Neues Gesetz soll kommen
Security-Branche: Unsicherheit im Mantel der Sicherheit
"Wir suchen dich!", heißt es in einer Stellenausschreibung, die in der Facebook-Gruppe "Jobsuche in Wien" gepostet wurde. Für "die größten Konzerte des Sommers 2025 in Wien & Salzburg" brauche man Security-Mitarbeiter. Als Beispiele werden etwa die Konzerte von Robbie Williams, Iron Maiden, Seiler & Speer sowie Guns n'Roses angeführt.
Melden muss man sich unter einem WhatsApp-Kontakt. Verlangt werden laut Posting eine gültige Arbeitserlaubnis, gute Deutschkenntnisse und die Bereitschaft zu 12-Stunden-Schichten bei Tag und bei Nacht. Sonst ist von keinerlei Voraussetzungen die Rede.
Wer genau der Arbeitgeber sein wird, ist aus den Postings nicht ersichtlich. Gepostet werden die Stellenanzeigen oft anonym oder von privaten Facebook-Accounts. Ebenso wenig ist ersichtlich, ob die personalsuchenden Personen direkt von den Konzert-Veranstaltern beauftragt wurden.
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Ob die angeheuerten Personen noch weiter überprüft werden, bevor sie in den Stadien und Eventlocations des Landes für Sicherheit sorgen sollen, ist nicht bekannt. Keine der Personen hinter den Postings reagierte auf PULS 24 Anfragen.
Beiträge wie diese finden sich seit Beginn der Festival- und Open-Air-Saison zahlreich in den diversen Facebook-Gruppen. Dass das Recruiting in der Branche so abläuft, wie es abläuft, wundert Insider nicht.
IS-Terroristen als Securitys
Die Security-Branche sorgt seit Jahren für Negativschlagzeilen. So arbeitete etwa ein enger Bekannter des mutmaßlichen Anschlagsplaners gegen das Taylor-Swift-Konzert in Wien beim Aufbau im Praterstadion. Der junge Mann muss sich selbst bald wegen terroristischer Straftaten vor Gericht verantworten.
Für den Job rekrutiert hatte ihn laut PULS 24 Informationen ein Tschetschene, der momentan selbst wegen der mutmaßlichen Beteiligung an einem Bankraub in Untersuchungshaft sitzt. Beim Prozessauftakt gab er an, er habe diesen Job ausgeführt, weil er wegen einer Vorstrafe - wegen IS-Propaganda - keine Arbeitserlaubnis in Österreich habe.
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Der IS-Terrorist, der im November 2020 in der Wiener Innenstadt vier Menschen tötete, arbeitete davor als Security bei einem Krankenhaus und im Jänner 2022 wurde ein Security der Impf- und Teststraße im Austria Center Vienna (ACV) festgenommen.
Er wurde später wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung einer Arbeitskollegin verurteilt. Außerdem wurde bekannt, dass auch er ein Ex-IS-Terrorist war.
Berufsdetektiv ermittelt
Wie es zu solchen Missständen kommen kann, weiß Berufsdetektiv Josef Schachermaier. Er wurde von der eigenen Branche, dem Fachverband Gewerbliche Dienstleister in der Wirtschaftskammer Österreich, beauftragt, als Pfuscherbekämpfer im Sicherheitsgewerbe Verfehlungen aufzudecken: "Wir schreiten ein, wo wir einschreiten können."
Er kennt die Branche gut: Im Gespräch mit PULS 24 erzählt er von Scheinfirmen, Firmensitzen im Ausland, wo es noch weniger Eignungsprüfungen gebe, und Alibi-Geschäftsführern.
Er weiß, dass es schwer sei, in eine gute Ausbildung der Mitarbeiter:innen und in Sicherheitschecks zu investieren, wenn man das Personal nur für kurze Zeit, oftmals nur für wenige Stunden, brauche. Die Fluktuation und der Preisdruck in der Branche seien hoch. "Ich investiere nicht in 10- oder 20-Stunden-Ausbildung, wenn die in ein paar Wochen wieder weg sind."
Schachermaier kritisiert einerseits, dass es grundsätzlich zu leicht sei, ein Gewerbe im Security-Geschäft anzumelden und hinterfragt die Eignung so manchen Geschäftsführers. Er versichert aber auch, dass man alles daran setze, "schwarze Schafe" zu finden und notfalls auch zu klagen. "Gerade, weil es um die Sicherheit geht."
Er warnt vor fatalen Folgen, wenn etwa ein Security "noch nicht einmal einen Feuerlöscher bedienen kann" - oder nicht weiß, wie man Massenpaniken verhindern kann. Es gehe aber auch um Lohndumping und unlauteren Wettbewerb.
Schachermaier wünscht sich eine bessere Zusammenarbeit mit den Behörden. Gerade der Entzug von Gewerbeberechtigungen würde sich oft über Jahre hinziehen. Er erzählt etwa vom 20-Zentimeter-hohen Aktenstoß im Fall Frequency.
