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Quarantäne-Aus wegen psychisch kranker Kinder? Therapieplätze helfen mehr

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Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) verteidigte das mögliche Ende der Quarantäne für Corona-Infizierte mit dem Anstieg psychisch kranker Kinder und Jugendlicher. Den Anstieg gab es, Therapieplätze nutzen aber mehr, sagt eine Jugendpsychiaterin.

"Das wars für mich", schrieb Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) am Donnerstag auf Twitter. Privat wolle er auf seinem Social Media Profil - zumindest über Corona- nicht mehr diskutieren. Das werde nun sein Team für ihn übernehmen - "nach vorheriger penibler Quellenrecherche", versprach er.

Ausgang der Debatte war ein Entwurf für eine Verordnung des Gesundheitsministeriums, der eine Ende der Isolationspflicht für positiv-getestete Personen vorsieht. Dafür erntete der Gesundheitsminister scharfe Kritik. Er rechtfertigte sich in einem mittlerweile gelöschten Tweet: "dass wir 25 % plus von psychischen Erkrankungen und Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen haben ist mit ein Hauptgrund, warum ich bei Corona-Maßnahmen ans unterste Ende gehe, was epidemiologisch noch vertretbar ist [sic!]".

Wieder erntete der Minister scharfe Kritik, denn Quellen für seine Behauptung wollte er nicht nennen: "ich habe jetzt nicht die Zeit, die ganzen Studien von WHO, der Kommission und der diversen Forschungseinrichtungen dazu zu verlinken. Ich bin - ernsthaft - nicht ganz so bescheuert, wie viele mich hier halten...[sic!]", schrieb Rauch. 

Auf PULS 24 Nachfrage erklärte das Gesundheitsministerium am Freitag: "Der Verweis auf einen starken Anstieg von psychischen Erkrankungen und Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen gründet sich aus direkten Erfahrungsberichten mehrerer Sozialeinrichtungen, mit denen Gesundheitsminister Johannes Rauch in den vergangenen Wochen Kontakt hatte". Es sei außerdem "evident, dass die Pandemie Folgen für die psychische Gesundheit vor allem bei Kindern, Jugendlichen und vulnerablen Personengruppen hatte und hat". Die WHO habe von einem Anstieg von Depressionen und Angststörungen weltweit um 25 Prozent berichtet. 

Was der WHO-Bericht besagt

Den Bericht der WHO gibt es wirklich. Die 25 Prozent Anstieg bei Depressionen und Angststörungen beziehen sich aber auf die gesamte Weltbevölkerung - also nicht nur Kinder und Jugendliche und die Daten beziehen sich auf das erste Pandemiejahr. Da galten noch ganz andere Maßnahmen. Mit Suiziden haben die Zahlen schon gar nichts zu tun.

Dennoch betont auch die WHO, dass Kinder und Jugendliche besonders betroffen wären. Als Hauptgründe für Depressionen werden von der WHO sexueller Missbrauch, Mobbing oder Schikane im Kindesalter genannt. Kriege, die Klimakrise und Gesundheitsbedrohungen - wie eine Pandemie - seien Risiken, die zu psychischen Krankheiten beitragen. Vielmehr fordert die WHO mehr Engagement und Investitionen für die psychische Gesundheit.

In eine ähnliche Kerbe schlägt Kathrin Sevecke, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (ÖGKJP) im Gespräch mit PULS 24: "Ja, es gab während der Pandemie eindeutig einen Anstieg von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen", sagt sie. Sie spricht von 30 Prozent mehr Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen und einer Verdoppelung bei den Beschwerden. "Da ist vieles auf dem Rücken der Kinder und Jugendlichen ausgetragen worden".

Kathrin Sevecke

Wie lange die Quarantäne für Infizierte dauert und ob es überhaupt eine gibt, hätte da aber einen geringe Auswirkung, sagt sie. Sie erinnert an Zeiten, als auch K1 und K2 Personen noch in Quarantäne mussten - diese Maßnahmen seien ja ohnehin schon gefallen. 

Der Anstieg an psychischen Erkrankungen während der Pandemie würde durch viele Faktoren beeinflusst werden, sagt sie: Der Alltag der Kinder sei auf den Kopf gestellt worden, es habe Homeschooling und Sorgen um die Gesundheit gegeben, man konnte seine Freunde weniger treffen und in manchen Familien kamen finanzielle Sorgen dazu. Außerdem habe die Regierung verwirrend kommuniziert.

Unkomplizierte Therapieplätze würden helfen

Es sei aber "falsch zu sagen", dass es nur die Pandemie oder einzelne Maßnahmen seien, die zum Anstieg der Erkrankungen führen: Dazu kommen ja auch noch Inflation, Krieg und Umweltkrisen. Zudem spielen auch soziale Faktoren eine Rolle: Kinder aus finanziell benachteiligten Familien leiden eher, erklärt die ÖGKJ-Präsidentin.

Viel mehr würde es den Kindern helfen, wenn "endlich" in unkomplizierte Psychotherapieplätze auf Krankenkasse, in Schulpsychologen investiert werden würde. "Das kann man Gesundheits- und Bildungsminister ruhig ausrichten", so Sevecke. Zudem brauche es einen Mental-Health-Koordinator, der sich dieser Themen annimmt, so die Forderung. Die 13 Millionen Euro Soforthilfe der Regierung sei nur zeitlich beschränkt, kritisiert die Jugendpsychiaterin.

Verordnung wird anders argumentiert

Inwiefern die Aufhebung der Quarantäne psychisch kranken Kindern und Jugendlichen helfen sollte, beantwortete das Gesundheitsministerium gegenüber PULS 24 nicht. Selbst in der vom Ministerium ausgearbeiteten rechtlichen Begründung zum Entwurf der "Verkehrsbeschränkungsverordnung", die PULS 24 vorliegt, wird anders argumentiert als es der Minister auf Twitter tat.

Darin heißt es nach der Feststellung, dass Absonderungen "objektiv betrachtet zu den wirksamsten Maßnahmen der Pandemiebekämpfung gehören", dass die vorherrschende Omikron-Virusvariante BA.5 zu milderen Krankheitsverläufen führe, Infektionen ohnehin oft unbemerkt bzw. schon vor dem Testen auftreten würden und vor allem, dass man ohne Quarantäne Personalengpässe im Gesundheitsbereich vermeiden könnte.

ribbon Zusammenfassung
  • Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) verteidigte das mögliche Ende der Quarantäne für Corona-Infizierte mit dem Anstieg psychisch kranker Kinder und Jugendlicher.
  • Den Anstieg gab es, Therapieplätze nutzen aber mehr als weniger Corona-Maßnahmen, sagt eine Jugendpsychiaterin.
  • Viel mehr würde es den Kindern helfen, wenn "endlich" in unkomplizierte Psychotherapieplätze auf Krankenkasse, in Schulpsychologen investiert werden würde, sagt Kathrin Sevecke, Präsidentin der Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie.

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