APA/dpa/Julian Stratenschulte

Todeszahl verdreifacht

Hitzewelle in Europa: 2.300 Tote in 10 Tagen

Heute, 08:59 · Lesedauer 5 min

Bei der extremen Hitzewelle von Ende Juni bis Anfang Juli hat der Klimawandel die Zahl der Todesopfer in europäischen Großstädten einer Studie zufolge etwa verdreifacht. 2.300 Tote in nur zehn Tagen meldet ein internationales Forscherteam.

Dreimal so viele Todesfälle durch Hitze in Europa verzeichnet ein internationales Forscherteam heuer. Das berichtet das Team nach einer Analyse der Entwicklung in zwölf Großstädten im Zeitraum vom 23. Juni bis 2. Juli. In jenen Tagen kletterten die Temperaturen in vielen Städten auf Extremwerte von teils deutlich über 40 Grad Celsius.

Grund die gestiegene Zahl der Todesopfer ist der menschengemachte Klimawandel. Dieser sei für zwei Drittel der insgesamt rund 2.300 Hitzetoten innerhalb von nur zehn Tagen verantwortlich.

Die tödlichsten Hitzestädte Europas waren demnach:

  • Mailand - 317 zusätzliche Todesfälle
  • Barcelona - 286 zusätzliche Todesfälle
  • Paris - 235 zusätzliche Todesfälle
  • London - 171 zusätzliche Todesfälle
  • Madrid - 108 zusätzliche Todesfälle
  • Athen - 96 zusätzliche Todesfälle
  • Budapest - 47 zusätzliche Todesfälle
  • Zagreb - 31 zusätzliche Todesfälle
  • Frankfurt - 21 zusätzliche Todesfälle
  • Lissabon - 21 zusätzliche Todesfälle
  • Sassari - 6 zusätzliche Todesfälle

Das Forschungsteam aus Großbritannien, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz schätzt die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in den zwölf Großstädten für den Zehn-Tage-Zeitraum auf insgesamt 2.300. Etwa zwei Drittel davon, rund 1.500, gehen demnach auf das Konto des Klimawandels.

Ohne die Erderwärmung, die die Temperatur in den Städten demnach tagsüber um ein bis vier Grad zusätzlich steigerte, wären den Berechnungen der Gruppe zufolge in diesen Städten etwa 800 Menschen an Hitze gestorben.

Meiste Todesfälle bei älteren Menschen

Für die sehr zeitnah vorgenommene Analyse habe sich das Team auf eine anerkannte Methodik gestützt, sagt der renommierte Hamburger Klimatologe Jochem Marotzke, der nicht an der Arbeit beteiligt war.

Dabei verglich die Gruppe die tatsächlich in den Städten gemessenen Temperaturen in dem Zeitraum anhand eines Modells mit Werten, die ohne den Klimawandel erreicht worden wären. Für beide Szenarien errechnete das Team dann die Zahl der erwarteten Hitzetoten.

Unter der jüngsten Hitzewelle litten demnach besonders verletzliche Gruppen, wie etwa Menschen mit Vorerkrankungen. 88 Prozent der geschätzten Todesfälle entfielen auf die Altersgruppe ab 65 Jahren, berichtet das Team, dem unter anderem die Attributionsexpertin Friederike Otto vom Imperial College London angehört.

Mehr Todesfälle als andere Naturkatastrophen

Demnach verursachen Hitzewellen wesentlich mehr Todesfälle als andere Naturkatastrophen. 

Zum Vergleich: Bei den Überschwemmungen in der spanischen Region Valencia kamen demnach im vergangenen Jahr 224 Menschen ums Leben, bei den Flutkatastrophen 2021, darunter im Ahrtal, starben im nordwestlichen Europa 243 Menschen.

"Lautloser Killer"

Gerade weil Opfer von Hitzewellen eher wenig öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, spricht das Team von einem "lautlosen Killer". "Hitzewellen hinterlassen keine Schneise der Verwüstung wie Flächenbrände oder Stürme", erklärt Co-Autor Ben Clarke vom Imperial College London.

