Cannes als Bühne für Susanne Wuest: "Ein eigener Planet"
"Ich möchte Menschen wie Mascha Schilinski, die Ko-Autorin Louise Peter und die Produzentin Maren Schmitt prinzipiell gewinnen sehen, nicht nur in Cannes, sondern fürs ganze Leben", meinte Wuest im Telefonat von der Croisette. Mit einer Palme für ihre Rolle rechnet die Wienerin nicht: "Wenn es einen Darstellerpreis gibt, dann muss der fürs ganze Ensemble sein und zwar für jeden Einzelnen." Heimischer Kinostart ist im Herbst.
"Ich habe selten ein Kino so still erlebt", erzählte die Darstellerin sichtlich überwältigt vom Premierenabend. "Ich hatte wirklich das Gefühl, alle holen gleichzeitig Luft in bestimmten Momenten", so die 45-jährige Film- und Theaterschauspielerin, bekannt für ihre Rollen in Götz Spielmanns "Antares" und "Ich seh Ich seh" unter der Regie von Veronika Franz und Severin Fiala. "Man kann Kino nicht ersetzen."
Dreieinhalb Minuten lang gab es Standing Ovations für den erst zweiten Spielfilm der 1984 in Berlin geborenen und noch relativ unbekannten Regisseurin Mascha Schilinski ("Die Tochter"), die von der internationalen Kritik bereits am ersten Festivaltag als potenzielle Palme d'Or-Gewinnerin gehandelt wurde.
Internationale Kritik zeigte sich begeistert
"Den besten Film in Cannes haben wir vielleicht schon gesehen", hieß es etwa im US-Magazin "Vulture". "Variety"-Autor Guy Lodge pries den Film als "erschütterndes" Epos, das seine Regisseurin mit einem "erstaunlich souveränen und ambitionierten zweiten Spielfilm" in die "große Liga befördert". "So kraftvolles Filmemachen hat man selten gesehen", urteilte "Der Spiegel".
In dem ganzen Festivaltrubel hatte Wuest zum Zeitpunkt des Gesprächs noch keine Möglichkeit gehabt, alles zu verarbeiten. Cannes sei "wirklich ein eigener Planet", lachte die Künstlerin. Sie freut sich über diese "unglaublichen Reaktionen", "aber noch viel berührender ist der Film selbst".
Wuest spielt Emma, Bäuerin und Mutter einer Schar von Kindern in den 1910er-Jahren. Als das erste stirbt, hört sie auf zu sprechen, und die Geschichte ihrer Figur ist verwoben mit dem, was in den Generationen danach passiert.
"Körperlich fühlbare Traumata"
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von vier Mädchen (Hanna Heckt, Lea Drinda, Lena Urzendowsky und Laeni Geiseler), die ihre Kindheit auf diesem Bauernhof in Norddeutschland verbringen, alle in unterschiedlichen Zeiten. Umgeben sind sie dabei von "unausgesprochenen Ängsten, verdrängten Traumata und verschütteten Geheimnissen," heißt es in der Inhaltsangabe.
"Mascha hat es irgendwie geschafft, diese Traumata, von denen hier erzählt wird, die in unseren Müttern, Großmüttern und Urgroßmüttern drinnen sind, beim Ansehen körperlich fühlbar zu machen", betonte Wuest. "Das ist ein One-in-a-Million Film. Der wird ein langes Leben haben und ich glaube, er wird ganz vielen Menschen ganz, ganz viel geben."
(Das Gespräch führte Marietta Steinhart/APA)
(S E R V I C E - www.vulture.com; www.variety.com; www.spiegel.de)
Zusammenfassung
- Für den erst zweiten Spielfilm der 1984 geborenen Regisseurin gab es dreieinhalb Minuten Standing Ovations, und internationale Kritiker wie "Vulture", "Variety" und "Der Spiegel" lobten das Werk als außergewöhnlich und emotional bewegend.
- Wuest, die Emma – eine Bäuerin im frühen 20. Jahrhundert – spielt, betonte, dass der Film für sie bereits ein Gewinner sei, weil er Menschen berühre, und sieht einen möglichen Darstellerpreis nur als Auszeichnung für das gesamte Ensemble.