Laut Medienbericht
"Ein Schlachtfeld": Israels Armee schießt gezielt auf Zivilisten
Nach UN-Angaben sollen im Umfeld der Essensverteilung der umstrittenen Gaza Humanitarian Foundation (GHF) seit Ende Mai mindestens 410 Palästinenser:innen getötet worden sein.
Mehr als 4.000 wurden laut "Haaretz" verwundet, doch die genaue Zahl der durch IDF-Beschuss Getöteten oder Verletzten bleibt unklar.
Laut dem Bericht, der sich auf Aussagen von IDF-Soldaten stützt, sollen israelische Truppen wiederholt gezielt auf unbewaffnete Palästinenser:innen geschossen haben, die sich in der Nähe von Hilfsverteilzentren mit der Hoffnung auf Lebensmittel versammelt hatten.
"Haaretz"-Informationen zufolge hat der Generalstaatsanwalt den "Fact-Finding Assessment Mechanism" des IDF-Generalstabs mit Ermittlungen beauftragt. Das Gremium soll mögliche Kriegsverbrechen in Zusammenhang mit den Vorfällen an den Hilfsverteilungsstellen untersuchen.
"Es ist ein Schlachtfeld"
Laut "Haaretz" herrschen vor Ort im Schnellverteilungszentren in Gaza chaotische Bedingungen: Täglich strömen Tausende Menschen zu den Verteilzentren, immer wieder kommt es zu tödlichen Zwischenfällen.
Mindestens 19 Mal soll Israels Armee der Zeitung zufolge Schusswaffen an den Verteilungszentren eingesetzt haben. Ein Soldat beschrieb die Situation als einen völligen Zusammenbruch der ethischen Grundsätze der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen, wie "Haaretz" berichtet.
"Es ist ein Schlachtfeld", zitiert die Zeitung einen Armeeangehörigen, der selbst vor Ort war. "Sie werden wie eine feindliche Macht behandelt - keine Maßnahmen zur Kontrolle der Menschenmenge, kein Tränengas - nur scharfes Feuer mit allem, was man sich vorstellen kann: schwere Maschinengewehre, Granatwerfer, Mörser", wird die Quelle weiters zitiert.
Die Kommunikation mit der palästinensischen Bevölkerung bestehe faktisch aus Waffeneinsatz.
Intern wächst die Kritik am Vorgehen der Armee
Auch Offiziere kritisieren den Umgang der "Haaretz" gegenüber. "Mit der Zivilbevölkerung zu arbeiten, wenn die einzige Möglichkeit der Interaktion darin besteht, das Feuer zu eröffnen - das ist, gelinde gesagt, höchst problematisch", wird er zitiert.
Es sei weder ethisch noch moralisch vertretbar, dass Menschen unter Beschuss durch Panzer, Scharfschützen und Mörsergranaten versuchen müssten, eine humanitäre Zone zu erreichen – oder daran gehindert würden.
Ein ranghoher Offizier sieht in den Ereignissen an Verteilungszentren eine weitere Verschlechterung der moralischen Standards der IDF.
"Meine größte Befürchtung ist, dass die Schießereien und die Schäden an der Zivilbevölkerung im Gazastreifen nicht das Ergebnis einer operativen Notwendigkeit oder eines schlechten Urteilsvermögens sind, sondern das Ergebnis einer Ideologie, die von Feldkommandeuren vertreten wird und die sie als Einsatzplan an die Truppen weitergeben", sagte er gegenüber der Zeitung.
Umstände und Gründung der GHF undurchsichtig
Die Hilfszentren GHF haben Ende Mai ihre Arbeit im Gazastreifen aufgenommen und werden von der IDF aus der Distanz gesichert. Israel hatte sie nach einer wochenlangen Totalblockade des abgeriegelten Gazastreifens ins Spiel gebracht, um die Verteilung von Hilfsgütern durch die UN und andere Organisationen zu umgehen.
Nach israelischer Lesart wird der Großteil der Hilfen, die durch diese Organisationen nach Gaza kommen, von der islamistischen Hamas gestohlen. Beweise für einen systematischen Raub dieser Hilfsgüter durch die Hamas gibt es allerdings keine.
Auch die Umstände der Gründung von GHF und ihre Finanzierung sind undurchsichtig.
Bekannt ist, dass die Stiftung in Zusammenarbeit mit israelischen Stellen, US-Evangelikalen und privaten Sicherheitsfirmen ins Leben gerufen wurde. Ihr derzeitiger Geschäftsführer ist laut dem Zeitungsbericht ein evangelikaler Führer, der dem US-Präsidenten Donald Trump und dem israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu nahe steht.
Regierung empört sich über Bericht
Der Bericht schlug in Israel hohe Wellen. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Israel Katz bezeichneten ihn in einer gemeinsamen Erklärung als "böswillige Lüge".
Diese würde nur dazu dienen, um "die moralischste Armee der Welt zu diffamieren". Frühere Vorwürfe, das Militär würde willkürlich auf Palästinenser im Umfeld der GHF-Zentren schießen, hatte die Armee mit dem Argument zurückgewiesen, dass in allen diesen Fällen für die betroffenen Soldaten eine Bedrohung geherrscht habe.
Video: Eskalation in Gaza: Tote bei Hilfsausgabe
Zusammenfassung
- Israelische Soldaten berichteten gegenüber der Tageszeitung "Haaretz", dass ihnen befohlen wurde, gezielt auf unbewaffnete Zivilist:innen an Verteilungszentren in Gaza zu schießen.
- Dabei wurden Hunderte Palästinenser:innen getötet.
- Die Militärstaatsanwaltschaft fordere nun eine Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen.