Justiz-Chats: ÖVP will gegen Leaks vorgehen

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Die NEOS haben am Donnerstag die Veröffentlichung der als vertraulich klassifizierten Chatprotokolle des suspendierten Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek verteidigt. Für ÖVP-Abgeordneter Andreas Hanger ist "unmöglich, was da passiert". Für SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried diffamierte die ÖVP systematisch die Justiz.

Die Veröffentlichung der als vertraulich klassifizierten Chatprotokolle des suspendierten Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek sei im "Interesse der Republik notwendig gewesen, um die Integrität der Justiz und des Verfassungsgerichtshofes sicherzustellen", verteidigte NEOS-Generalsekretär Nick Donig den Leak der Chats am Donnerstag. 

Am Freitag äußerte sich der Fraktionsführer der ÖVP im Ibiza-U-Ausschuss, Andreas Hanger, zu dem Sachverhalt. Er sprach davon, dass der "Rechtsstaat hier mit Füßen getreten" werde und warf den NEOS vor, sich "zur Spitzelpartei" zu entwickeln. Inhaltlich lehne er die Chatprotokolle ab, Konsequenzen für Pilnacek forderte Hanger aber nicht. Außerdem merkte er an, dass es sich um eine "persönliche Kommunikation" handle. 

Die Chatprotokolle hatten am vergangenen Dienstag den Weg an die Öffentlichkeit gefunden und waren in mehreren Medien veröffentlicht worden. Darin bezeichnet Pilnacek, gegen den wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs ermittelt wird, unter anderem die WKStA als "missraten" und kritisiert den VfGH für dessen Entscheidungen zur Sterbehilfe und zum Kopftuchverbot an Volksschulen. Die Nachrichten stammen aus dem beschlagnahmten Handy des suspendierten Sektionschefs und waren am vergangenen Montag an den U-Ausschuss geliefert worden.

Melichar: "Wörter sind die Kleider unserer Gedanken"

Stefan Melichar, Journalist bei "Profil", sagt im PULS 24 Interview ganz klar zu den Chat-Nachrichten: "Die Öffentlichkeit hat jedes Recht das zu erfahren"

Hangers Anmerkung, dass es sich bei den Chats um eine "persönliche Kommunikation" handle, widerspricht "Profil"-Journalist Stefan Melichar im PULS 24 Interview. Für ihn sei es "unzweifelhaft", dass "alle diese Chat-Nachrichten von höchstem öffentlichem Interesse sind". Es könne keine "reine Privatsache" sein, wenn sich Vertreter des Rechtsstaats über diese Institutionen auslassen, erklärt er weiters. Diese Nachrichten würden eine "Grundhaltung" zeigen.

SPÖ attackiert ÖVP

Mit scharfer Kritik an der ÖVP hat sich am Freitag SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried zu Wort gemeldet. Er warf den Türkisen vor, "Krieg" gegen die Justiz zu führen und diese "systematisch zu diffamieren". Brandstetters Rücktritt sei nur der erste, "es werden weitere folgen", sagte Leichtfried und nannte Finanzminister Gernot Blümel und ÖBAG-Chef Thomas Schmid als potenzielle Rücktrittskandidaten. "Das System Kurz beginnt anständig zu bröckeln, wobei anständig hier das falsche Wort ist", so Leichtfried.

Die Reaktion der ÖVP auf den Rückzug Brandstetters bezeichnete er als "skrupellos". Anstelle des ÖVP-Fraktionsführers im U-Ausschuss Andreas Hanger würde er "zerknirscht in sich gehen" und sich "schämen für die Respektlosigkeit", die die ÖVP der Justiz und dem Rechtsstaat gegenüber lege. Stattdessen greife die ÖVP die Justiz weiter an. "Die ÖVP führt eine Art Krieg gegen die WKStA und damit gegen den Rechtsstaat."

Er forderte Justizministerin Alma Zadic (Grüne) auf, "dem entgegen zu treten, damit die Richter und Staatsanwälte wissen, dass jemand hinter ihnen steht". Die SPÖ fordere zudem, mehr Personal und mehr Geld für die WKStA und die Verlängerung des Ibiza-U-Ausschusses. Dass die NEOS vertrauliche Akten aus dem U-Ausschuss hinausgespielt haben, kommentierte Leichtfried nur knapp: Die SPÖ würde sich an die Gesetze halten.

Klenk: Pilnacek gibt "erbämliches Bild" ab

"Falter"-Chefredakteur Florian Klenk im PULS 24 Interview zu den Chatverläufen, die Interventionsversuche des suspendierten Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek zeigen.

