VP-Länderchefs gehen auf Distanz zu Kurz: Für Opposition "Kuhhandel"

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Die ersten ÖVP-Länderchefs üben offen Kritik an Sebastian Kurz. Für die Opposition kommt diese Kritik zu spät. Ob die ÖVP ihren Obmann tatsächlich fallen lässt, ist noch nicht absehbar.

Noch hat Sebastian Kurz - er ist nun Parteiobmann und Klubchef - weitreichende Befugnisse innerhalb der ÖVP. Diese ließ sich Kurz in den Parteistatuten festschreiben. Als er 2017 mit 98,7 Prozent zum Chef der ÖVP wurde, war das seine Bedingung. 

Er darf "alle ihm notwendig erscheinenden Maßnahmen [...] treffen, um ein erfolgreiches Zusammenwirken aller in der ÖVP vereinten Kräfte zu sichern und die politische Wirksamkeit der Partei zu erhöhen", heißt es da etwa. Der Parteiobmann darf Generalsekretäre und Bundesgeschäftsführer bestellen und abberufen, er hat Nominierungsrechte für die Regierungsmitglieder, darf die Bundesliste festlegen und hat selbst bei Länderlisten ein Vetorecht. 

Die Rolle des Parteiobmanns in den ÖVP-Statuten.

Kurz' Macht schwindet

Doch die Macht scheint mit den Ermittlungen gegen Kurz und sein Umfeld zu schwinden. Die ersten ÖVP-Länderchefs gehen auf Distanz zu ihrem Parteiobmann. Obwohl etwa Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) Kurz anfangs weiterhin im Amt sehen wollte, fand er später dann, dass die Vorwürfe doch zu schwer wiegen würden. Er forderte, dass der neue Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) die Regierung "ohne Einflussnahme nach seinen Vorstellungen führen" kann und betonte, "ein Schwarzer" zu sein.

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) sprach die umfassende Macht des Parteiobmanns in den Statuten sogar direkt an: "Wenn man den Erfolg hat, braucht man die Statuten nicht. Wenn man keinen Erfolg hat, dann helfen die Statuten auch nichts". Auch Schützenhöfer sprach am Wochenende nicht mehr von Türkis-Grün, sondern von Schwarz-Grün. 

Parteiausschluss bei Gesetzesbruch

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) brachte sogar einen möglichen Parteiausschluss zur Sprache, es habe sich dabei aber um ein Missverständnis gehandelt, konkretisierte er später. Im Raum steht das Thema natürlich trotzdem. Möglich ist ein Ausschluss laut ÖVP-Parteistatuten übrigens bei parteischädigendem Verhalten, wenn Mitgliedsbeiträge über einen längeren Zeitraum und trotz mehrerer Mahnungen nicht bezahlt wurden oder wenn es eine "rechtskräftige Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung, die vom Wahlrecht zum Nationalrat ausschließt", gibt. Nicht wählbar ist laut Gesetz, wer rechtskräftig zu mehr als sechs Monaten unbedingt oder zu einer bedingt nachgesehenen, ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe verurteilt wird.

Zurückhaltender zeigte sich die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Dienstag. Mit der Feststellung "gut, dass die Arbeit auf Bundesebene weiter geht", meldete sie sich in einem Video zu Wort. "Und gut, dass Sebastian Kurz das mit seinem Schritt zur Seite ermöglicht hat", fügte sie hinzu. "Klar ist, dass die Vorwürfe aufgeklärt werden müssen. Die Chats zeichnen ein Bild, das wir so nicht stehen lassen wollen und können."

Härter mit Kurz ins Gericht ging der schwarze Tiroler Arbeitskammerpräsident Erwin Zangerl. Kurz solle sich komplett zurückziehen, forderte er. "Es wird jetzt schon von einem Schattenkanzler Sebastian Kurz geredet", kritisierte Zangerl. "Für einen Neuanfang in der ÖVP und in der Bundesregierung sollte alles absolut besenrein übergeben werden".

Kritik an der Kritik

Trotz der - mehr oder weniger - klaren Distanzierung der ersten ÖVP-Länderchefs von ihrem Parteiobmann, kritisierte die Opposition die ÖVP-Granden scharf: Noch vor wenigen Tagen habe sich Mikl-Leitner für Kurz eingesetzt und ihm gemeinsam mit anderen ÖVP-Landeshauptleuten vollste Unterstützung zugesagt, kritisierte etwa Wolfgang Kocevar, Landesgeschäftsführer der SPÖ Niederösterreich.  "Damit ist sie mitverantwortlich für die Beschädigung des Ansehens der Republik", wurde Kocevar in einer Aussendung zitiert.

"Platters plötzliche Abkehr vom getreuen 'Kurzianer' lässt jedes Chamäleon vor Neid erblassen", richtete der Tiroler FPÖ-Landesparteiobmann Markus Abwerzger dem Tiroler ÖVP-Chef aus. Er erinnerte Platter daran, dass er "den widerwärtigen politischen Kuhhandel eingefädelt hat, und Kurz zum Klubobmann gemacht hat, anstatt ihn in die politische Wüste zu schicken". 

Dass die ÖVP ihren neuen Klubobmann und zwiefachen Altkanzler tatsächlich fallen lässt, ist derzeit noch nicht absehbar. Im Parlamentsklub wurde Kurz am Montagabend in einer geheimen Wahl einstimmig zum Klubobmann gewählt.

ribbon Zusammenfassung
  • Noch hat Sebastian Kurz - er ist nun Parteiobmann und Klubchef - weitreichende Befugnisse innerhalb der ÖVP. Diese ließ sich Kurz in den Parteistatuten festschreiben. Als er 2017 mit 98,7 Prozent zum Chef der ÖVP wurde, war das seine Bedingung. 
  • Doch die Macht scheint mit den Ermittlungen gegen Kurz und sein Umfeld zu schwinden. Die ersten ÖVP-Länderchefs gehen auf Distanz zu ihrem Parteiobmann.
  • Obwohl etwa Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) Kurz anfangs weiterhin im Amt sehen wollte, fand er nun, dass die Vorwürfe doch zu schwer wiegen würden.
  • Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) sprach die umfassende Macht des Parteiobmanns in den Statuten sogar direkt an: "Wenn man keinen Erfolg hat, dann helfen die Statuten auch nichts".
  • Trotz der - mehr oder weniger - klaren Distanzierung der ersten ÖVP-Länderchefs von ihrem Parteiobmann, kritisierte die Opposition die ÖVP-Granden scharf: Die Distanzierungen kämen zu spät.
  • Dass die ÖVP ihren neuen Klubobmann und zwiefachen Altkanzler tatsächlich fallen lässt, ist derzeit noch nicht absehbar. Im Parlamentsklub wurde Kurz am Montagabend in einer geheimen Wahl einstimmig zum Klubobmann gewählt.

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