Türkei
(K)eine Chance auf Frieden? PKK fordert politische Teilhabe
Türkische Medien verbreiteten Bilder, auf denen 30 PKK-Kämpfer:innen zu sehen waren, die etwa Kalaschnikows in einer Art Feuerschale nahe der Stadt Sulaymaniyah in der autonomen Region Kurdistan im Irak verbrannten.
Bese Hozat, eine der führenden Frauen in der PKK, und der Kommandant Behzat Carcel erklärten laut der pro-kurdischen Partei DEM, die PKK zerstöre ihre Waffen "aus freiem Willen" und fordere Freiheit für ihren inhaftierten Gründer, Abdullah Öcalan, sowie eine demokratisch-politische Lösung der kurdischen Frage.
PKK will Teilhabe am politischen Leben in der Türkei
Hozat forderte im Gespräch mit AFP auch, die Befehlshaber der PKK benötigten Sicherheitsgarantien bei einer Rückkehr in die Türkei. "Der türkische Staat muss uns das Recht gewähren, in die demokratische Politik einzutreten", sagte Hozat.
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"Wir sind bereit und willens, in die Türkei zu gehen, um uns in der demokratischen Politik zu engagieren." Dies diene dem Ziel, "unseren Kampf für Freiheit und Demokratie fortzusetzen und den demokratischen Sozialismus in der Türkei zu fördern".
Wenn die Türkei konkrete Schritte unternehme, "Gesetze erlässt und radikale Rechtsreformen durchführt, werden wir in die Türkei reisen und uns politisch engagieren", sagte Hozat weiter. Wenn es hingegen keine in der Verfassung verankerten Regelungen gebe, "werden wir entweder im Gefängnis landen oder getötet werden".
Medien waren nur sehr begrenzt zugelassen. Auch einzelne Politiker:innen sollen bei der Zeremonie dabei gewesen sein. Darunter auch Mitglieder der pro-kurdischen DEM-Partei aus der Türkei. Berichten zufolge wurden die Waffen symbolisch verbrannt.
Ankara sieht "Wendepunkt"
Die PKK hat Schätzungen zufolge mehrere Tausend Kämpfer. Dieser erste Schritt gilt daher zunächst als symbolisch. Die türkische Regierung erwartet, dass bis Ende des Jahres alle Kämpfer:innen ihre Waffen abgegeben haben.
Überwacht werden soll der Prozess von der türkischen und der irakischen Regierung sowie von der kurdischen Regionalregierung im Nordirak. Sie sollen weitere Waffenabgabepunkte einrichten.
Von einem hochrangigen türkischen Regierungsbeamten hieß es, die Waffenniederlegung der PKK-Kämpfer markiere "einen konkreten und begrüßenswerten Schritt zur Beendigung der jahrzehntelangen Gewaltkampagne der Gruppe. Wir betrachten diese Entwicklung als einen unumkehrbaren Wendepunkt".
Erdoğan: "Wichtiger Schritt"
Am späten Freitagnachmittag trafen auch die ersten Wortmeldungen aus den politischen Fraktionen in der Türkei ein - darunter auch von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan sowie der Co-Vorsitzenden der pro-kurdischen DEM-Partei, Tülay Hatimoğulları.
"Ich wünsche mir, dass der wichtige Schritt, den wir heute auf dem Weg zu unserem Ziel einer Türkei ohne Terrorismus gemacht haben, von Erfolg gekrönt sein wird", schrieb Erdoğan auf X.
Hatimoğulları schrieb auf X: "Jetzt ist es an der Zeit, Schritte für die demokratische Türkei der Zukunft zu unternehmen, indem wir gemeinsam demokratische, politische und rechtliche Regelungen treffen, es ist an der Zeit, den Kampf für demokratische Politik auszuweiten."
Plant Erdoğan eine Verfassungsänderung?
Dass die Friedensinitiative nun an Fahrt gewinnt, hat laut Experten:innen verschiedene Gründe. Zum einen sei die PKK im Irak durch die türkischen Angriffe geschwächt.
Auch in der kurdischen Bevölkerung wachse die Forderung nach einem Ende der Kämpfe. Mit dem Gaza-Krieg, der Schwächung des Iran und dem Umsturz in Syrien ist in der Region ein Machtvakuum entstanden - sowohl Kurd:innen als auch die Türkei wollten das gestalten.
Eine nicht unwesentliche Rolle dürfte zudem Erdoğans angestrebte Verfassungsänderung spielen, um erneut als Präsident kandidieren zu können.
Laut Verfassung darf er bei der Präsidentschaftswahl 2028 nicht erneut antreten. Mit der Unterstützung der zugelassenen, pro-kurdischen Partei DEM hätte er jedoch die nötige Mehrheit im Parlament, um vorzeitige Neuwahlen zu erwirken und so doch anzutreten.
Großes Misstrauen zwischen den Konfliktparteien
Der Schritt markiert den bisher bedeutendsten Meilensteine im kurdisch-türkischen Friedensprozess - ob der Prozess tatsächlich in einen politischen Neuanfang münden kann, ist unklar.
Das Misstrauen gegenüber der türkischen Regierung aufseiten der Kurden ist groß. Zudem gilt die PKK als in mehrere Gruppierungen zersplittert. Auch wenn Öcalan bis heute hohe Autorität in der Vereinigung zugesprochen wird, wird bezweifelt, dass alle der Kämpfe:innen für eine Aufgabe des bewaffneten Kampfes sind.
Aus Sorge vor Sabotage etwa wurde der Ort der Waffenniederlegung im Voraus nicht öffentlich bekanntgegeben. Unklar ist auch, ob die syrische Kurdenmiliz YPG, die im Nordosten Syriens eine autonome Selbstverwaltung aufgebaut hat und enge Verbindungen zur PKK unterhält, Teil des Friedensprozesses mit der Türkei ist.
Jahrzehntelange Gewalt
Die PKK hatte im Mai nach einem öffentlichen Aufruf ihres seit 1999 inhaftierten Chefs Abdullah Öcalan beschlossen, sich aufzulösen und ihren mehr als vier Jahrzehnte dauernden bewaffneten Kampf zu beenden.
Die PKK wird von der Türkei, der EU, USA und in zahlreichen weiteren Ländern als Terrororganisation eingestuft. Mehr als 40.000 Menschen wurden bei den Kämpfen zwischen der PKK und der türkischen Armee getötet.
Die PKK hatte ab 1984 gegen den türkischen Staat und für die Rechte der kurdischen Bevölkerung sowie ein autonomes Gebiet für Kurd:innen in der Türkei gekämpft.
Der Großteil der kurdischen Bevölkerung lebt in der Türkei, viele aber auch im Irak, in Syrien sowie im Iran. In allen diesen Ländern stellen die Kurden eine ethnische Minderheit dar.
Zusammenfassung
- Im Rahmen des Friedensprozesses mit der Türkei hat die verbotene Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) begonnen, einen Teil ihrer Waffen niederzulegen.
- Zudem verlange die PKK in Zukunft eine Teilhabe am politischen Leben in der Türkei.