Aufregung um Justiz-Chats: Was steckt dahinter?

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Die Innenpolitik-Redakteure Veronika Dolna von der "Kleinen Zeitung" und Jan Marchart vom "Standard" erklären, um was es in der Causa-Pilnacek und Brandstetter wirklich geht und welche Konsequenzen sie hat.

Handy-Chatverläufe bereiten aktuell nicht nur ÖBAG-Vorstand Thomas Schmid und diversen ÖVP-Granden Kopfzerbrechen. Auch der suspendierte Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek wird bei den Ermittlungen rund um den Verdacht auf Bruch des Amtsgeheimnisses mit seinen Aussagen konfrontiert.

So schrieb er etwa an den steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP): "Lieber Herr LH, Prosit 2021 und viel Erfolg im Vorsitz der LH-Konferenz; möchte nur informieren, dass Präsident des OLG Graz ausgeschrieben ist; wäre Gelegenheit, das an unsere (sic!) Familie begangene Foul auszugleichen"

Mit dem von Pilnacek angesprochenen "Foul" an "seiner Familie" dürfte die Beschneidung seiner Macht im Justizministerium gemeint sein. Seine einst mächtige Supersektion für Legistik und Strafsachen wurde von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) auf zwei Sektionen aufgeteilt. Pilnacek war nur mehr Sektionschef für Legistik, ein Posten von dem er aktuell noch suspendiert ist, nachdem gegen ihn Ermittlungen wegen Bruch des Amtsgeheimnisses laufen. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Pilnaceks Ehefrau bekam den Posten übrigens nicht. Schützenhöfer ist dafür gar nicht zuständig.

Besonders viel und ausführlich korrespondierte Pilnacek offenbar mit Ex-ÖVP-Justizminister und Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter. Wiederholt lässt sich der Sektionschef auch über die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) aus, es fallen auch sexistische und rassistische Aussagen.

Der ehemalige ÖVP-Justizminister und Vizekanzler Wolfgang Brandstetter zog sich danach vom Höchstrichterposten zurück. Während VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter verkündete, dass er nach dem Rücktritt einen Schlussstrich ziehen wolle, wartet Justizministerin Alma Zadic in Sachen Pilnacek noch zu. Sie wolle auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts warten.

Die Chats dürften übrigens von den NEOS an die Öffentlichkeit gelangt sein, was für die ÖVP ein "Skandal" ist. Die NEOS sagen, dass ein öffentliches Interesse an den Chats bestünde. 

Im Newsroom LIVE waren bei PULS 24 Moderator Thomas Mohr die Innenpolitik-Redakteure Veronika Dolna von der "Kleinen Zeitung" und Jan Marchart vom "Standard" zu Gast. Sie ordneten die akteulle Causa ein. 

Ist die Kritik der ÖVP an den veröffentlichten Chats berechtigt?

Veronika Dolna von der "Kleinen Zeitung" meint, dass man diese Kritik schon lange kenne. Wenn etwas veröffentlicht werde, komme immer zuerst die Frage, wo das herkomme und wer das gemacht habe. Meist komme diese Kritik von jenen, denen die Veröffentlichung "besonders unangenehm" sei. Beim Ibiza-Video sei das damals Heinz-Christian Strache gewesen.

Irgendwann müsse man die Frage abschließend beantworten - und zwar müsse juristisch geklärt werden, was etwa bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmt werden dürfe. "Jetzt ist aber nicht der richtige Zeitpunkt dafür", sagt Dolna. Denn jetzt gehe es darum, was denn da veröffentlicht wurde. 

Betreffen die Chats den privaten Lebensbereich und hätten deswegen nicht veröffentlicht werden dürfen?

Jan Marchart vom "Standard" verneint das. Christian Pilnacek sei nach wie vor eine relevante Persönlichkeit, auch wenn er gerade als Sektionsleiter im Justizministerium suspendiert ist. Die Chats würden "ein Sittenbild" zeigen. "Die Öffentlichekit hat ein Anrecht darauf, das zu wissen", sagt Marchart. Für die NEOS würde es aber "blöd ausschauen", dass man ihnen nachweisen konnte, die Chats veröffentlicht zu haben, aber es würden eben relevante Dinge in den Chats stehen. 

Brandstetter ist zurückgetreten - sind die Chats für ihn eine höhere Belastung?

"Bei Brandstetter war es das i-Tüpfelchen", sagt Marchart. Denn gegen ihn werde auch ermittelt, weil er eine Hausdurchsuchung in der Causa Tojner geleakt haben könnte. Es gilt die Unschuldsvermutung. Die Chats seien aber für beide - für Brandstetter und Pilnacek - gleichermaßen belastend. 

Sollte Justizministerin Alma Zadic mehr gegen Christian Pilnacek unternehmen?

Veronika Dolna sagt, dass das Justizministerium schon viel unternommen hätte: Als Werner Kogler Zadic vertreten hatte, sei Pilnacek suspendiert worden - die Suspendierung sei zwar aufgehoben worden, aber das Ministerium sei in Berufung gegangen. Nun liegt die Causa beim Bundesverwaltungsgericht, kommende Woche könnte das schriftliche Urteil gefällt werden. Das Justizministerium hätte laut Dolna auch angekündigt, "nachlegen" zu wollen. Vor Gericht gehe es derzeit nur um den Stand bis Februar. 

Schadet die Causa der ÖVP?

"Das bleibt an der ÖVP haften", sagt Marchart. Schließlich sei Wolfgang Brandstetter ÖVP-Justizminister gewesen und auch Christian Pilnacek gilt als ÖVP-Vertrauensmann. Weil solche Interventionsversuche und Angriffe auf die Justiz "in einer Masse und regelmäßig" auftreten würde, werde das mit der ÖVP konnotiert. "Es wird der ÖVP schaden", sagt Marchart. 

ribbon Zusammenfassung
  • Die Innenpolitik-Redakteure Veronika Dolna von der "Kleinen Zeitung" und Jan Marchart vom "Standard" erklären, um was es in der Causa-Pilnacek und Brandstetter wirklich geht und welche Konsequenzen sie hat.
  • "Die Öffentlichekeit hat ein Anrecht darauf, das zu wissen", sagt Marchart auf die Frage, ob die Chats in den privaten Lebensbereich fallen würden.
  • Dolna sagt, dass das Justizministerium einiges gegen Pilnacek unternehme. Ein Urteil über seine Suspendierung erwartet sie kommende Woche.
  • Marchart sagt außerdem, dass die Causa der ÖVP schaden würde, weil es "regelmäßig" vorkomme.