Netanyahu will Gaza-Einsatz so schnell wie möglich beenden
Vor Beginn seiner Rede verließen Dutzende Delegierte den Saal. Netanyahu wartete mit stoischem Blick am Podium den Protest ab und erhielt währenddessen auch vereinzelten demonstrativen Applaus, vor allem aus Israels Delegation. Während seiner ersten Worte gab es weitere Zwischenrufe. Wegen der aggressiven Kriegsführung im Gazastreifen hatten sich zuletzt auch immer mehr westliche Partner von der israelischen Regierung abgewandt. So erkannten Großbritannien, Frankreich und Kanada zuletzt einen Staat Palästina an.
Die Gründung eines Palästinenserstaates nach dem 7. Oktober sei so, als würde man der Al-Kaida nach dem 11. September einen Staat in der Nähe von New York City geben, sagte Netanyahu weiter in seiner Ansprache. "Wir werden das nicht tun." Israel werde nicht zulassen, dass westliche Staaten ihm einen "Terrorstaat" aufzwängen. Die Botschaft dieses Schritts an die Welt sei: "Die Ermordung von Juden lohnt sich."
Netanyahu forderte die palästinensische Terrororganisation Hamas auf, die Waffen niederzulegen und alle Geiseln freizulassen. "Wenn ihr das tut, werdet ihr leben. Wenn nicht, wird Israel euch jagen." Er erinnerte an den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Dabei wurden israelischen Angaben zufolge rund 1.200 Menschen getötet und 251 Geiseln genommen. Von diesen befinden sich demnach noch 48 im Gazastreifen, die meisten davon sind allerdings tot. "Ein Großteil der Welt erinnert sich nicht mehr an den 7. Oktober. Aber wir erinnern uns", sagte Netanyahu. An die noch verbliebenen Geiseln gewandt, sagte Netanyahu: "Wir vergessen Euch nicht, wir bringen jeden von Euch nach Hause."
Rede über Lautsprecher auch in Gaza
Israels Ministerpräsident richtete dabei Worte direkt an die im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln. Er habe deshalb um den Gazastreifen große Lautsprecher anbringen lassen, die mit seinem Mikrofon verbunden seien in der Hoffnung, dass die Entführten ihn hörten, schilderte er in New York. Und sagte dann: "Wir haben Sie nicht vergessen, nicht eine Sekunde. Das israelische Volk steht hinter Ihnen. Wir werden nicht zögern und nicht ruhen, bis wir Sie alle nach Hause gebracht haben."
Kritik der Angehörigen
Angehörige der Geiseln im Gazastreifen reagierten verärgert auf die Rede. In einer Mitteilung des Forums der Geisel-Familien hieß es, Netanyahus Ankündigung, im Gazastreifen weiterkämpfen zu wollen, gefährde das Leben der Verschleppten und drohe die Bergung von toten Geiseln zu erschweren. Die Angehörigen warfen Israels Regierungschef vor, die Verhandlungen über ein Gaza-Abkommen zu untergraben.
Ein solcher Deal würde auch die Freilassung der Geiseln beinhalten. "Immer wieder hat er jede Gelegenheit vertan, die Geiseln nach Hause zu bringen", hieß es in der Stellungnahme weiter.
Netanyahu lobt Erfolge der israelischen Armee
Wie auch schon bei vergangenen Reden vor der Vollversammlung brachte Netanyahu mehrere Accessoires mit zu seiner Rede. Mithilfe von Postern verdeutlichte er erst den Verlauf von Kämpfen gegen proiranische Gruppierungen in der Region, dann nutzte er weitere für eine Art Mini-Quiz, bei dem er Fragen mit mehreren Antwortmöglichkeiten zeigte. Mit einem Stift machte er dann jeweils einen Haken hinter der Auswahlmöglichkeit "alle oben genannten", etwa: Sowohl der Iran als unter anderem auch die Hamas, die Hisbollah, die Houthi und Al-Kaida hassten sowohl Israel als auch die USA und Europa. "Unsere Feinde hassen uns alle mit gleichem Gift."
