Vergewaltigung
Anwältin erklärt: Was können Opfer von sexueller Gewalt tun?
"Der erste Weg sollte immer ins Krankenhaus führen" erklärt die Opferanwältin gleich zu Beginn. Auch wenn es dem Bedürfnis vieler Opfer, sich nach sexuellem Missbrauch gründlich zu reinigen, entgegensteht, werden im Krankenhaus wichtige erste Beweise gesichert.
Deswegen wird auch nicht empfohlen, als Erstes zur Polizei zu gehen, sondern immer zuerst ins Krankenhaus zu gehen. Hier können mögliche Spuren von K.-o.-Tropfen festgestellt werden.
Diese sind oft nur wenige Stunden im Urin oder Blut nachweisbar, dienen aber bei einem möglichen Verfahren als wichtiger Beweis.
"Nur weil ich ins Krankenhaus gehe, um Beweise zu sichern, heißt das nicht, dass ich dann auch Anzeige erstatten muss", stellt Hofbauer klar. Die gesicherten Beweise werden im Krankenhaus für einige Zeit aufgehoben.
Das Opfer hat dann genug Zeit, sich nach dem Vorfall zu überlegen, was die individuellen nächsten Schritte sind.
Der Weg zum Gerichtsprozess
Wenn Opfer sexueller Gewalt vor Gericht ziehen, gibt es besondere Bedingungen.
In Österreich wurde die Istanbuler Konvention 2013 ratifiziert, was ein offensiveres Vorgehen bei Fällen sexueller Gewalt ermöglichen und zum Beispiel auch bessere finanzielle und psychische Unterstützung für Opfer ermöglichen soll.
Hilfe bei sexueller Gewalt
Sind Sie Opfer von sexueller Gewalt oder kennen Sie jemanden, der es ist? Hier gibt es Hilfe:
- Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555
- Notrufnummer für Gehörlose und Hörbehinderte: 0800 133 133
- Rat auf Draht - Beratung für Kinder und Jugendliche: 147 sowie Online-Beratung
- Kindernotruf: 0800 567 567
- Online-Beratungsstelle für Frauen und Mädchen bei sexueller und anderer Gewalt: HelpCh@t
- Frauen- und Mädchen-Beratungsstellen in den Bundesländern: Beratung und Unterstützung bei sexualisierter Gewalt
- Kinder und Jugendanwaltschaften in Österreich: www.kija.at
Auch Hofbauer meinte, die rechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich seien an sich gut - theoretisch zumindest. "Es gibt die Möglichkeit, dass das Opfer den Täter vor Gericht nicht sehen muss (...) Es gibt auch die Möglichkeit zu kostenloser psychosozialer Unterstützung", erklärt sie.
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Darüber hinaus besteht potenzieller Schadensersatzanspruch nach dem Verbrechensopfergesetz, auch ohne dass es zu einer gerichtlichen Verurteilung kommen muss.
Das große Aber: "Wir sehen, dass das alles unzureichend ist in der Praxis", erzählt Hofbauer aus ihrer Arbeitserfahrung mit Opfern sexueller Gewalt.
Nach Gerichtverhandlung oft traumatisierter als vorher
Einige Opfer kommen traumatisierter aus Gerichtsverhandlungen heraus, als sie es davor schon sind, kritisiert die Anwältin.
Denn in Österreich seien das Problem oft Richter, Polizisten und Staatsanwälte, die sich in manchen Fällen nach wie vor schwertun, die Lebensrealität von Opfern sexueller Gewalt nachzuvollziehen.
Das könne im schlimmsten Fall zu einer zusätzlichen Traumatisierung von Opfern führen.
Kann Vergewaltigung verjähren?
Nachdem sich eine Wienerin den Vergewaltigungsvorwürfen gegen "P.Diddy" öffentlich anschloss, stellt sich die Frage, wie es mit Verjährungsfristen bei einer Vergewaltigung aussieht.
Die Opferschutzanwältin stellt klar: Ja, auch bei Vergewaltigung gibt es Verjährung. Allerdings ist eine solche Frist im Vergleich zu anderen Straftaten recht hoch.
In Österreich sind es zehn Jahre, wenn dabei auch schwere Körperverletzung im Spiel ist, erhöht sich die Frist auf 20 Jahre.
Beim Fall um "P. Diddy" dürfte Verjährung übrigens ziemlich sicher keine Rolle spielen, obwohl der mutmaßliche Vorfall bereits 25 Jahre zurückliegt. Denn wenn in den Jahren nach dem Fall ähnliche Straftaten begangen werden, ist nicht von Verjährung auszugehen, stellt die Anwältin klar.
Angst und Scham vor "Victim Blaiming"
Oft dauert es jahrelang, bis Opfer sexueller Gewalt ihr Schweigen brechen. "Das kenne ich vor allem von Personen, die im Kindesalter sexuellen Missbrauch erlitten haben", sagt sie.
Bei erwachsenen Personen kann sogenanntes "Victim Blaiming" - also dass dem Opfer selbst eine (Mit)Schuld an der Tat gegeben wird -verstärkt eine Rolle spielen. Erwachsene Menschen, die sexuelle Gewalt erlitten haben, haben oft Angst davor, wie das Umfeld auf die Thematik reagiert.
"Wenn wir jetzt bei der Frau Steiniger sehen, welche Kommentare das in den sozialen Netzwerken ausgelöst hat, dann wundert man sich nicht, warum die Zurückhaltung so groß ist" gibt Hofbauer zu bedenken.
Die Versuche, Opfer in ein schlechtes Licht zu rücken, seien nach wie vor omnipräsent, im privaten Umfeld, wie auch in der Öffentlichkeit.
Eines stellt die Anwältin zum Schluss noch klar: "Überall dort, wo Macht extrem konzentriert ist und Menschen von einer Person abhängig sind, kann etwas über sehr lange Zeit vertuscht werden."
Ein steiles Machtgefälle habe das größte Gefahrenpotenzial dafür, dass Missbrauch stattfinden kann.
Hofbauer merkt an, dass es sich hierbei nicht zwingend um einen Superstar und einen Fan handeln muss, sondern zum Beispiel auch um ein Machtverhältnis am Arbeitsplatz, in dem es zu sexueller Gewalt kommen kann.
Zusammenfassung
- Opferschutzanwältin Yara Hofbauer rät Opfern sexueller Gewalt, direkt nach der Tat ein Krankenhaus aufzusuchen, um wichtige Beweise wie Spuren von K.-o.-Tropfen zu sichern.
- Die Beweissicherung im Krankenhaus verpflichtet nicht zur Anzeige, und die Spuren werden dort für eine gewisse Zeit aufbewahrt.
- In Österreich wurde 2013 die Istanbuler Konvention ratifiziert, die bessere Unterstützung für Opfer vorsieht, doch in der Praxis sind rechtliche Hilfen oft unzureichend.
- Die Verjährungsfrist für Vergewaltigung beträgt zehn Jahre, bei schwerer Körperverletzung zwanzig Jahre, wobei sie ausgesetzt werden kann, wenn ähnliche Taten folgen.
- Ein starkes Machtgefälle, wie am Arbeitsplatz, erhöht das Risiko für sexuellen Missbrauch und erschwert die Aufdeckung, wie aktuelle Fälle zeigen.