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Nahost

USA griffen Atomanlagen im Iran an

22. Juni 2025 · Lesedauer 7 min

In der Nacht auf Sonntag bombardierte das US-Militär iranische Atomanlagen. Der Iran droht mit Konsequenzen und sieht kaum noch Chancen für Diplomatie. Der Außenminister reist nach Moskau. Die USA sehen sich nicht im Krieg und warnen den Iran vor der Schließung der Straße von Hormus. Der UNO-Sicherheitsrat tagt noch am Sonntag.

Irans Außenminister Abbas Araqchi sieht nach den US-Angriffen auf iranische Atomanlagen kaum Raum für Diplomatie. 

Die USA hätten "eine sehr dicke rote Linie" überschritten und die Diplomatie "in die Luft gesprengt", sagte Araqchi am Sonntag in Istanbul vor Journalisten.

Sein Land werde sich "mit allen notwendigen Mitteln" wehren. Zudem kündigte der iranische Außenminister an, am Montag in Moskau Russlands Präsident Wladimir Putin zu treffen. 

USA verstehen nur "Sprache der Gewalt"

Die Tür zur Diplomatie sollte immer offen gehalten werden, doch das sei bezüglich der USA derzeit "nicht der Fall", kritisierte Araqchi.

"Sie verstehen nur die Sprache der Drohung und der Gewalt". Der Iran müsse auf der Grundlage seines "legitimen Rechts auf Selbstverteidigung" reagieren, argumentierte Aragchi. Die USA hätten die Diplomatie verraten.

Bereits zuvor hatte Araqchi angekündigt, dass sein Land die iranische Souveränität und das iranische Volk verteidigen werde. Er forderte eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates.

https://x.com/realDonaldTrump/status/1936603680805097741

Angriffe auf US-Militärbasen möglich 

Die Revolutionsgarden - Irans Elitestreitmacht - drohten den USA unterdessen indirekt mit Angriffen gegen Militäreinrichtungen.

Die US-Militärbasen in der Region seien kein Vorteil, sondern eher "Punkte der Verwundbarkeit", teilen sie mit.

https://x.com/John_Pollock22/status/1936754425496052173

US-Präsident Trump erklärte in seiner Rede an die Nation nach dem Angriff, dass Irans "entscheidende Anlagen zur Uran-Anreicherung" zerstört wurden. Ob das so ist, ist noch nicht bestätigt, wiewohl Luftaufnahmen große Krater zeigen. 

US-Angriffe IranAPA

Der US-Verteidigungsminister Pete Hegseth nannte die Angriffe auf drei Nuklearanlagen einen "unglaublichen und überwältigenden Erfolg". Kein anderes Militär der Welt hätte dies leisten können.

Es seien kraftvolle und gezielte Angriffe gewesen, sagte er am Sonntag vor Journalisten. Der Angriff habe sich aber nicht gegen das iranische Volk oder die iranischen Streitkräfte gerichtet.

Generalstabschef Dan Caine erklärte, im Zuge der Operation "Midnight Hammer" (Mitternachtshammer) seien sieben B-2-Bomber zum Einsatz gekommen. 

Die USA hätten bei ihren Angriffen auf die iranischen Atomanlagen 14 massive bunkerbrechende Bomben des Typs GBU-57 eingesetzt. 

Trump warnt vor Vergeltungsschlägen

Trump warnte den Iran vor Vergeltungsschlägen gegen US-Stützpunkte in der Region. "Wenn der Frieden nicht schnell kommt, werden wir die anderen Ziele mit Präzision, Schnelligkeit und Geschick angreifen, die meisten von ihnen können in wenigen Minuten ausgeschaltet werden".

Das Ziel der USA sei die Zerstörung der iranischen Kapazitäten zur Anreicherung gewesen und die Beendigung der nuklearen Bedrohung durch den "weltweit größten staatlichen Sponsor des Terrors", erklärte Trump. 

USA sehen sich nicht im Krieg

Laut US-Vizepräsident JD Vance sehen sich die USA nicht im Krieg mit dem Iran. Es werde keine Bodentruppen im Iran geben und man strebe auch keinen Regimewechsel an, sagte Vance dem Sender NBC am Sonntag. Man sei im Krieg gegen das iranische Nuklearprogramm, nicht aber gegen den Iran insgesamt. 

Bei den US-Angriffen ist unterdes niemand getötet worden. Es habe "bei der US-Aggression gegen Irans Atomanlagen" keine Todesopfer gegeben, sagte am Sonntag der Chef des Roten Halbmonds, Pir Hussein Koliwand, laut dem staatlichen Fernsehen. 

Iran reagierte mit Luftschlägen

Das iranische Parlament billigte einem Medienbericht zufolge eine Sperrung der Schifffahrtsstraße von Hormus. Es gab allerdings auch anderslautende Meldungen. Ein solcher Schritt erfordere jedenfalls eine Zustimmung des Obersten Nationalen Sicherheitsrats. 

Die Straße von Hormus auf dem Weg vom Persischen Golf in den Indischen Ozean ist einer der weltweit wichtigsten Schifffahrtswege. Ein Großteil der Ölexporte mehrerer Länder wird über diesen Weg verschifft.

US-Außenminister Marco Rubio warnte Teheran vor einer Schließung der wichtigen Handelsstraße: "Falls sie das tun, wäre das ein weiterer schwerer Fehler. Es wäre wirtschaftlicher Suizid für sie", sagte er in einem Interview mit dem Fernsehsender Fox News. Er riet anderen Ländern, sich mit einem solchen Szenario auseinanderzusetzen. "Es würde die Wirtschaft anderer Länder viel stärker schädigen als unsere." 

