APA/ROLAND SCHLAGER

Turbulenzen im hohen Haus: "Mogelpackung" Budget und ein neuer U-Ausschuss

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Vor genau einer Woche fanden die Hausdurchsuchungen in Kanzleramt, ÖVP-Zentrale, bei "Österreich" und im Finanzministerium statt. Seither trat der Kanzler zurück und ein neuer wurde angelobt. Am Mittwoch präsentierte die Regierung dennoch ein neues Budget.

Die Regierung strauchelte, die Grünen wollten nach den Hausdurchsuchungen bei der ÖVP und den Vorwürfen gegen Sebastian Kurz und sein Umfeld nicht mehr mit ihm als Kanzler weitermachen. Schließlich trat kurz am Wochenende als Kanzler zurück - Alexander Schallenberg wurde am Montag als sein Nachfolger angelobt. 

Die Koalition zerbrach nicht und so konnte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) am Mittwoch seine zweite Budgetrede im Nationalrat halten. Schwerpunkt des Budgets ist die "ökosoziale Steuerreform" mit dem CO2-Preis, dem "Klimabonus" und der Lohnsteuersenkung. 

Durch die Reform erhalte klimaschädliches Verhalten "erstmals einen Preis, zugleich werden insbesondere durch den Klimabonus und die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge niedrige Einkommen stärker entlastet werden", sagte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). 

Budget-Kritik: "Mogelpackung"

Von der Opposition kam hingegen scharfe Kritik am beschlossenen Budget: Hubert Fuchs von der FPÖ, der früher Staatssekretär im Finanzministerium war, sieht in der Steuerreform "die größte Mogelpackung der Zweiten Republik". Die Österreicher würden sich die "Entlastungen" selbst zahlen. Der Finanzsprecher der SPÖ, Kai Jan Krainer, sagt, dass es sich um ein Budget mit drei schlechten Nachrichten handle: eine für arbeitende Menschen, eine für das Klima und eine für die Transparenz. 

Lob und Kritik am Budget 2022

Neuer U-Ausschuss

Grund für Kritik sieht die Opposition aber nicht nur im Budget. Die Regierungskrise und die Vorwürfe gegen Sebastian Kurz und sein Umfeld sind für sie noch lange nicht vom Tisch. Daher haben sich SPÖ, FPÖ und NEOS auf einen neuen U-Ausschuss geeinigt. Bisher sei erst die "Spitze des Eisbergs" der Inseraten- und Korruptionsaffäre der ÖVP bekannt, sagte Krainer. Der Untersuchungszeitraum beginnt und endet mit der Kanzlerschaft von Sebastian Kurz, Mitte des nächsten Jahres soll der Ausschuss abgeschlossen sein. Christian Hafenecker (FPÖ) sagt, dass Zeit ein wichtiger Faktor sei. In den ÖVP-geführten Ministerien würden "die Schredder auf Hochtouren laufen". 

Konkret geht es um "das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe des Bundes". Inbegriffen im Untersuchungsgegenstand sind auch Vorbereitungshandlungen im Zeitraum vor der Kanzlerschaft von Kurz. Konkret genannt ist das sogenannte "Projekt Ballhausplatz", jenes Strategiepapier aus dem Umfeld von Kurz, das die Machtübernahme in der Volkspartei und der Regierung plante.

ÖVP-Affäre: Untersuchungsausschuss fix

Unterdessen herrscht noch großes Rätselraten um die nach den Razzien festgenommene Meinungsforscherin Sabine Beinschab. Beinschabs Anwältin war bis zum späten Nachmittag telefonisch nicht erreichbar - ein mögliches Indiz dafür, dass die Meinungsforscherin zu diesem Zeitpunkt noch als Beschuldigte vernommen wurde. Die WKStA gibt keine Informationen weiter. Noch ist deshalb unklar, ob sie die U-Haft beantragen wird - 48 Stunden, also bis Donnerstag, hat sie dazu Zeit.