Sub- und Sub-Sub-Firmen
Rund 430 illegal beschäftigte Securitys von Sub- und Sub-Sub-Firmen flogen bei dem Festival im Jahr 2023 bei Kontrollen der Finanzpolizei auf. Mehrere Unternehmen sollen keine Sicherheitsüberprüfungen ihrer Securitys durchgeführt haben.
Der Veranstalter, selbst an der Haupt-Security-Firma des Festivals beteiligt, die wiederum die Sub- und Sub-Sub-Firmen beauftragt hatte, versprach damals Besserung. Im Jahr 2024 kam es allerdings wieder zu Anzeigen. "Auch die verpflichtenden Arbeitszeitaufzeichnungen wurden von den Securityfirmen praktisch nicht geführt", hieß es von der Finanzpolizei im vergangenen Jahr.
Auf eine PULS 24 Anfrage, wie es zu diesen Konstellationen kam und was man daraus gelernt habe, antworteten Veranstalter Barracuda und die zugehörige Sicherheitsfirma "CCS - Crowd Control Security GmbH" nicht.
Weder Schachermaier, noch die Finanzpolizei konnten beantworten, was bei den eingeleiteten Verfahren am Ende rauskam. Das Finanzministerium teilte aber mit, dass einige der beteiligten Firmen in Folge der Kontrolle in die Insolvenz geschlittert seien.
Die Finanzpolizei hat die Veranstaltungsbranche seit Längerem im Fokus. Oftmals werden hier sehr kurzfristig hunderte Mitarbeiter:innen benötigt und das oft nur für wenige Stunden, weiß auch das Finanzministerium.
"Die Versuchung bei diesen kurzfristigen Anstellungen ist groß, die Personen entweder gar nicht anzumelden, falsch anzumelden oder rückwirkend zu stornieren. Häufig erfolgt dies nicht durch die eigentlich beauftragten Unternehmen, sondern durch eigens gegründete Sub-Dienstleister", so das Ministerium. Das Risiko der Strafen wird also ausgelagert.
Zuletzt musste der Veranstalter des Grand-Prix in Spielberg noch während des Formel-1-Wochenendes die Zusammenarbeit mit einer Firma beenden.
Bei Kontrollen von Finanz- und Fremdenpolizei wurden drei Personen festgenommen, die sich illegal in Österreich aufhielten. Bei weiteren Mitarbeitern seien "massive Übertretungen im Strafregister" festgestellt worden. Außerdem habe der Betrieb in diesem Jahr "noch keinerlei Lohnabgaben eingemeldet" gehabt.
Auftragskonstellationen wie diese führen also nicht nur zu arbeits- und steuerrechtlichen Missständen - im März warnten etwa Arbeiterkammer und Gewerkschaft vor überlangen Diensten, kaum planbaren Arbeitszeiten und unfairer Bezahlung in der Branche.
Die Zustände in der Branche könnten früher oder später auch massive Sicherheitsprobleme werden.
Neues Gesetz "über den Sommer"
Das muss sich ändern. Das weiß auch die Politik. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde von Innen- und Wirtschaftsministerium noch unter der schwarz-grünen Koalition vorgestellt. Beschlossen wurde er nicht mehr.
Nun versichert das Büro von Jörg Leichtfried (SPÖ), Staatssekretär für Staatsschutz im Innenministerium, gegenüber PULS 24, dass man "über den Sommer" gemeinsam mit dem Innenminister "einen breiten Diskussionsprozess mit betroffenen Akteuren starten und gemeinsam legistisch sinnvolle Ansätze ausarbeiten" werde.
So soll etwa klar geregelt werden, wofür private Sicherheitsdienstleister und wofür die Exektive zuständig ist. Private Sicherheitsunternehmen sollen "keine hoheitlichen Aufgaben" mehr übernehmen dürfen.
Die Qualität der Ausbildung von Securitys soll verbessert werden - es soll eine verpflichtende Grundausbildung geben. Es sollen eine Ausweispflicht für das Sicherheitspersonal und eine Registrierung sowie regelmäßige und raschere Zuverlässigkeitsüberprüfungen kommen.
Unterdessen werden in einer Stellenanzeige auf Facebook Frauen "einfache Aufgaben" und Männern "etwas mehr Action" versprochen. Gesucht wird Personal "für einen spannenden Eventeinsatz beim Konzert im Ernst-Happel-Stadion" am Donnerstag - also wohl für Iron Maiden. Gepostet wurde die Anzeige am Mittwoch - also am Vortag.
Ob sich in dieser Zeit eine Sicherheitsüberprüfung ausgeht? Wohl eher nicht. Ab dem nächsten Jahr könnten solche Praktiken nicht mehr möglich sein.
Video: So werden Securitys überprüft
Zusammenfassung
- Wegen Terrorismus verurteilte Personen sollten für Sicherheit sorgen, immer wieder hagelt es hunderte Anzeigen wegen Schwarzarbeit und fehlenden Sicherheitschecks.
- In der Security-Branche liegt einiges im Argen. PULS 24 hat sich umgehört woran das liegt.
- Bald soll eine lang versprochene Gesetzesänderung kommen, versichert Jörg Leichtfried (SPÖ), Staatssekretär für Staatsschutz im Innenministerium, gegenüber PULS 24.