Klimawandel
Landwirtschaft und Hitze: "Da kommt jede Pflanze an die Grenze"
Linsen statt Mais und Kichererbsen statt Kürbis auf unseren Feldern? Die Hitze zwingt Österreichs Landwirte dazu, sich anzupassen.
Dass in Österreich künftig andere Pflanzensorten als bisher gewohnt ausgesät werden, dürfte dennoch nicht der Fall sein. Was angepflanzt wird, ist stark marktgetrieben. Landwirte sind bei ihrer Wahl entsprechend eingeschränkt.
Gleichzeitig sind die gängigen Nutzpflanzen nur bedingt an immer häufigere und heftigere Hitzewellen infolge der Erderwärmung angepasst. Landwirte müssen kreativ werden.
Denn selbst wenn sie die Hitzeperioden "aushalten" und nicht eingehen, sinkt ihr Wachstumspotenzial. Anpassungsmechanismen, wenn etwa Maispflanzen ihre Blätter einrollen, gehen auf Kosten des Ertrags. "Überleben und wachsen passen ökologisch nicht zusammen", erklärt Gernot Bodner von der Universität für Bodenkultur (BOKU).
Damit die Pflanzen möglichst gut gegen die heißen Phasen gewappnet sind, gibt es verschiedene Lösungsansätze.
Böden auf Hitze vorbereiten
Der wichtigste Punkt ist laut Bodner ein "klimafitter Boden". Landwirte können ihre Böden etwa mit Pflanzenresten bedecken oder eine isolierende Schicht aus Mulch aufbringen.
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Ein weiterer Ansatz sind sogenannte "Agroforste". Auf weiten, offenen Flächen sind Böden und Pflanze dem Wind ausgesetzt und trocknen noch schneller aus. Kleinstrukturierte Landschaften mit Wäldern können da helfen, man stehe hierbei laut Bodner jedoch erst am Beginn.
Und: "Der einzelne Bauer hat nur ein gewisses Anpassungspotenzial. Vieles muss man auf Landschaftsebene denken", so der Experte. In diesem Punkt ist also auch die Politik gefordert.
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Dabei gilt es abzuwägen, wo Bäume oder andere schattenspendende Pflanzen überhaupt angesetzt werden können. "Lösungen auf Kosten von Ackerfläche sind immer ein Problem", so Bodner. "Ich glaube nicht, dass wir weiterkommen, wenn wir Ackerfläche verlieren."
Letztlich gehe es darum, den Boden vor dem Austrocknen zu schützen und "Wasser nicht unproduktiv zu verlieren". Böden müssen Wasser speichern können.
Ungeschützte, ausgetrocknete Böden befeuern das Hitzeproblem indessen weiter. Sie strahlen die Hitze ab und heizen die Atmosphäre noch weiter auf. Ist das Getreide abgereift und das Grün weg, verstärkt sich dieser Effekt weiter.
Drei Ansätze für Pflanzen bei Hitze
- Ausweichen: Saatgut früher säen, damit die Wachstumsphase der Pflanzen möglichst nicht in die Hitzeperioden fällt.
- Stress vermeiden: Dazu zählen etwa klimafitte Böden oder das Anpassen von Landschaften. Böden können bedeckt werden, etwa mit Mulch. Landschaften sollten kleinräumiger strukturiert werden, etwa durch Bäume und Sträucher.
- Toleranzmechanismen: Pflanzen haben selbst ihre Wege, die Hitze zu händeln. Züchtungen lassen sich n neue Klimabedingungen angepassen. Das geht allerdings auf Kosten des Ertrags.
Um Hitze-Phasen auszuweichen, müssen viele Landwirte auch das Aussäen ihrer Pflanzen verschieben. Ist es draußen (nicht zu) heiß und sonnig, entwickeln sich Pflanzen schneller, erklärt Bodner. Das macht auch für den Laien Sinn. Doch durch das schnelle Wachstum bleiben sie niedrig und klein, der Ertrag leidet.
Landwirte verlegen die Aussaat deswegen, sofern möglich, im Frühjahr immer weiter nach vorn beziehungsweise im Herbst nach hinten. Werden die Pflanzen in kühleren Zeiten gepflanzt, haben sie länger Zeit, zu wachsen. "Alles, was auf Aushalten von Hitze geht, geht auf Kosten des Ertrags."
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Bei Züchtungen, die besser an Hitze-Phasen angepasst sind, gibt es laut Bodner "eindeutige Fortschritte". Dass es bei uns im Vergleich zu anderen Ländern noch gemäßigt ist, macht es den Züchtern und Landwirten allerdings nicht unbedingt einfacher.
Warum es Züchter in Australien einfacher haben
Es klingt paradox, aber dass es in Österreich neben Hitze-Sommern auch feuchtere und für Felder bessere Jahre gibt, schafft eine zusätzliche Herausforderung.
Während es in Ländern im Mittelmeerraum oder im fernen Australien konstant heiß und das Saatgut genau auf diese Bedingungen angepasst ist, schwanken die Bedingungen bei uns von Jahr zu Jahr und von Region zu Region.
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Auf Hitze angepasste Züchtungen sind immer mit sogenannten "Trade Offs" verbunden. Landwirte müssen beim Ertrag Abstriche machen, wenn Pflanzen darauf getrimmt sind, Hitze auszuhalten.
Pflanzt man in einem Jahr, in dem die Bedingungen eigentlich gut wären, hitzeresistentere Pflanzen, nimmt man diese Abstriche unnötig in Kauf. "Für Getreide war es heuer zum Beispiel relativ gut", erinnert Bodner an den feuchten April.
Züchter und Landwirte müssen also immer zwischen Stressresistenz und hohem Ertrag abwägen. "Schwierig ist die Unsicherheit, sonst wäre man eh angepasst." Dabei steht fest: Die Wahrscheinlichkeit, dass es trocken wird, wird immer höher.
Wird es in Zukunft immer öfter und länger heiß, würden laut Bodner ohnehin auch neue Züchtungen an ihre Grenzen stoßen: "Wenn die Bedingungen so herausfordernd sind, wird es schwierig", erklärt der Experte. "Da kommt so ziemlich jede Pflanze an ihre Grenzen."
Anpassungen passieren "schleichend", Extremwetterereignisse kommen dagegen plötzlich.
Zusammenfassung
- Hitzewellen wie Anfang Juli werden laut Experten künftig immer häufiger und setzen die heimische Landwirtschaft massiv unter Druck.
- Landwirte sind bei der Wahl ihrer Nutzpflanzen durch Marktzwänge eingeschränkt, obwohl viele gängige Arten nur bedingt an die zunehmende Hitze angepasst sind.
- Maßnahmen wie Mulch, Pflanzenreste und Agroforste sollen Böden klimafitter machen, wobei laut Gernot Bodner von der Universität für Bodenkultur oft Anpassungen auf Landschaftsebene nötig sind.
- Die Verschiebung von Aussaatterminen und die Züchtung hitzeresistenter Pflanzen sind Strategien gegen Ertragsverluste, führen aber zu weiteren Herausforderungen und sogenannten "Trade Offs".
- Bodner warnt, dass bei weiterhin steigenden Temperaturen auf Dauer selbst neue Züchtungen an ihre Grenzen stoßen und „so ziemlich jede Pflanze an ihre Grenzen“ kommt.