In seiner Rede zählte Netanyahu israelische Erfolge gegen die Hamas und andere vom Iran unterstützte militante Gruppen auf. Israel hat nach den Worten Netanyahus das Atomwaffen- und Raketenprogramm des Iran zerstört. Vor der UNO-Vollversammlung erklärte Netanyahu, sein Land habe zudem die Hamas zerschlagen, die Hisbollah entscheidend geschwächt und die Houthi-Rebellen schwer getroffen. Netanyahu dankte US-Präsident Donald Trump für dessen "mutiges und entschlossenes Vorgehen" gegen den Iran. Die existenzielle Bedrohung für Israel sei beseitigt. Die Bestände an angereichertem Uran des Iran müssten vernichtet werden, betonte Netanyahu am vierten Tag der Generaldebatte bei den Vereinten Nationen.
Vorwurf des Völkermords zurückgewiesen
Netanyahu wies außerdem den Vorwurf des Völkermords als haltlos zurück. Israel werde beschuldigt, die Menschen im Gazastreifen gezielt hungern zu lassen, sagte er in New York. Tatsächlich versorge Israel sie jedoch mit Lebensmitteln. Wenn es an Nahrung fehle, dann weil die Hamas diese stehle. Die Entscheidung zahlreicher westlicher Staaten, Palästina als Staat anzuerkennen, belohne zusätzlich noch den Terrorismus gegen Juden.
Die palästinensische Autonomiebehörde bezeichnete Netanyahu als "durch und durch korrupt". Er habe seit Jahrzehnten Versprechungen über eine Reform der Behörde gehört, die jedoch nie umgesetzt worden seien, sagte er in seiner Rede. Die anhaltende Ablehnung eines jüdischen Staates durch die Palästinenser sei es, was den Konflikt seit über einem Jahrhundert antreibe.
Frieden mit Syrien und Libanon möglich
Einen Frieden mit Syrien und dem Libanon bezeichnete Netanyahu als möglich. Ein Abkommen mit Syrien sei erreichbar. Den Libanon rief er zu direkten Verhandlungen auf. Einen Sieg über die Hamas werde den Frieden mit Nationen in der gesamten arabischen und muslimischen Welt ermöglichen. Auch ein friedliches Zusammenleben mit der Bevölkerung des Iran sei möglich.
Neben Netanyahu stehen am Freitag unter anderem die Vertreter Chinas und Großbritanniens auf der Rednerliste. Die Generaldebatte läuft - mit einer Pause am Sonntag - bis einschließlich Montag. Im Fokus stehen neben dem Nahost-Konflikt der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sowie die finanziell schwierige Lage der Vereinten Nationen und die weltpolitische Rolle der USA.
Zusammenfassung
- Israels Premierminister Benjamin Netanyahu kündigte vor der UNO-Vollversammlung an, den Militäreinsatz im Gazastreifen so schnell wie möglich zu beenden, will aber vorerst weiterkämpfen.
- Er lehnt die Gründung eines Palästinenserstaates strikt ab und bezeichnet sie als "puren Wahnsinn", mit dem Vergleich, dies sei wie ein Staat für Al-Kaida nach dem 11. September.
- Netanyahu erinnerte an den Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023, bei dem laut israelischen Angaben 1.200 Menschen getötet und 251 Geiseln genommen wurden, von denen sich noch 48 im Gazastreifen befinden, die meisten davon tot.
- Familien der Geiseln kritisierten Netanyahu scharf und warfen ihm vor, mit seiner Haltung das Leben der Verschleppten zu gefährden und Verhandlungen zu erschweren.
- Netanyahu lobte die Erfolge der israelischen Armee gegen Hamas, Hisbollah, Houthi und das iranische Atomprogramm und wies den Vorwurf des Völkermords zurück, indem er betonte, Israel versorge Gaza mit Lebensmitteln.