APA/dpa/Julian Stratenschulte

Karner bleibt "hart"

Verschwundener Syrer: Anwalt ortet Fehler bei Prüfung

13. Aug. 2025 · Lesedauer 6 min

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hält weiter an der Rechtmäßigkeit der Abschiebung eines Straftäters im Juli nach Syrien fest. Der Mann ist verschollen. Er wolle weiter Abschiebungen in das Land forcieren. Ein Anwalt erklärte allerdings, dass wohl ein Fehler bei der Prüfung der Lage in Syrien passiert sei.

Seinen "harten und gerechten" Asylkurs hatte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) dieser Tage in mehreren Pressekonferenzen mit Schwerpunkt Asyl und Schlepperei wiederholt. Am Mittwoch präsentierte er die Bilanz der Abschiebungen im ersten Halbjahr 2025. 

Das Thema Abschiebung war bekanntlich wegen des syrischen Straftäters, der im Juli als erster seit 15 Jahren zwangsweise außer Landes gebracht wurde, in aller Munde. Über den Verbleib des Mannes, der per Linienflug über Istanbul nach Damaskus gebracht werden sollte, herrscht nach wie vor Unklarheit.

Das Innenministerium bestätigte PULS 24 aber am Dienstag, dass der Mann nach Damaskus gebracht wurde. Familie und Rechtsvertretung haben von ihm aber nichts mehr gehört. Was in Damaskus mit ihm passiert ist, ist unklar. 

Genau darüber verlangt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nun Aufklärung und hatte Abschiebungen nach Syrien am Dienstag darüber hinaus vorübergehend gestoppt.

Lage in Syrien ungewiss  

Karner verteidigte am Mittwoch Abschiebungen nach Syrien erneut. Nach dem Fall des Assad-Regimes im Dezember 2024 habe Karner beordert, ein Abschiebeprogramm vorzubereiten. Im Juli diesen Jahres seien dann einige freiwillig nach Syrien zurückgekehrt. 

Karner traf sich im April in Damaskus auch mit dem syrischen Innenminister. Dieser habe ihm versichert, dass Syrien eine stabile Regierung hat und Abschiebungen möglich seien. Zudem habe die EU Sanktionen gegen Syrien aufgehoben, argumentiert er. 

Gleichzeitig erlebt Syrien seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Assad ungewisse Zeiten. Erst im Juli eskalierte ein Konflikt zwischen Drusen, Beduinen und der syrischen Regierung. Israel flog auch Luftangriffe auf Syrien. 

Laut Gernot Maier, Direktor des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), war einer der Hauptgründe, warum Syrern Asyl gewehrt wurde, dass Zwangsrekrutierungen der Assad-Armee und damit eine Teilnahme an Kriegsverbrechen befürchtet wurde. Mit dem Sturz des Assad-Regimes seien diese Gründe nun weggefallen, ergänzte er.

Er räumte aber ein, dass die Lage in Syrien nach wie vor unübersichtlich sei, weswegen es in Österreich auch nicht als sicheres Herkunftsland gelte. "Wir beurteilen immer im Einzelfall", sagt er. 

EGMR-Entscheidung "logisch" 

Die für Dienstag geplante weitere Abschiebung eines Syrers sei ebenso ein Einzelfall gewesen. Diese wurde vom EGMR nun vorübergehend gestoppt. Für Maier sei es "logisch", dass der EGMR eine einstweilige Verfügung verhängt, da sie sich nun ein "Bild von der Situation" machen müssten und die geplante Abschiebung kurz bevorstand. Man werde alle Fragen beantworten und mit Aktenbestandteilen belegen. 

BFA hätte umfassende prüfen müssen 

Für Wilfried Embacher, Anwalt für Fremdenrecht, ist die Entscheidung des EGMR, sei sie nur aufschiebend, doch ungewöhnlich, sagte er zu PULS 24. Der EGMR wisse, dass er in ein laufendes Verfahren eingreife und das Land damit unter Druck setze. "Das ist kein Business as usual", so Embacher. Wenn es das wäre, dann hätte das BFA selbst entscheiden müssen, dass die Abschiebung nicht zulässig sei. 

