EGMR stoppt Abschiebung
Syrer verschollen: Karner "wollte starken Mann darstellen"
Unter Medienrummel hatte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) einen 32-jährigen Straftäter nach Syrien abgeschoben. Was Karner als Zeichen seiner harten Asylpolitik darstellte, entpuppt sich nun aber immer mehr zu einem innenpolitischen Aufreger.
Denn seit Wochen ist nicht bekannt, wo sich der abgeschobene 32-Jährige - der in Österreich wegen IS-Propaganda sieben Jahre einsaß - aufhält und wie es ihm geht. Die Spur endet in Istanbul, wo der Mann mit einem Linienflug ankam und von dort aus nach Damaskus hätte weiterfliegen sollen. Seither haben weder seine Rechtsvertreter, die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, noch seine Familie etwas von ihm gehört.
Syrer nach wie vor verschollen
Gegenüber PULS 24 erklärten Ruxandra Staicu und Sebastian Frik von der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, dass man schon vor der Abschiebung befürchtete, dass der Mann in Syrien inhaftiert wird.
"Wir waren der Meinung, dass die Lage nicht sicher bzw. nicht ausreichend Berichte über die Sicherheit da sind", sagt Staicu. Die Lage in dem von einem knapp 15-jährigen Bürgerkrieg gebeutelten Syrien ist unübersichtlich.
Seit der Abschiebung wisse man nicht, wo der Mann ist. Seine Familie habe die syrischen Behörden mehrmals kontaktiert - ohne Erfolg. Er habe seine Familie telefonisch - mit dem Handy der österreichischen Behörden oder eines Beamten - in Istanbul kontaktiert, wo er zwischenlandete.
Er sei dann in den Flug nach Damaskus gestiegen, so die Angaben der österreichischen Behörden. "Wir haben keinen Nachweis darüber, wo er ist und an wen er übergeben wurde", so Staicu.
Die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung geht davon aus, dass sich der Mann nicht mehr in der Türkei aufhält, sondern in Syrien ist. Auch Innenminister Karner sagte bei einer Pressekonferenz am Dienstag, dass der Syrer nach Damaskus gebracht wurde. Auf PULS 24 Nachfrage beim Innenministerium wurde das erneut bestätigt.
Staicu habe aber nichts mehr von ihm gehört, obwohl er sich hätte melden sollen. "Wir wissen auch nicht, welche Personen mitgeflogen sind", sagt sie. Die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung sei in Kontakt mit der Familie, die "sehr verzweifelt ist". Auch sie hat nichts mehr von ihm gehört.
Karner wollte sich als "starker Mann" darstellen
Frik bezeichnet die Abschiebung als "klare PR-Entscheidung". "Die erste Abschiebung nach Syrien in 15 Jahren. Das ist ein starkes Politikum." Karner habe sich als "starker Mann" darstellen wollen.
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Nun sei das eingetreten, was man von vornherein befürchtet habe. Sie ortet eine Verletzung der Menschenrechte.
Denn nach dem Refoulement-Verbot, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bzw. in der Genfer Flüchtlingskonvention geregelt ist, sind Rückführungen in Länder mit unmenschlicher bzw. erniedrigender Behandlung verboten - auch, wenn jemand Straftäter:in ist.
EGMR stoppt weitere Abschiebung
Bei einer am Dienstag geplanten Abschiebung griff nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht (EGMR) ein. Er verhängte einen Abschiebestopp bis 8. September. Der EGMR fordert zudem Klarheit über den Verbleib des angeblich verschwundenen 32-Jährigen, der als erster Syrer seit 15 Jahren abgeschoben wurde.
Bei einer Pressekonferenz am Dienstag sagte Karner nun als Reaktion auf die EGMR-Entscheidung, dass dies "erwartbar" gewesen sei.
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Zuvor hatte auch ein UN-Ausschuss auf Grundlage der UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen, die auch von Österreich ratifiziert wurde, Aufklärung verlangt. Die Forderung hatte Karner damals als "abgehoben und weltfremd" bezeichnet.
Ihn interessiere die Sicherheit der Bevölkerung in Österreich. Er wolle Abschiebungen weiter forcieren, bekräftigte er am Dienstag erneut.
Leichtfried schweigt
Jörg Leichtfried, Staatssekretär im Innenministerium (SPÖ), erklärte im PULS 24 Gespräch am Dienstag, dass er die Entscheidung des EGMR respektiere und er hohes Vertrauen in die Gerichte habe.
Ob er den Innenminister in dessen Asylkurs und seinen Aussagen gegen die UNO unterstütze, wollte Leichtfried aber nicht sagen. "Ich möchte den Innenminister nicht kommentieren."
Video: Sprecher der Asylkoordination zu gestoppter Abschiebung
Zusammenfassung
- Über den Verbleib des im Juli abgeschobenen 32-jährigen syrischen Straftäters herrscht weiterhin Unklarheit.
- Der EGMR fordert wie die UNO nun Aufklärung. Karner habe den "starken Mann" spielen wollen, wirft die Rechtsvertretung des 32-Jährigen dem Innenminister vor.
- Gegenüber PULS 24 erklärten Ruxandra Staicu und Sebastian Frik von der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, dass man schon vor der Abschiebung befürchtete, dass der Mann in Syrien inhaftiert wird.
- "Wir waren der Meinung, dass die Lage nicht sicher bzw. nicht ausreichend Berichte über die Sicherheit da sind", sagt Staicu. Die Lage in dem von einem knapp 15-jährigen Bürgerkrieg gebeutelten Syrien unübersichtlich.