Der Iran reagierte bislang auf die US-Angriffe vor allem mit Luftschlägen gegen Israel. 

In Israel heulten die Sirenen, wie die israelischen Streitkräfte auf Telegram mitteilten. Bei der Attacke wurden etwa 30 Raketen eingesetzt, wie Irans staatlicher Rundfunk zunächst berichtete. Israelischen Medien zufolge hat es mehrere Einschläge gegeben. Im staatlichen Sender Kan war von zehn Treffern die Rede.

Andere Medien berichteten über Einschläge unter anderem in der Hafenstadt Haifa und in der Metropole Tel Aviv.

Irans Revolutionsgarden erklärten wiederum via Nachrichtenagentur FARS, Langstreckenraketen hätten den Flughafen Ben-Gurion in Tel Aviv, ein Forschungszentrum sowie Kommando- und militärische Einrichtungen anvisiert. Aus Israel wurden Angriffe auf diese Standorte bisher nicht bestätigt. In Israel gibt es bereits Meldungen über Verletzte.

Auch neue Angriffe aus Israel

Nach den US-Angriffen auf die iranische Atomanlagen flog aber auch die israelische Armee eine neue Welle von Angriffen. 

Es habe sich um Ziele in Isfahan, Bushehr, Ahvaz und in der Region Yazd gehandelt, erklärt das israelische Militär. Es seien 30 Flugzeuge im Einsatz gewesen. Ziele seien Raketenstationen und unbemannte Luftfahrzeuge gewesen. 

Heftige Explosion in AKW-Provinz Bushehr

In der iranischen Provinz Bushehr, wo das einzige Atomkraftwerk des Landes steht, hat es einem Medienbericht zufolge am Sonntag eine "heftige Explosion" gegeben. Die Explosion sei mehrere Stunden nach den US-Angriffen auf iranische Atomanlagen zu hören gewesen, berichtete die Tageszeitung "Schargh". Die Nachrichtenagentur Fars berichtete ihrerseits, dass die israelische Armee zwei Ziele in der Stadt Bushehr angegriffen habe.

In Bushehr befindet sich ein Atomkraftwerk, das seit September 2011 in Betrieb ist. Zwei weitere Reaktoren befinden sich derzeit - mit russischer Hilfe - im Bau. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hatte am Freitag gewarnt, ein direkter Angriff auf das Akw könne schwerwiegende Folgen haben.

Bei einem israelischen Angriff auf einen Militärstützpunkt sind laut iranischen Angaben vier Mitglieder der Revolutionsgarden getötet worden. Israel habe einen Angriff in der Provinz Ghom unternommen, teilte der Krisenstab der Provinz mit. 

Netanyahu huldigt Trump 

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sprach von einer "mutigen Entscheidung" des US-Präsidenten.

"Herzlichen Glückwunsch, Präsident Trump", sagte Netanyahu in einer Videobotschaft."

Die Vereinigten Staaten hätten getan, "was kein anderes Land der Welt tun konnte". Es werde in die Geschichte eingehen, "dass Präsident Trump gehandelt hat, um dem gefährlichsten Regime der Welt die gefährlichsten Waffen der Welt zu verwehren", sagte der Regierungschef weiter.

Keine erhöhten Strahlenwerte

Den iranischen Behörden zufolge sind nach den US-Angriffen keine erhöhten Strahlenwerte gemessen worden.

Es seien "keine Anzeichen für eine Kontamination festgestellt" worden, erklärte das der iranischen Atomenergiebehörde unterstellte Nationale Zentrum für das Nukleare Sicherheitssystem am Sonntag. Es bestehe daher "keine Gefahr" für die rund um die Anlagen lebenden Menschen.

IAEE beruft Krisensitzung ein

Auch jenseits des Persischen Golfs verlautete Entwarnung. "In Folge der US-Angriffe auf die Atomanlagen des Iran wurden keine radioaktiven Auswirkungen auf die Umwelt des Königreichs und der arabischen Golfstaaten entdeckt", erklärte die saudi-arabische Atomkommission im Onlinedienst X.

Die Atomaufsichtsbehörde der Vereinten Nationen (IAEA) beruft für Montag eine Dringlichkeitssitzung in Wien ein. 

Teheran berät Austritt aus Atomwaffensperrvertrag 

Der Iran berät Berichten zufolge nun auch über einen Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag. 

Der UNO-Sicherheitsrat kommt noch am Sonntag zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Auch der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Grossi, berief eine Dringlichkeitssitzung des IAEA-Gouverneursrats ein. Das Meeting sei für Montag am IAEA-Sitz in Wien anberaumt. 

Zusammenfassung
  • Das US-Militär bombardierte in der Nacht auf Sonntag iranische Atomanlagen mit sieben B-2-Bombern und 14 bunkerbrechenden Bomben, laut offiziellen Angaben gab es dabei keine Todesopfer.
  • Der Iran sieht nach den Angriffen kaum noch Chancen für Diplomatie, droht mit Konsequenzen und kündigte einen Besuch des Außenministers in Moskau sowie mögliche Angriffe auf US-Militärbasen an.
  • Das iranische Parlament billigte offenbar eine Sperrung der Straße von Hormus, während US-Außenminister Rubio Teheran vor wirtschaftlichem Suizid bei einer Schließung warnte.
  • Der Iran reagierte mit etwa 30 Raketenangriffen auf Israel, während Israel seinerseits Luftschläge auf Ziele in Isfahan, Bushehr, Ahvaz und Yazd flog.
  • Der UNO-Sicherheitsrat und die Internationale Atomenergiebehörde IAEA beriefen Dringlichkeitssitzungen ein, während der Iran einen Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag prüft.