"Ihre Folgen sind überwiegend unsichtbar, aber im Stillen verheerend. Eine Differenz von nur zwei bis drei Grad Celsius kann für Tausende von Menschen den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten."

Als Folge des Klimawandels ist die globale Temperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bereits um 1,3 Grad gestiegen, wobei Europa gerade im Sommer stärker betroffen ist als andere Kontinente. 

Clarke verweist darauf, dass im Lauf des 21. Jahrhunderts drei Grad Unterschied erreicht werden könnten, sofern die Nutzung fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle oder Gas nicht ende. Dies würde noch weit heftigere Hitzewellen mit sich bringen.

Hitzefälle birgt weitere Folgen 

Das Team betont, sich in der Studie nur auf Todesfälle konzentriert zu haben. Zusätzlich gebe es weitere Folgen - von Krankenhauseinlieferungen, etwa von Menschen mit Asthma oder Lungenerkrankungen, über Schulschließungen bis hin zu Arbeitsausfällen, dem Abschalten von Atomkraftwerken und einer höheren Zahl an Flächenbränden aufgrund der durch die Hitze ausgedörrten Vegetation.

"Der einzige Weg zu verhindern, dass Hitzewellen noch tödlicher werden, besteht darin, das Verbrennen fossiler Kraftstoffe zu stoppen", betont Co-Autorin Otto. Zudem gelte es, erneuerbare Energien auszubauen, Städte hitzeresistenter zu gestalten und die ärmsten und verletzlichsten Bevölkerungsgruppen zu schützen.

Europa erwärmt sich im Sommer am stärksten

Europa sei im Sommer der sich am stärksten erwärmende Kontinent, heißt es weiter. Im Sommer 2022 starben dort demnach mehr als 60.000 Menschen an Hitze - die Hälfte davon ging Studien zufolge auf das Konto des Klimawandels. Im Folgejahr gab es demnach 47.000 Hitzetote.

Eine Besonderheit der jüngsten Hitzewelle war das besonders frühe Auftreten schon im Juni. "Extreme Hitze, die früh in der Jahreszeit eintritt, ist tendenziell besonders tödlich, weil die Menschen noch nicht an die Sommertemperaturen gewöhnt sind", heißt es.

Marotzke spricht von einer "sehr gut gemachten Studie". Dass eine wissenschaftliche Analyse so schnell auf ein Ereignis folge, sei zwar ungewöhnlich, aber angesichts des Informationsbedürfnisses gut und richtig, sagt der Direktor am Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie, der nicht an der Studie beteiligt war.

"Gerade in Hinblick auf Temperaturentwicklungen sind unsere Modelle sehr gut", bei Niederschlägen sei dies weniger der Fall.

"Es gibt keinen Zweifel daran, dass Hitzewellen mit dem Klimawandel häufiger und intensiver werden", sagt der Klimatologe. Darauf seien deutsche Städte unzureichend vorbereitet: Als Beispiele nennt er viele verglaste und nicht abgeschattete Gebäude, zu wenig begrünte und zu viele versiegelte Flächen.

Video: Haustiere leiden unter Hitzewelle

Zusammenfassung
  • Bei der extremen Hitzewelle von Ende Juni bis Anfang Juli hat der Klimawandel die Zahl der Todesopfer in europäischen Großstädten einer Studie zufolge etwa verdreifacht.
  • Das berichtet ein internationales Forschungsteam nach einer Analyse der Entwicklung in zwölf Großstädten im Zeitraum vom 23. Juni bis 2. Juli. Damals kletterten die Temperaturen in vielen Städten auf Extremwerte von teils deutlich über 40 Grad Celsius.
  • Das Forschungsteam aus Großbritannien, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz schätzt die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in den zwölf Großstädten für den Zehn-Tage-Zeitraum auf insgesamt 2.300.
  • Etwa zwei Drittel davon, rund 1.500, gehen demnach auf das Konto des Klimawandels.