Justizanstalt Graz-KarlauAPA/ERWIN SCHERIAU

Komplize von Wien-Attentäter

Islamist im Gefängnis: "Was, wenn 50 Bewaffnete loslegen?"

30. Juli 2025 · Lesedauer 4 min

Ein junger Mann aus Wien-Liesing, der in Haft sitzt, weil er dem Wien-Attentäter Waffen organisierte, muss bald wieder vor Gericht. Ein Justizwachebeamter belauschte ihn bei mutmaßlichen Terrorfantasien "mit 50 Bewaffneten". Die Staatsanwaltschaft will ihn in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter unterbringen.

Mit "Euphorie und Begeisterung" soll sich ein Gefangener in der Justizanstalt Graz-Karlau vor Mithäftlingen mit Terrorplänen aufgespielt haben. Was er nicht bemerkte: Er wurde dabei von einem Justizwachebeamten zufällig heimlich belauscht

Kurz vor seinem 25. Geburtstag klagte die Staatsanwaltschaft Graz den Häftling, ein gebürtiger Österreicher mit ägyptischer Migrationsgeschichte, deshalb erneut an. Die entsprechenden Ermittlungsakten liegen PULS 24 und dem "Standard" vor und werfen erneut die Fragen auf, wie gut Deradikalisierung in Haft funktioniert und warum dort immer wieder Datenträger und Handys auftauchen.

Der Angeklagte, der zuletzt in Wien-Liesing lebte, ist längst kein Unbekannter mehr: Mit nur 18 Jahren wurde er zum ersten Mal wegen des Verbreitens von IS-Propaganda und Aufforderung zur Ausreise in IS-Gebiete verurteilt. 

Mit illegalem Handy Waffe für Attentäter organisiert

Insgesamt weist der Häftling "drei im höchsten Maße einschlägige Vorverurteilungen auf", wie es in der Anklageschrift heißt. Derzeit sitzt er in Graz-Karlau eine 20-jährige Haftstrafe - bis Mai 2042 - ab, weil er jenen Islamisten, der 2020 in der Wiener Innenstadt vier Menschen tötete, bei der Beschaffung seiner Kalaschnikow geholfen hat. 

Schon damals saß der Wiener in Haft. Über ein illegales Handy hielt er allerdings Kontakt zum späteren Attentäter, einem Jugendfreund, und vermittelte ihm einen Kontakt, der ihm die späteren Tatwaffen mitsamt Munition übergab

Um das Attentat in Wien ging es auch in dem Gespräch, das der Justizwachebeamte in Graz-Karlau am 6. November 2024 mitgehört haben will. Der Beamte soll sich im Müllraum des Gefängnisses aufgehalten und durch ein offenes Fenster ein Gespräch unter Häftlingen im Freizeitraum mitgehört haben. 

"50 Bewaffnete, in der ganzen Stadt verteilt"

Laut dem Beamten soll der 24-Jährige von der "Megapanik" erzählt haben, die beim Terroranschlag in Wien nur ein Terrorist ausgelöst habe. "Was meint ihr, wäre los, wenn 50 Bewaffnete, in der ganzen Stadt verteilt, loslegen würden, es gibt mehrere wie mich", soll er gesagt haben. 

Er soll gegenüber zwei weiteren Insassen ausgeführt haben, wie er Bomben in Gebäuden platzieren und selbst eine Weste mit Sprengsätzen tragen würde. Es würde Panik ausbrechen, die Stadt würde still stehen, soll er "mit Euphorie und Begeisterung" vorgetragen haben.

Als ihm ein Mithäftling empfahl, er solle dabei doch eine schusssichere Weste tragen, entgegnete der Angeklagte, dass er lieber sterben wolle, als eingesperrt und gefoltert zu werden. 

"Ihr Terroristen seid verrückt", kommentierte der Mithäftling das Gespräch. Der 24-Jährige habe den Gemeinschaftsraum laut Justizwache hingegen "mit geschwellter Brust, innerer Zufriedenheit und einem Lächeln" verlassen. "Für mich war das erschreckend", sagte der Beamte in seiner Einvernahme. 

Der andere Insasse bewertete das Gespräch im Nachhinein als "blöden Spaß" und "Scheiße". Die Staatsanwaltschaft sieht das anders und erhebt gegen den Wiener abermals Anklage wegen der Vorwürfe der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation

Dieses Mal will man ihn aber sogar in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter unterbringen, also in einem forensisch-therapeutischen Zentrum. Das hieße, dass er auch nach dem Ende der regulären Haftstrafe in dem Zentrum bleiben muss, sollte er dann noch als gefährlich bewertet werden. 

USB-Stick mit Nasheeds im Fernseher

Trotz mehrjähriger Haftstrafen habe sich der 24-Jährige "nicht ausreichend mit seinen bisherigen Taten auseinandersetzt". Es sei nicht davon auszugehen, dass sich der Angeklagte "mittlerweile ernsthaft und nachhaltig vom IS bzw. sonstigen terroristischen Vereinigungen (...) abgewendet hat", argumentiert die Staatsanwaltschaft. Ein Gutachten bescheinige dem Häftling weiterhin einen "Hang zu strafbaren Handlungen". 

In seiner Zelle stellten die Behörden zudem einen USB-Stick sicher, der von Häftling zu Häftling weitergereicht worden sein soll und beim 24-Jährigen im Fernseher steckte. 

Darauf fanden die Ermittler neben Kampfsportvideos, Musik und Serien (ausgerechnet "Prison Break") auch mehrere Nasheeds, also islamistische Gesänge, die den Kampf gegen "Ungläubige" verherrlichen

In seiner Einvernahme bezeichnete sich der Angeklagte als Salafist, bestritt aber, dass er in einem Gespräch Terroranschläge verherrlicht habe. Den USB-Stick habe er von einem anderen Häftling - Namen wollte er keinen nennen - bereits mit den Nasheeds erhalten, er habe sich mehr für die Kampfsportvideos interessiert. Ein Prozesstermin steht noch nicht fest.

" Es fehlt an Deradikalisierungszugängen"

Islamismusforscher Moussa Al-Hassan Diaw im Interview.

Zusammenfassung
  • Ein 24-jähriger Häftling aus Wien-Liesing sitzt eine 20-jährige Haftstrafe ab, weil er dem Attentäter des Wiener Terroranschlags 2020 die Tatwaffe beschaffte.
  • Ein Justizwachebeamter belauschte ihn am 6. November 2024 dabei, wie er im Gefängnis mit "Euphorie und Begeisterung" über mögliche Terroranschläge mit "50 Bewaffneten" sprach.
  • Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, sich weiterhin nicht vom radikal-islamistischen Spektrum gelöst zu haben, und beantragt seine Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter.
  • Der Häftling hat bereits drei einschlägige Vorverurteilungen, unter anderem wegen Verbreitung von IS-Propaganda und Aufforderung zur Ausreise in IS-Gebiete.
  • In seiner Zelle wurde ein USB-Stick mit einschlägigen Nasheeds gefunden, was die Zweifel an einer erfolgreichen Deradikalisierung in Haft zusätzlich verstärkt.