Lili Pankotai
Pride in Budapest: Erste Anzeige gegen bekannte Aktivistin
Viktor Orbán und seine Fidesz-Regierung ernteten nach der größten Pride, die es in Ungarn jemals gab, viel Hohn. Trotz Verbots und Drohkulisse gingen rund 200.000 Menschen auf die Straßen.
Gegenüber PULS 24 zeigten sich Teilnehmer:innen unbeeindruckt von den angedrohten Strafen. Viele sagten, sie seien nur auf die Straße gegangen, weil die Demonstration verboten wurde.
Orbáns rechtsnationalistische Regierung ließ das nicht auf sich sitzen und versuchte, die Parade als "von Brüssel gesteuert" darzustellen und drohte weiter mit rechtlichen Konsequenzen.
Die erste Anzeige
Nun gab es auch schon die ersten Anzeigen. Eine davon erhielt die bekannte Aktivistin Lili Pankotai. Allerdings wurden in ihrem Fall nicht die staatlichen Behörden von sich aus aktiv. Sie wurde in ihrer Geburtsstadt Mohács von einer Privatperson angezeigt.
Die Person soll den Behörden Facebook-Beiträge zugesendet haben, die die Aktivistin bei der Pride zeigen sollen. Die Polizei leitete ein Verfahren wegen einer möglichen Ordnungswidrigkeit ein - und übergab die Ermittlungen an die Budapester Behörden.
Auf Facebook zeigte sich Pankotai zunächst gelassen und entgegnete, dass es ihr eine Ehre sei, als Erste wegen der Teilnahme an der Pride angezeigt zu werden.
Ein Präzedenzfall oder ein einmaliges Exempel?
Sie wolle den Kampf gegen die Behörden aufnehmen, weil der erste Fall ein Präzedenzfall sein könnte. Auf Facebook startete sie einen Aufruf, in dem sie um Spenden bittet und die besten Anwält:innen sucht. Sie wolle auch Hilfe für andere anbieten, die Anzeigen bekommen.
Den Anzeigenerstatter forderte sie zu einem Treffen auf, bei dem sie ihn fragen möchte, was sein Problem mit Freiheit und Liebe sei.
Ein Sprecher von Pankotai sagte gegenüber PULS 24, dass es sein könnte, dass die Anzeige von der Regierung angestoßen wurde. Beweisen könne man das aber (noch) nicht.
Ermittlungen gegen andere Personen, die direkt vom Staat ausgegangen seien, sind ihm aber noch nicht bekannt. Der Sprecher vermutet, dass die Regierung an Pankotai "ein Exempel statuieren" möchte.
Symbolfigur
Die Aktivistin gilt in Ungarn als Symbolfigur der regierungskritischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Bekannt wurde die Schülerin und Slam-Poetin mit einem Auftritt bei einer Demonstration für Lehrer:innen und gegen das marode Bildungssystem im Jahr 2022. Sie musste daraufhin ihre Schule verlassen. Seither tritt sie immer wieder bei regierungskritischen Demonstrationen auf - und kassierte dafür auch schon Strafen.
Selbstanzeige
Eine weitere Anzeige brachte eine Pride-Teilnehmerin selbst ein: Die Oppositionspolitikerin Klára Dobrev ging zur Polizei und erstattete Anzeige gegen sich selbst.
"Als Politikerin habe ich mehr Optionen, deshalb habe ich eine größere Verantwortung, die Pride-Teilnehmer zu schützen. Deshalb habe ich mich gestellt und freue mich auf die Debatte oder das Verfahren", schrieb sie auf Facebook. Für PULS 24 war die Abgeordnete im Europaparlament (Sozialdemokraten) vorerst nicht für Nachfragen erreichbar.
Ob es, wie von Orbán angedroht, zu massenhaften Anzeigen und Geldstrafen kommen wird oder ob man sich auf prominente Exempel konzentriert, scheint derzeit noch nicht festzustehen.
Kameraüberwachung bei der Pride.
Die ungarische Regierung ermöglichte im März den Einsatz von Gesichtserkennung bei Versammlungen - die Polizei filmte die Parade auch tatsächlich an mehreren Stellen mit, wie auch PULS 24 beobachtete.
Im kommenden Jahr stehen in Ungarn Parlamentswahlen an. Die Opposition steht laut Umfragen so stark da, wie schon lange nicht. Fidesz steht deswegen innenpolitisch unter Druck.
"Orbán macht deshalb nun Sachen, die ihm selber schaden", kommentiert der Sprecher von Aktivistin Pankotai das scharfe Vorgehen gegen die Pride.
- Mehr lesen: Kickls Vorbild Orbán: "Das heißt nichts Gutes"
Zusammenfassung
- Trotz des von Viktor Orbán verhängten Verbots gingen laut Organisator:innen rund 200.000 Menschen bei der Pride-Parade in Budapest auf die Straße.
- Die bekannte Aktivistin Lili Pankotai wurde als erste nach der Parade von einer Privatperson angezeigt, ein Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit wurde eingeleitet.
- Pankotai betrachtet ihren Fall als möglichen Präzedenzfall, bittet auf Facebook um Spenden und sucht rechtliche Unterstützung für sich und andere Betroffene.
- Die Oppositionspolitikerin Klára Dobrev erstattete Selbstanzeige, um Solidarität mit den Pride-Teilnehmer:innen zu zeigen und Verantwortung zu übernehmen.
- Die ungarische Regierung setzt seit März Gesichtserkennung bei Versammlungen ein, filmte die Parade und steht angesichts starker Opposition und bevorstehender Parlamentswahlen unter Druck.
- Ob es, wie von Orbán angedroht, zu massenhaften Anzeigen und Geldstrafen kommen wird oder ob man sich auf prominente Exempel konzentriert, scheint derzeit noch nicht festzustehen.