Pride in Budapest.Konstantin Auer / PULS 24

200.000 in Budapest

Ungarn trotzen Verbot, wollen Konsequenzen mit "Pride" tragen

Heute, 17:36 · Lesedauer 5 min

Eigentlich wurde die Pride von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán verboten. Die queere Community und Regierungskritiker:innen ließen sich nicht einschüchtern und zogen zu Hunderttausenden durch Budapest. Konsequenzen wolle man mit "Pride" tragen. PULS 24 war vor Ort.

"Wie man sehen kann, hat die ungarische Autorität die Pride komplett verbannt", sagt ein junger Mann aus Budapest und grinst.

Er steht auf einer Feuertreppe an einer Häuserfassade und überblickt die Straße unter ihm. Egal in welche Richtung er schaut, es ist kein Ende der Demonstration, des schier unendlichen Fahnenmeers, zu erkennen.

Laut Organisatoren 200.000 Menschen ziehen am Samstag durch das Zentrum Budapests. Die Pride, die die ungarische Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán eigentlich verboten hat, ist die wohl größte Pride, die es in Ungarn jemals gab.

Die Demonstrant:innen wären "alles Hologramme", scherzt der junge Mann auf der Treppe. Er ist sichtlich erfreut, dass der nationalkonservative Regierungschef gescheitert ist.

Erfreuter Blick über Pride in BudapestKonstantin Auer / PULS 24

Budapester freut sich über die Menge bei der Pride.

Gegendemo blockiert Pride-Route

Zwar verspätet sich Start der Pride, weil auch mehrere teils rechtsextreme – und nicht untersagte - Gegendemonstrationen durch die Stadt marschieren.

Die Route muss kurzfristig verlegt werden, "weil die Faschisten die Freiheitsbrücke blockierten", wie es eine Frau auf der Demo ausdrückt.

Doch spätestens als sich der Zug in Bewegung setzt und später ersatzweise auf der Elisabethbrücke die Donau überquert, ist klar, dass die ganze Drohkulisse gegen die LGBTIQ-Community noch mehr Menschen mobilisiert hat. Immer wieder bricht die Masse in begeisterten Jubel und schrille "Wuuuuh"-Rufe aus – wohl als Empowerment für sich selbst

Regenbogenfahne in BudapestKonstantin Auer / PULS 24

Anrainer hängt Regenbogen aus Fenster.

Keine Angst vor Gesichtserkennung

Wenn man Polizei sieht, dann schützt sie primär Gegendemonstranten. Zehn Polizisten umstellen etwa einen Mann, der inmitten der Regenbogenparade ein buntes Plakat in die Höhe hält. Darauf heißt es, die Pride sei pervers und abnormal, auf seinem Shirt prangt Orbáns Gesicht, darunter der Slogan: "Der Patriot, die Hoffnung Europas". 

Auch eine Gruppe mit einem Kreuz kann sich ungehindert schimpfend den Weg durch die Menge bahnen. Es beachtet sie aber kaum jemand. 

Gegendemonstrant bei Pride in Budapest.Konstantin Auer / PULS 24

Gegendemonstrant bei Pride in Budapest.

Hunderttausende Menschen ziehen an den wenigen Polizisten entlang der Route vorbei, angespannt ist die Lage bis zum Abend dennoch nicht. Obwohl einer von ihnen die Demonstrierenden mit einer kleinen Kamera augenscheinlich filmt. Und auch entlang der Route stehen immer wieder Polizeiwagen mit Kameras am Dach. Im Vorfeld hat Orbáns Regierung angekündigt, Demonstrierende bei der Pride mithilfe von Gesichtserkennungssoftware identifizieren und bestrafen zu wollen. 

Doch das macht den Teilnehmenden wenig Angst. Das wird deutlich durch die Masken, die viele der Teilnehmenden tragen. Sie zeigen Orbáns Gesicht - aber in Drag mit gelben Haaren, blauem Lidschatten und knallroten Lippen. Eigentlich sind sie als Schutz vor der Gesichtserkennung gedacht, die meisten Menschen tragen sie aber am Hinterkopf. Sie verstecken sich nicht. "Was soll passieren? Sollen sie uns alle bestrafen?", meint eine Frau schulterzuckend.