Keine Konsequenzen für NEOS wegen Leak

Man habe die Sache jedenfalls der Parlamentsdirektion zur Kenntnis gebracht, erklärte Hanger. Den NEOS drohen allerdings vorerst keine Konsequenzen. Strafbar wäre eine Veröffentlichung erst ab der Klassifizierungsstufe 3 ("geheim"). Die betroffenen Akten sind in Stufe 2 ("vertraulich") eingeordnet - eine Sanktionsmöglichkeit wäre hier ein Ordnungsruf des Ausschussvorsitzenden, also von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP).

NEOS-Generalsekretär Nikola Donig, der die Veröffentlichung eingeräumt hat, ist aber kein Mitglied des U-Ausschusses und kann daher auch keinen Ordnungsruf bekommen, wie ein Parlamentssprecher auf APA-Anfrage erklärte. Möglich wäre ein Ordnungsruf theoretisch für jene Person (aus dem Ausschuss), die Donig die Akten gegeben hat - aber "dafür gibt es aktuell keine klare nachweisbare Verantwortlichkeit".

Stimmung zwischen NEOS und ÖVP vergiftet

Donig erklärte am Donnerstag, dass die ÖVP versuche aus der Veröffentlichung einen Skandal zu konstruieren, sei das Bemühen, "mit allen Mitteln vom tatsächlichen Skandal abzulenken". Vielmehr sollte die ÖVP Aufklärung von Pilnacek und seinem Chatpartner, dem ehemaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) verlangen. 

"Die NEOS brechen Gesetze, um Chats zu leaken", sagte Hanger am Freitag. Er fragte, was nach der Veröffentlichung von streng vertraulichen Dokumenten der nächste Schritt sei: "Ruft man dann auf zur Anarchie?". Gefragt, ob er ausschließen könne, dass auch die ÖVP Dokumente aus dem Ausschuss an Journalisten weitergebe, meinte Hanger: "Von meiner Seite schließe ich das zu hundert Prozent aus."

Raidl analysiert Pilnacek-Chats

PULS 24 Politik Chefreporterin Manuela Raidl analysiert die publik gewordenen Chatverläufe von Christian Pilnacek.

Donig rechtfertigte die Veröffentlichung der vertraulichen Protokolle damit, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat zu erfahren, wenn einer der höchsten Beamten in der Justiz einem Verfassungsrichter schreibt: "Einem vom VfGH fehlgeleiteten Rechtsstaat kann man nicht mehr dienen".

Denn diese Nachrichten belegten, dass ein "ÖVP-naher Spitzenbeamter der Justiz die Erkenntnisse des VfGH nicht respektiert und die verfassungsmäßigen Institutionen der Republik und den Rechtsstaat als solchen infrage stellt". Das sei eine "ernstzunehmende Gefahr", so Donig.

Die veröffentlichten Chats hätten niemals als "vertraulich" gelten dürfen, argumentierte Donig. Falls es für die Veröffentlichung einen Ordnungsruf geben sollte, werde diesen "jeder ordentliche Demokrat_in natürlich akzeptieren", rechtfertigte Donig die Veröffentlichung.

Brandstetter tritt als Verfahrensrichter ab

Nachdem der Veröffentlichung der Chats zwischen Pilnacek und Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter zog Brandstetter daraus die Konsequenzen und gab am Donnerstag seinen Rückzug bekannt.

Brandstetter wird sein Amt als Höchstrichter freiwillig zurücklegen. Ende Juni soll er den Verfassungsgerichtshof (VfGH) verlassen. Damit wolle er einen persönlichen Beitrag dazu zu leisten, dass der Verfassungsgerichtshof besser aus der tagespolitischen Diskussion herausgehalten werden kann, begründete Brandstetter seine Entscheidung in einer schriftlichen Stellungnahme. Grabenwarter nahm den Rückzug in einer schriftlichen Stellungnahme "zur Kenntnis".

ribbon Zusammenfassung
  • Die NEOS haben am Donnerstag die Veröffentlichung der als vertraulich klassifizierten Chatprotokolle des suspendierten Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek verteidigt.
  • Die Veröffentlichung der als vertraulich klassifizierten Chatprotokolle sei im "Interesse der Republik notwendig gewesen, um die Integrität der Justiz und des Verfassungsgerichtshofes sicherzustellen, sagte NEOS-Generalsekretär Donig.
  • Donig rechtfertigte die Veröffentlichung der vertraulichen Protokolle damit, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat zu erfahren, wenn einer der höchsten Beamten in der Justiz einem Verfassungsrichter schreibt.
  • Für ÖVP-Abgeordneter Andreas Hanger ist "unmöglich, was da passiert".
  • Am Freitag äußerte sich der Fraktionsführer der ÖVP im Ibiza-U-Ausschuss, Andreas Hanger, zu dem Sachverhalt. Er sprach davon, dass der "Rechtsstaat hier mit Füßen getreten" werde und warf den NEOS vor, sich "zur Spitzelpartei" zu entwickeln. 

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