Thalhammer: Man kann Kurz "jeden Tag beim Schrumpfen zuschauen"

Beinschab war am Dienstagmorgen an ihrer Privatadresse wegen Verdunkelungsgefahr festgenommen worden. Der Meinungsforscherin wird Untreue und Bestechung vorgeworfen. Sie soll Umfragen für die Veröffentlichung in der Tageszeitung "Österreich" zugunsten der ÖVP geschönt und diese dann über das Finanzministerium per Scheinrechnungen abgerechnet haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Die Regierungskrise spiegelt sich auch in der neuesten Umfrage im Auftrag des "Standard" wider. Die ÖVP verliert, aber nicht so massiv, wie manche wohl angenommen hätten. Nach wie vor wäre die Kanzlerpartei, würde aktuell gewählt werden, die stimmenstärkste Partei. Knapp dahinter würde bei einer Nationalratswahl momentan die SPÖ landen. Der große Gewinner ist die FPÖ.

Schallenberg: "Es gibt beeindruckende Geschlossenheit in der ÖVP"

Der neue Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) gab am Mittwoch sein erstes Interview in dieser Rolle. Es sei seine "persönliche Meinung, persönliche Überzeugung", dass sich die strafrechtlichen Vorwürfe gegen Kurz auflösen würden - denn er kenne Sebastian Kurz "seit Jahren". 

Die 104 Seiten der Anordnung zur Hausdurchsuchung in Kanzleramt und ÖVP-Parteizentrale, in der die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ihre Vorwürfe darlegt, habe Schallenberg "am Wochenende durchgeblättert". Dass nach der Lektüre auch ÖVP-Landeshauptleute ihre Meinung über die Vorwürfe geändert hätten, stimme so nicht, sagt Schallenberg: "Es gibt eine wirklich beeindruckende Geschlossenheit in der ÖVP". Er zeigte sich aber zu Gesprächen über die Inseratenvergabe in Österreich bereit. 

Kurz wird als Abgeordneter angelobt

Am Donnerstag reist Schallenberg zu einem Antrittsbesuch zur EU-Spitze nach Brüssel. Mit dem Besuch will der "überzeugte Europäer" seine pro-europäische Haltung unterstreichen. Schallenberg trifft in Brüssel sowohl EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen als auch den EU-Ratspräsidenten Charles Michel.

Der am Mittwoch von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) in der Budgetrede vorgestellte Entwurf für den Bundeshaushalt 2022 wird am Donnerstag im Nationalrat einer ersten gründlichen Analyse unterzogen. Altkanzler Sebastian Kurz wird in dieser Debatte bereits als ÖVP-Klubobmann auftreten, er wird zu Beginn der Sitzung als Abgeordneter angelobt.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Regierung strauchelte, die Grünen wollten nach den Hausdurchsuchungen bei der ÖVP und den Vorwürfen gegen Sebastian Kurz und sein Umfeld nicht mehr mit ihm als Kanzler weitermachen.
  • Die Koalition zerbrach nicht und so konnte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) am Mittwoch seine zweite Budgetrede im Nationalrat halten.
  • Von der Opposition kam hingegen scharfe Kritik am beschlossenen Budget: Hubert Fuchs von der FPÖ, der früher Staatssekretär im Finanzministerium war, sieht in der Steuerreform "die größte Mogelpackung der Zweiten Republik".
  • Grund für Kritik sieht die Opposition aber nicht nur im Budget. Die Regierungskrise und die Vorwürfe gegen Sebastian Kurz und sein Umfeld sind für sie noch lange nicht vom Tisch. Daher haben sich SPÖ, FPÖ und NEOS auf einen neuen U-Ausschuss geeinigt. 
  • Bisher sei erst die "Spitze des Eisbergs" der Inseraten- und Korruptionsaffäre bekannt, sagte Krainer. Der Untersuchungszeitraum beginnt und endet mit der Kanzlerschaft von Sebastian Kurz, Mitte des nächsten Jahres soll der Ausschuss abgeschlossen sein.
  • Unterdessen herrscht noch großes Rätselraten um die nach den Razzien festgenommene Meinungsforscherin Sabine Beinschab. Die WKStA gibt keine Informationen weiter. Noch ist deshalb unklar, ob sie die U-Haft beantragen wird.