Orbán-Kritik bei Pride in Budapest.Konstantin Auer / PULS 24

Anti-Orbán-Masken sollen vor Gesichtserkennung schützen. 

Friedliche, aber politische Demonstration

Ein anderer Demonstrant, ausgerüstet mit einer Packung Nachos und einem offenen Käse-Dip, lacht sogar gemeinsam mit einem der Polizisten. Über Bud-Spencer-Filme reden sie – und Eissorten. "Wir sind Ungarn, wir sind keine Feinde", sagt er zu PULS 24. 

Er ist hier, um gegen die Regierung zu protestieren. "Die ist für niemanden gut. Auch nicht für die Polizisten", hält er fest.

Die Demo ist friedlich. In bunten Outfits und mit riesigen Flaggen trotzt man der Hitze und dem eigentlichen Verbot. Große, gesponserte Trucks wie auf anderen Pride-Praraden in Europa gibt es nicht. Vieles ist self-made. Auf kleinen Lastern spielen dennoch Bands und DJs. 

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Orbán-Kritik bei Pride in Budapest.Konstantin Auer / PULS 24

Orbán-Kritik bei Pride in Budapest.

Die Botschaft der Demo ist klar politisch. Anti-Orbán-Sticker werden verteilt, auf vielen Plakaten stehen Anti-Fidesz-Botschaften. Verschiedenste Regenbogenfahnen werden geschwenkt, Ungarn auf Plakaten aber auch als Diktatur bezeichnet. Neben EU-Fahnen wird Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aber auch aufgefordert, Orbán endlich "den Prozess" zu machen. 

Demonstrierende wollen "Konsequenzen mit Stolz tragen"

"Es ist unsere Pflicht, hier zu sein, als Unterstützung für…", sagt eine Frau und zeigt auf eine kleine Regenbogenfahne in ihrer Hand. Sie fühle sich aber auch verpflichtet, weil sie gegen die Regierung und für die Demonstrationsfreiheit sei, meint sie.

Eine junge Frau sagt, dass sie gekommen sei, weil sie bisexuell sei und lieben wolle, wen sie möchte. Ein homosexueller Mann sagt zu PULS 24, dass er sich für seine sexuelle Orientierung einfach nicht schämen wolle.

Orbán-Kritik bei Pride in Budapest.Konstantin Auer / PULS 24

Orbán-Kritik bei Pride in Budapest.

Ein Jugendlicher hingegen meint, dass er das Anliegen der Pride eigentlich nicht unterstütze. Er ist gekommen, um für die Versammlungsfreiheit und gegen den Ministerpräsidenten einzutreten. 

Wollte Orbán seine Gegner und insbesondere queere Menschen mit seinem Verbot einschüchtern, so ist das Gegenteil davon eingetreten. Wie aus Trotz rückten die Community und Regierungskritiker:innen zusammen.

"Wenn es Konsequenzen gibt, sollten wir sie mir Stolz tragen. Denn das ist die Pride", fordert ein junger Mann die Regierung fast heraus.

Unterstützung bekamen die Demonstrierenden und der grün-liberale Budapester Bürgermeister Gergely Karácsony, der die Parade schlussendlich ermöglichte, und aus ganz Europa. EU-Abgeordnete aus rund 30 Ländern reisten nach Budapest. Dennoch hörte man auf der Demo vor allem Ungarisch. 

Was heißt das für die Parlamentswahlen im kommenden Jahr?

Zusammenfassung
  • Eigentlich wurde die Pride von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán verboten.
  • Die queere Community und Regierungskritiker:innen ließen sich nicht einschüchtern und zogen zu Hunderttausenden durch Budapest.
  • Konsequenzen wolle man mit "Pride" tragen.
  • PULS 24 war vor Ort.