APA/ERWIN SCHERIAU

Graz

Der digitale Fußabdruck des Amokläufers

13. Juni 2025 · Lesedauer 5 min

Arthur A., der in einer Schule in Graz zehn Menschen tötete, hinterließ im Internet lose Spuren. Er postete Bilder seiner Waffen, eines noch aus der Schultoilette - und er zog Referenzen zum Columbine-Amoklauf. Außerdem war er in der Gaming-Szene aktiv. Eine digitale Spurensuche.

Warum mussten in Graz neun Schüler:innen und eine Lehrerin sterben? Warum beging der 21-jährige Arthur A. im BORG Dreierschützengasse am Dienstag einen Amoklauf und anschließend Suizid?

Offiziell nannten die Ermittler noch kein Motiv. Man beschrieb den Täter als introvertiert und zurückgezogen. Er besuchte bis vor drei Jahren selbst das BORG - die getötete Lehrerin unterrichtete ihn, zu den Schüler:innen soll kein Kontakt bestanden haben. Er brach die Schule ab, ohne sie abzuschließen, machte zuletzt eine Ausbildung. 

Arthur A. trug während des siebenminütigen Amoklaufs, den er mit einer Pistole und einer Schrotflinte durchführte, eine Schutzbrille und ein Headset. Und: Er war in der Gaming-Szene unterwegs. Mehr wurde bislang zu möglichen Hintergründen der Tat nicht bekanntgegeben.

Columbine-Bezug

Weitere Hinweise könnten nun erste Spuren aus diversen sozialen Netzwerken liefern. So trugen mehrere Reddit-User Accounts zusammen, bei welchen es sich wahrscheinlich um die Accounts des Amokläufers handelt.

Am Tag vor der Tat veröffentlichte der junge Mann, der bald 22 geworden wäre, auf Tumblr ein Foto, das seine Waffen zeigt. "Sehr frühes Geburtstagsgeschenk für mich selbst", schrieb er dazu. 

Wenige Minuten vor seiner Tat dürfte A. ein Foto aus dem Inneren der Schule auf X gepostet haben. Darauf sind der Boden der Schultoilette sowie schwarze Lederstiefel des Täters zu sehen. 

Ein ähnliches Bild hatte auch Natalie R. gepostet, die im Dezember 2024 in einer Schule in Wisconsin zwei Menschen tötete. Sie machte dabei allerdings mit den Fingern ein "White Power"- oder "Okay"-Zeichen. Das machte Arthur A. offenbar nicht.

R. bezog sich aber, wie auch A., auf den Amoklauf von zwei Abschlussklässlern an der Columbine Highschool in Colorado im Jahr 1999. 13 Menschen starben damals. Die Tat hatte weltweit zahlreiche Nachahmungstäter:innen - im Internet entwickelte sich eine Szene, die den Amoklauf verherrlicht. 

Auch A. dürfte auf seinem X-Account ein Profilbild, das einen der Columbine-Amokläufer zeigt, verwendet haben. Die Polizei bestätigte die Echtheit der Accounts noch nicht, man werde den Hinweisen aber nachgehen, hieß es. 

Umtriebig in der Gaming-Szene

Obwohl zahlreiche Accounts auftauchten, die dem 21-Jährigen zugerechnet werden, wurden bislang relativ wenige Postings gefunden. Aktiver dürfte A. in der Gaming-Szene gewesen sein. 

Er war offenbar begeisterter E-Sports-Spieler. Viele seiner Usernamen lassen auf einen Charakter aus dem Online-Rollenspiel "World of Warcraft" schließen. Auch Bezüge zu "Minecraft-Shooter" tauchen auf. 

Den kostenfreien Ego-Shoter "Valorant" hat er offenbar sogar kompetitiv in mindestens zwei E-Sports-Teams gespielt. Bei "Valorant" spielen zwei Fünferteams gegeneinander, das angreifende Team verfügt über eine Bombe, die explodieren soll. Das verteidigende Team muss währenddessen versuchen, die Bombe zu entschärfen.

Teams distanzieren sich

Von Mai bis Dezember 2024 sei Arthur A. Teil eines solchen "Valorant"-Teams gewesen. Der Verein distanzierte sich inzwischen deutlich von dem 21-Jährigen: "Es trifft uns als Organisation hart, dass wir einer Person, die zu einer solchen Tat fähig ist, eine Plattform geboten haben", heißt es dazu. A. habe das Team Ende des vergangenen Jahres verlassen, weil er sich um seine Ausbildung kümmern wollte, hieß es. Man bestätigte auch einen Usernamen, der Hinweise auf weitere Accounts im Netz gibt. 

In den sozialen Netzwerken kursiert zudem ein Video, das Arthur A. bei einem E-Sports-Event in Graz zeigt. Der spätere Amokläufer belegte dort mit einem anderen Verein den ersten Platz.

Wie dieses "Valorant"-Team am Freitag betonte, sei Arthur A. jedoch "zu keiner Zeit als Spieler unter Vertrag" gewesen. Er sei lediglich eine "zufällige Bekanntschaft vor Ort" gewesen, die kurzfristig als Ersatz eingesprungen sei. "Wir sind schockiert und können immer noch nicht fassen, wem wir hier – wenn auch nur für wenige Stunden – unser Trikot übergestreift haben", heißt es in dem Statement.

Zudem tauchte ein Spotify-Account auf, der dem Täter gehört haben könnte, wofür es aber keine Bestätigung gibt. Darauf finden sich zwei Playlists. In einer wurden erst vor sechs Tagen mehrere Songs hinzugefügt. Darunter etwa die Songs "Keine wie ich" des Berliner Rappers "Symba" oder "Everybody Wants To Rule The World" von "Tears for Fears". 

In der anderen befinden sich nur Songs der Hamburger Industrial-Metal-Band "KMFDM". Die Columbine-Amokläufer und auch Natalie R. waren Fans der Band, die sich mehrfach von Gewalt distanzierte. Die Bezugnahme auf andere Amokläufe könnten Hinweise liefern, die Szene stärker zu beobachten. 

"Ego-Shooter-Spiele machen keine Täter"

Manuel Haselberger vom E-Sport Verband Österreich im Interview.

Zusammenfassung
  • Bei einem Amoklauf am BORG Dreierschützengasse in Graz tötete der 21-jährige Arthur A. am Dienstag neun Schüler:innen und eine Lehrerin, bevor er Suizid beging.
  • Der Täter hinterließ online Spuren, darunter ein Waffenfoto auf Tumblr am Vortag sowie ein Bild aus der Schultoilette wenige Minuten vor der Tat auf X.
  • Arthur A. zeigte digitale Bezüge zum Columbine-Amoklauf 1999, unter anderem durch ein Profilbild und thematische Referenzen auf seinen Social-Media-Accounts.
  • In der Gaming- und E-Sports-Szene war Arthur A. aktiv, spielte kompetitiv 'Valorant' und war bis Dezember 2024 Mitglied eines E-Sports-Teams, das sich nachträglich deutlich von ihm distanzierte.
  • Die Polizei hat die Echtheit der Social-Media-Accounts und eines mutmaßlichen Spotify-Accounts mit Playlists, darunter Songs der Band KMFDM, bisher nicht bestätigt.