitzen in Haft. Gegenüber den meisten gibt es haltlose Terrorismus-Vorwürfe, die Festnahmen geschehen oft willkürlich.

Und Kılıçdaroğlu?

Kemal Kılıçdaroğlu ist Vorsitzender der tendenziell linken und kemalistisch ausgerichteten CHP. Trat er zu Beginn des Wahlkampfs eher als besonnener Anti-Erdoğan auf, der auf Versöhnung statt auf Spaltung setzt, versucht er nach dem ersten Wahlgang Erdoğan rhetorisch rechts zu überholen, etwa mit Stimmungsmache gegen Geflüchtete und nationalistischer Rhetorik.

Welche Probleme müsste ein Präsident in der Türkei lösen?

Die Türkei befindet sich seit längerem in einer wirtschaftlichen Krise. Die Inflation liegt im April bei 43,7 Prozent, im vergangenen Jahr kletterte sie zwischenzeitlich sogar auf 80 Prozent. Gerade junge Menschen leider unter Arbeits- und Perspektivlosigkeit.

Das Land kämpft zusätzlich mit den Folgen des verheerenden Erdbebens vom Februar 2023. Die Europäische Investitionsbank schätzt, dass der Wiederaufbau von Gebäuden und der Infrastruktur rund 100 Milliarden Euro kosten wird. Mindestens 50.000 Personen sind nach offiziellen Angaben gestorben, über drei Millionen mussten das Erdbebengebiet verlassen. 

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  • Recep Tayyip Erdoğan und sein Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu gehen am Sonntag in eine Stichwahl. Wer kann die Situation für sich entscheiden? Die wichtigsten Fragen und Antworten.