Durch die Ungewissheit über den Verbleib des 32-jährigen Syrers ändere sich die Sachlage. Das BFA müsse vor einer Abschiebung immer aktuell prüfen. Offensichtlich hab das BFA die Konsequenzen der ersten Abschiebung "völlig ignoriert oder nicht aktuell geprüft". Das sei ein "Fehler in der Prüfung" gewesen. Der EGMR hatte die zweite Abschiebung deshalb gestoppt. 

Sollte bei den Prüfungen des EGMR nun rauskommen, dass für abgeschobene Personen in Syrien etwa Haft oder Folter droht, habe dies sicher Auswirkungen auf weitere Abschiebungen nach Syrien in ganz Europa, so Embacher. 

Der EGMR befürchtete, dass Abschiebungen nach Syrien nicht menschenrechtskonform sind. Denn Rückführungen in Länder mit unmenschlicher und erniedrigender Behandlung sind nach dem Refoulement-Verbot, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bzw. in der Genfer Flüchtlingskonvention geregelt ist, verboten. 

Die Rechtsvertretung des im Juli abgeschobenen Straftäters ortet seit Wochen eine Menschenrechtsverletzung und verlangt Aufklärung über den Verbleib des Mannes. 

Karner tue so, als wäre "Nachfragen eine große Zumutung" 

Nach der Landung in Damaskus hätte es einen Kontakt mit dem Mann geben müssen, der auch dokumentiert wird, erklärt Embacher. "Ja, irgendwann endet die Verantwortung Österreichs, aber wenn Österreich so gute Kontakte nach Syrien hat, hätte man das auch klären müssen."

Embacher halte es für "übertrieben", dass Karner so tut, als "wäre es eine große Zumutung nachzufragen", wo der Mann verblieben ist. Man werde eine Auskunft aus Syrien bekommen. Ob die dann stimmt, wisse man natürlich nie. "Der Innenminister soll seinen Pflichten nachgehen."

Über 6.000 Abschiebungen im ersten Halbjahr 

Dass Karner weiter abschieben will, betonte er am Mittwoch erneut. Es sei notwendig eine "harte, strenge, konsequente, aber gerechte Asylpolitik" zu machen, wurde er nicht müde zu betonen. Er habe auch die Absicht nach Afghanistan abzuschieben. Österreich stehe schon im Kontakt mit Behörden in Kabul. Daran gibt es Kritik, da das einer Anerkennung des Taliban-Regimes in Afghanistan gleichkomme.

Im ersten Halbjahr diesen Jahres wurden etwa 6.545 Abschiebungen durchgeführt. 51 Prozent (3.366 Personen) davon verließen Österreich nach einem negativen Bescheid eigenständig und freiwillig. 49 Prozent (3.188 Personen) wurden zwangsweise außer Landes gebracht.

49 Prozent der Abgeschobenen seien zudem Straftäter gewesen, auf die das BFA einen besonderen Schwerpunkt legt. 

Beim Kampf gegen die Schlepperei habe man eine "Trendwende" eingeleitet, erklärte Gerald Tatzgern, Leiter des Büros zur Bekämpfung von Schlepperei und Menschenhandel im Bundeskriminalamt. In der vergangenen Woche wurden an der burgenländisch-ungarischen Grenze 74 Schlepper aufgegriffen. Vor drei Jahren waren es noch 5.000 in einer Woche, so Karner. 

2024 machte man etwa 224 Schlepper dingfest, im ersten Halbjahr 2025 waren es 44. 

Video: Anwalt Embacher kritisiert BFA und Karner

Zusammenfassung
  • Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hält weiter an der Rechtmäßigkeit der Abschiebung eines Straftäters im Juli nach Syrien fest.
  • Der Mann ist verschollen. Er wolle weiter Abschiebungen in das Land forcieren.
  • Über 6.000 Abschiebungen wurden im ersten Halbjahr 2024 durchgeführt.
  • Ein Anwalt erklärte allerdings, dass wohl ein Fehler bei der Prüfung der Lage in Syrien passiert sei.