Israel-Iran-Krieg
Straße von Hormuz: Das Nadelöhr der Weltwirtschaft
Zwei Supertanker mit jeweils rund zwei Millionen Barrel Rohöl haben in der Straße von Hormuz umgedreht. Grund dafür seien laut "Bloomberg" die US-Luftangriffe auf den Iran, die das Risiko einer Gegenreaktion erhöhen und die Handelsschifffahrt in der Region stark gefährden könnten.
Seit den israelischen Luftangriffen vom 13. Juni kommt es im Persischen Golf vermehrt zu GPS-Störungen bei Schiffen.
Obwohl zwei Supertanker zunächst normale Bewegungsmuster zeigten, deutet ihre Kehrtwende auf eine mögliche Umleitung hin – als Reaktion auf die US-Angriffe und die angespannte Lage in der Straße von Hormuz.
Schließung wäre "extrem gefährlich"
Die EU sei extrem besorgt über die jüngste Entwicklung im Nahen Osten, sagte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas am Montagvormittag in Brüssel, wo die Außenministerinnen und Außenminister der 27 EU-Staaten zu einer Ratssitzung zusammenkommen.
Das Risiko einer Eskalation sei groß. "Speziell eine Schließung der Straße von Hormuz durch den Iran wäre extrem gefährlich und für niemanden gut." Gleichlautend äußerte sich Österreichs Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS): "Wir pochen darauf, dass es letztlich zu einer Verhandlungslösung mit dem Iran kommen muss. Es ist klar: Der Iran darf keine Nuklearwaffen haben. Das wird aber nur über Verhandlungen zu erreichen sein", sagte Meinl-Reisinger.
"Die Sperre der Straße von Hormuz wäre ein ganz klarer Eskalationsschritt, der massive Auswirkungen auf Europa hätte." Europa habe sich aber nicht an einem Militärschlag beteiligt und setze auf diplomatische Aktivitäten. Es gehe darum, Gesprächskanäle offenzuhalten. Deswegen werde sie auch selbst in den nächsten Tagen in die Region reisen und zunächst in Zypern und Kairo Gespräche suchen.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Hormuz-Straße im Überblick.
Was ist die Straße von Hormuz?
Die Meerenge liegt zwischen dem Oman und dem Iran. Sie ist an ihrer schmalsten Stelle nur etwa 33 Kilometer breit. Für den Schiffsverkehr tauglich ist hier nur ein drei Kilometer breiter Streifen.
Warum ist die Meerenge so wichtig?
Saudi-Arabien, der Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Kuwait und der Irak exportieren den Großteil ihres Rohöls über die Meerenge - vor allem nach Asien. Etwa ein Fünftel des weltweiten Ölverbrauchs fließt durch sie.
Zwischen Anfang 2022 und dem vergangenen Monat wurden hier täglich zwischen 17,8 und 20,8 Millionen Barrel (je 159 Liter) Rohöl, Kondensat und Kraftstoffe transportiert, wie Daten des Analyseunternehmens Vortexa zeigen.
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Wird die Straße von Hormuz geschlossen, kann dies kaum kompensiert werden. Nur etwa 2,6 Millionen Barrel pro Tag an ungenutzter Kapazität aus Pipelines der VAE und Saudi-Arabiens stehen dann zur Verfügung, schätzt die US-Behörde Energy Information Administration.
Wie sieht es mit Flüssigerdgas aus?
Auch LNG wird in großen Mengen durch die Meerenge transportiert. "Noch gravierender fällt die Abhängigkeit bei LNG aus", betonen die Experten des deutschen Bankhauses Metzler.
Etwa ein Viertel der weltweiten Lieferströme des verflüssigten Erdgases (LNG) gehen hier durch. Katar, einer der weltweit größten LNG-Exporteure, schickt fast sein gesamtes Flüssigerdgas durch die Meerenge.
Gab es schon einmal Spannungen?
Ja, mehrfach. Während des Iran-Irak-Krieges von 1980 bis 1988 etwa versuchten beide Seiten im sogenannten Tankerkrieg, die Exporte der jeweils anderen Seite zu stören.
