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Graz

Amokläufer hatte legal Waffen: Was kann der Psycho-Test?

13. Juni 2025 · Lesedauer 6 min

Der Amokläufer, der in Graz zehn Menschen tötete, besaß legal Waffen. Erst im März bestand er das psychologische Gutachten für die Waffenbesitzkarte. Was können die Tests und wie sind sie gesetzlich geregelt? PULS 24 führte Gespräche mit Gutachter:innen.

Durch den psychologischen Eignungstest bei der Stellung fiel Arthur A., der beim Amoklauf in Graz zehn Menschen tötete.

Im März bestand er aber den Psycho-Test, den er für die Waffenbesitzkarte brauchte, die er im Mai auch erhielt.

Zumindest für den Kauf seiner Glock-19-Pistole benötigte er diese. Die Schrotflinte konnte er in Österreich auch ohne Test legal kaufen.

Nur wenige Tage nach dem Amoklauf in Graz wird in Österreich nun abermals über das Waffenrecht diskutiert. Besonders die Frage, wie der 21-Jährige nur rund zwei Monate vor dem Amoklauf ein positives Gutachten erhalten konnte, steht im Raum. 

Wie laufen die Tests ab?

Laut "Profil"-Recherchen fiel der Schütze auch beim Training bei einem Schützenverein negativ auf. In Gesprächen, die PULS 24 mit Waffenhändlern und Betreibern von Schießanlagen führte, verweist man dennoch vor allem auf das psychologische Gutachten: "Das hätte dort doch auffallen müssen", heißt es da etwa. 

Laut Polizei wurde die Person, die das Gutachten für Arthur A. erstellte, noch nicht einvernommen. Ob hier Fehler passierten, wird sich zeigen. 

Aber wie kommt so ein Gutachten eigentlich generell zustande? Gemäß Waffengesetz-Durchführungsverordnung müssen geprüfte und eingetragene Psycholog:innen die "Waffenverlässlichkeit" feststellen. Also "ob der Betroffene dazu neigt, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden". 

Wie lange so eine Testung dauert, beantworten Gutachter:innen nicht einheitlich: Zwischen einer und zwei Stunden, so der Tenor. 

In der Verordnung werden verschiedene Persönlichkeitstests vorgeschrieben – und auch, wie diese kombiniert werden dürfen. Ein Gespräch wird in der Verordnung nicht explizit erwähnt, seriöse Gutachter:innen betonen aber, dass dies in der Branche Standard sein sollte. 

Fragen aus den Tests geben Psycholog:innen ungern weiter – es sollte sich ja niemand darauf vorbereiten können. Hinter vorgehaltener Hand erzählt manche:r aber, dass im Internet diverse Fragenkataloge kursieren würden. 

Ebenso gebe es immer wieder Berichte über Gruppentestungen, die in der Verordnung nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden – also eine gesetzliche Grauzone sind. 

Ob die Tests noch zeitgemäß sind, auch darüber scheiden sich in der Branche die Geister. Eine Überprüfung fordern nun etwa die Grünen. 

Gesamteindruck zählt

Laut Gutachterin Susanne Glantschnig ist aber sehr wohl genau geregelt, worauf bei einem waffenpsychologischen Gutachten zu achten ist. 

So muss laut Glantschnig im Rahmen der Begutachtung beurteilt werden, ob die betreffende Person voraussichtlich in der Lage ist, mit Waffen sachgemäß und verantwortungsvoll umzugehen. Es dürfen keine Hinweise vorliegen, die darauf schließen lassen, dass ein Missbrauch oder ein leichtfertiger Umgang mit Waffen zu erwarten ist.

"Eine Person gilt beispielsweise dann nicht als verlässlich", erklärt Glantschnig, "wenn eine psychische Erkrankung, eine Alkohol- oder Suchtproblematik besteht, oder, wenn eine strafrechtliche Verurteilung vorliegt, die nicht bereits getilgt ist".

Für die Beurteilung werden laut Glantsching mehrere Informationsquellen genutzt: Die sogenannte Exploration, in der etwa Lebenssituation und Umgang mit Belastungen erfasst werden, psychologische Testverfahren sowie der persönliche Eindruck im direkten Gespräch – also Verhalten, Ausdruck und Interaktion.

"Entscheidend ist am Ende das Gesamtbild", sagt Glantschnig. "Die einzelnen Befunde müssen zusammenpassen und ein in sich stimmiges, nachvollziehbares Bild ergeben." Besteht ein Zweifel an der 'Waffenverlässlichkeit', wird ein negatives Gutachten ausgestellt, wobei dies ohne Angabe von Gründen erfolgen kann.

Psychologin GlantschnigGlantschnig

Psychologin Glantschnig

Fällt ein Gutachten negativ aus, wird man für sechs Monate gesperrt. Das wird auch den Behörden gemeldet, um sogenannten "Testtourismus" zu verhindern. 

