"bumm tschak" bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführt
Die neue Festspiel-Intendantin Lilli Paasikivi möchte dem Sprechtheater wieder einen Platz in Bregenz einräumen. Die von ihr eingefädelte programmatische Zusammenarbeit mit dem Burgtheater wurde am Freitag würdig mit einer Uraufführung im Theater am Kornmarkt eingeweiht. Ärgerlich ist allerdings, dass es vorerst auch dabei bleibt: Aufgrund von kurzfristigen Subventionskürzungen werden 2026 und 2027 die weiteren geplanten Koproduktionen gleich wieder ausgesetzt. Dabei gehört das Schauspiel ebenso zu den Festspielen wie das Risiko. Das bedingt aber auch, dass nicht alles aufgehen muss, wie man es sich gewünscht hat.
Schmalz hat für sein Stück, das er "ein Richtspiel" nennt, das Leben des letzten Henkers der K.-u.-k.-Monarchie, Josef Lang, zum Ausgangspunkt genommen. Dieser hatte 39 Todesurteile vollstreckt und wurde wie ein Volksheld zu Grabe getragen. Die historische Basisinfo spielt aber eigentlich keine Rolle, das Scharfrichterbeil jedoch schon. Denn bei Schmalz betreibt Josef den höchst angesagten "Club Schafott", zu dessen Attraktionen die Köpfung einer Wassermelone in einem Guillotine-Nachbau am Siedepunkt jedes Abends zählt. Bühnenbildner Olaf Altmann lässt einen steilen Metallgitterboden von einer riesigen Schafott-Klinge durchkreuzen. Das ist bedrohlich und ästhetisch zugleich und zwingt beide Schauplätze, den Szeneklub und das Gefängnis, in einen.
Was sich hier abspielt, schält sich erst allmählich aus der extrem rhythmisierten Sprache, mit der Schmalz sein Stück eher belastet als zum Abheben bringt, und die eher vernebelt als zuspitzt, ganz konträr zu dem, was die autoritäre neue Herrscherin proklamiert: "gerade jetzt brauchts eine sprache, / die die gewalt nicht mehr kaschiert, / eine sprache, / die mit ihrer eigenen gewalt zupackt, / bumm tschak, / wie so ein tiefer bass, / da in der magengrube des gesellschaftskörpers."
Bachmann inszeniert ohne Drive
Es geht um neue Machthaber und ihren Umgang mit Regimegegnern. Was der letzte Henker damit zu tun hat, den Schmalz zum eigentlich apolitischen Clubbetreiber macht, der durch die Verhaftung seiner aktivistischen Freundin erpressbar wird, ist ebenso wenig schlüssig wie das Scheitern der Autokratin an ihrer Unfähigkeit, den Abzug selbst zu betätigen.
Burgtheaterdirektor Stefan Bachmann, der 2018 Schmalz' "jedermann (stirbt)" erfolgreich uraufgeführt hat, inszeniert diese düstere Parabel als grellbuntes Kasperlspiel für Erwachsene, bekommt trotz gelegentlich angespielter Beats keinen echten Drive hin - und besetzt die Kanzlerin mit seiner eigenen Gattin. Melanie Kretschmann versucht im pinken Glitzertrikot die Macht als verführerische Shownummer vorzuführen und bleibt darin so wenig zwingend wie Mehmet Ateşçi und Sarah Viktoria Frick als böse Horrorclowns, die jedem, der "A Clockwork Orange" gesehen hat, nostalgisch werden lassen.
Solo für Stefan Wieland
Dabei sind sie alle nicht schlecht, und auch Max Simonischek als Josef, Maresi Riegner als sein Freundin, Stefanie Dvorak als allegorische Türsteherin und als Gefängniswärter sowie Thiemo Strutzenberger als zwielichtige Figur "flamboyanza" kann man nichts vorwerfen - außer, dass man sie alle nicht recht greifen kann. Stefan Wieland macht als Delinq dem das erste Todesurteil vollstreckt wird, aus dieser Ungewissheit ein existenzielles Geheimnis, das tief berührt - ein seltener Moment in diesen 110 Spielminuten.
Am Ende ist das Böse enthauptet - und doch nichts damit erreicht. "wir funktionieren immer noch, / auch ohne kopf, / obwohl die welt kaputt", fasst Josef im Schlussmonolog zusammen. "wir stolpern stürzen ständig, / und weil es alle tun, / sieht's aus als tanzten wir." Das hat Poesie und Bitterkeit. Das versöhnt, weil es verstört. Vielleicht hat der Abend doch noch Potenzial. Nach weiteren drei Vorstellungen in Bregenz übersiedelt er ab 4. September ins Akademietheater. Gut möglich, dass er dann ein wenig anders aussehen wird.
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - "bumm tschak oder der letzte henker" von Ferdinand Schmalz, Uraufführung, Inszenierung: Stefan Bachmann, Bühne: Olaf Altmann, Kostüme: Adriana Braga Peretzki. Mit Max Simonischek, Thiemo Strutzenberger, Melanie Kretschmann, Maresi Riegner, Stefanie Dvorak, Mehmet Ateşçi, Stefan Wieland und Sarah Viktoria Frick. Theater am Kornmarkt, Bregenz. Weitere Vorstellungen: 20., 21., 22.7.; Koproduktion mit dem Burgtheater, Wien-Premiere am 4. September im Akademietheater. www.bregenzerfestspiele.com)
Zusammenfassung
- Die Uraufführung von "bumm tschak oder der letzte henker" von Ferdinand Schmalz fand bei den Bregenzer Festspielen statt und thematisiert eine politische Dystopie rund um die Wiedereinführung der Todesstrafe.
- Das Stück basiert lose auf dem Leben des letzten Henkers der K.-u.-k.-Monarchie, Josef Lang, der 39 Todesurteile vollstreckte, wobei die historische Figur in der Inszenierung fiktionalisiert wird.
- Die Inszenierung von Stefan Bachmann dauert 110 Minuten und setzt auf ein ausdrucksstarkes Bühnenbild mit einer riesigen Schafott-Klinge sowie grellbunte Kostüme.
- Geplant waren weitere Koproduktionen mit dem Burgtheater, diese entfallen jedoch 2026 und 2027 aufgrund kurzfristiger Subventionskürzungen.
- Nach drei Vorstellungen in Bregenz (20., 21., 22. Juli) wird das Stück ab 4. September im Akademietheater in Wien gezeigt.