Im Jänner 2012 drohte der Iran als Vergeltung für amerikanische und europäische Sanktionen mit der Blockade der Meerenge. Im Mai 2019 wurden vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate, außerhalb der Straße von Hormuz, vier Schiffe angegriffen – darunter zwei saudische Öltanker.
Drei Schiffe – zwei im Jahr 2023 und eines im Jahr 2024 – wurden vom Iran in der Nähe oder in der Straße von Hormuz beschlagnahmt, als Vergeltung für die Beschlagnahmung von Tankern mit Iran-Bezug durch die USA.
Welche Folgen könnte die Blockade haben?
Der Ölpreis für die Nordseesorte Brent könne dann binnen kurzer Zeit auf 120 Dollar pro Barrel (159 Liter) klettern, schreiben die Ökonomen Robin Winkler und Marc Schattenberg von Deutsche Bank Research. Aktuell liegt er bei knapp 78 Dollar.
Was wären die Auswirkungen eines so starken Ölpreisanstiegs?
In Deutschland und der Eurozone würde ein Anstieg in dieser Größenordnung die Einfuhrkosten um etwa ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes erhöhen, rechnen die Experten von Deutsche Bank Research vor.
"Die derzeitige Konjunkturerholung würde abbrechen", warnen Winkler und Schattenberg deshalb.
Was wären die Folgen für die Inflation?
Benzinpreise vollziehen die Entwicklung der Weltmarktpreise rasch nach. Auch indirekt dürften Konsumentinnen und Konsumenten zur Kasse gebeten werden. Sollten etwa Landwirte, Logistikunternehmen und Airlines dauerhaft mehr für Sprit bezahlen müssen, dürften sie die gestiegenen Kosten an ihre Kunden weiterreichen.
"Der Ölpreis ist zwar nicht mehr so wichtig für die deutsche Wirtschaft wie noch vor ein oder zwei Jahrzehnten", betont der Chef-Marktanalyst des Finanzhauses CMC Markets, Jochen Stanzl.
Wenn der Preis aber in kurzer Zeit stark steige, dann könne dies auch der zuletzt festere Euro durch geringere Importpreise nicht mehr kompensieren.
Video: Ölkrise droht: Was der Nahost-Konflikt für Österreich bedeutet
Was bedeutet das für die Notenbanken?
Zinssenkungen könnten bei steigender Inflation vom Tisch sein - dabei könnte billigeres Geld die derzeit maue Weltwirtschaft anschieben helfen.
"Ein Energiepreisschock stellt die Notenbanken vor erhebliche Herausforderungen, weil der Abwärtstrend bei der Inflation abrupt gestoppt würde", erklärte der Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, Cyrus de la Rubia.
Selbst wenn dieses Ereignis die USA und die Eurozone in eine Rezession führen würde, dürften die amerikanische Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinsen nur geringfügig senken und mit billigem Geld die Wirtschaft stimulieren - "aus Furcht davor, dass sie an Glaubwürdigkeit beim Kampf gegen die Inflation verlieren".
Gibt es auch Gewinner?
"Ein ganz wichtiger (Gewinner) wäre Russland, dessen Öl und Gas dann umso mehr gefragt wären", sagte Volkswirt Cyrus de la Rubia. Ein starker Ölpreisanstieg könnte Moskaus Kriegskasse rund dreieinhalb Jahre nach dem Überfall auf die Ukraine wieder füllen.
"Auf der Gewinnerseite könnten auch erneuerbare Energien wieder stärkeren Aufwind erhalten." Mit einem Anteil von 59,4 Prozent stammte der 2024 in Deutschland erzeugte und ins Netz eingespeiste Strom mehrheitlich aus erneuerbaren Energiequellen. 2023 hatte der Anteil noch bei 56 Prozent gelegen.
Video: USA greifen Iran an: Was steckt wirklich dahinter?
Zusammenfassung
- Nach dem US-Angriff auf iranische Atomanlagen droht der Iran mit der Schließung der Straße von Hormuz: Das Parlament billigte die Sperrung, es fehlt aber noch die Zustimmung des Obersten Nationalen Sicherheitsrats der Islamischen Republik.
- Warum diese Schifffahrtsstraße so wichtig für die Weltwirtschaft ist - ein Überblick.