Bei einer Wiederholung folgt dann ein verschärfter Stufe-2-Test, bei dem explizit auf die Versäumnisse aus dem ersten Test eingegangen wird. Ein Stufe-2-Test muss auch gemacht werden, wenn bei jemandem zum Beispiel Mängel bei der Lagerung einer Waffe festgestellt werden. 

Es gibt dann auch noch einen Stufe-3-Test, der gemacht werden muss, wenn jemandem etwa aufgrund von Straftaten die Waffenbesitzkarte entzogen wurde oder jemand ein Waffenverbot aufheben lassen möchte. 

Fallen drei Gutachten negativ aus, dann wird man allerdings für zehn Jahre gesperrt

Wenig Freunde und Mobbing als Ausschlussgründe?

Aber zurück zu Arthur A. und dem Amoklauf von Graz: Hätte man dessen Vorhaben bei der Erstellung des Gutachtens sehen können?

Diese Frage können Außenstehende nicht wirklich beantworten. Psychologe Arthur Drexler erklärt gegenüber PULS 24, dass er verschiedene Lebensbereiche – Soziales, Familiäres, Persönliches, Berufliches, die Freizeitgestaltung, die finanzielle Situation, Vorerkrankungen und Konsumverhalten – ansprechen würde. 

"Wenn sich aus allen Informationen keine Auffälligkeiten bzw. Hinweise auf Widersprüche zur Verlässlichkeit zeigen, ist das Ergebnis positiv", sagt er. 

Zum Amokläufer von Graz teilte die Polizei etwa mit, dass dieser wenig bis gar keine Freunde gehabt hätte. Das sei aber "kein automatischer Grund gegen eine Verlässlichkeit", so Drexler. Das gelte auch für Mobbing-Erfahrungen. Es sei denn, eine psychische Erkrankung wäre die Ursache dafür. 

Auch Psychologin Glantschnig folgt diesen Ausführungen: "Gibt jemand an, wenig bis keine sozialen Kontakte zu haben, wird dies grundsätzlich näher hinterfragt. Allein das Fehlen von Freundschaften ist jedoch kein Ausschlusskriterium für ein positives Gutachten". Entscheidend sei, "wie stabil und reflektiert die Person insgesamt wirkt und ob Hinweise auf soziale Isolation mit weiteren Auffälligkeiten verbunden sind". 

Auch bei Mobbing-Erfahrungen sei entscheidend, "wie die betroffene Person damit umgeht und ob daraus Anzeichen für eine psychische Belastung oder Instabilität hervorgehen". 

Beide verweisen allerdings darauf, dass es – wie bei allen Tests – grundsätzlich möglich sei, "bewusst oder unbewusst etwas zu verfälschen oder verzerrt darzustellen". Es liege dann an den Gutachter:innen oder den Testverfahren, dies zu erkennen. 

"Gesetzlich wenig Spielraum"

Allerdings kritisiert Drexler: "Leider wird dem Gutachter in der Stufe 1 dafür gesetzlich wenig Spielraum ermöglicht, zumal auch die Kosten gesetzlich einheitlich vorgegeben sind." 

Der Psychologe spricht an, dass die Kosten für einen Stufe-1-Test gesetzlich seit Jahren bei 283,20 Euro liegen. Das würde den tatsächlichen Aufwand "nicht abdecken", so Drexler. "Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass dadurch die Qualität der Gutachten und damit letztendlich auch die öffentliche Sicherheit eingeschränkt werden könnten." 

Unabhängig von der politischen Debatte um Gesetzesverschärfungen spricht sich auch Glantschnig dafür aus, dass psychologische Gutachten etwa alle fünf Jahre wiederholt werden müssen, denn sowohl die psychische Stabilität als auch die Persönlichkeit eines Menschen können sich im Laufe der Zeit verändern. 

Auch wäre es sinnvoll, für Kategorie-C-Waffen, wie etwa der Schrotflinte des Amokläufers, eine Begutachtung einzuführen.

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Zusammenfassung
  • Der Amokläufer von Graz, der zehn Menschen tötete, hatte erst im März das psychologische Gutachten für die Waffenbesitzkarte bestanden.
  • Für den Erwerb der Glock-19-Pistole war ein positives Gutachten nötig, die Schrotflinte konnte er in Österreich auch ohne Test legal kaufen.
  • Das psychologische Gutachten prüft die Waffenverlässlichkeit und dauert meist zwischen einer und zwei Stunden, wobei verschiedene Persönlichkeitstests und Gespräche kombiniert werden.
  • Bei einem negativen Gutachten wird eine sechsmonatige Sperre verhängt, nach drei negativen Gutachten gilt eine zehnjährige Sperre.
  • Fachleute kritisieren die gesetzlichen Vorgaben und fordern regelmäßige Überprüfungen sowie eine Ausweitung der Tests auch auf Kategorie-C-Waffen.