IS-Radikalisierung
Terrorprozess: 15-Jähriger plante Anschlag auf Westbahnhof
Innerhalb weniger Monate soll sich ein Wiener Schüler zum mutmaßlichen Terroristen radikalisiert haben: Der heute 15-Jährige plante laut Anklage einen Anschlag am Westbahnhof – mit "Sprengstoff, Schuss- oder Stichwaffen". Sogar eine Geiselnahme stand im Raum.
Doch das besorgniserregende TikTok-Profil des Burschen brachte die Behörden schließlich auf seine Spur - er wurde im Februar festgenommen. Am Montag steht er unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen vor Gericht.
"Er wollte ein Blutbad anrichten", sagte der Staatsanwalt. Der Angeklagte war zu den Terror-Vorwürfen geständig.
Angeklagter: "Stehe zu meinen Fehlern"
"Ich stehe zu meinen Fehlern", sagte der körperlich schmächtige 15-Jährige, der mit schulterlangen schwarzen Haaren und in einem hellblauen Hemd die Fragen des vorsitzenden Richters beantwortete.
"Wir haben es ungeachtet des kindlichen Angeklagten mit einer sehr, sehr hohen Gewaltbereitschaft zu tun", betonte der Staatsanwalt. Der damals 14-Jährige, dessen Eltern keine streng gläubigen Muslime sind, hätte sich im vergangenen Sommer über TikTok radikalisiert.
Der Staatsanwalt sprach in diesem Zusammenhang von einem "traurigen Beispiel für Online-Radikalisierung, wie sie im Buche steht".
Schüler bestellte im Herbst 2024 Schusswaffe im Internet
Nachdem er sich dem IS zugewandt und im Internet eine Anleitung zum Bombenbauen gefunden und dazu handschriftliche Notizen angefertigt hatte, bestellte sich der Bursch im November 2024 über eine deutsche Online-Börse eine Schusswaffe. Konkret wollte er eine Glock 17 oder eine Glock 19 besitzen. "Die ist Gott sei Dank nicht geliefert worden", führte der Staatsanwalt aus.
Aufgrund dessen hätte der Angeklagte im Jänner den geänderten Plan gefasst, einem Verkehrspolizisten die Dienstwaffe zu entreißen und den Beamten mit einem Messer zu erstechen.
Der Schüler hatte laut Anklage zu Hause mehrere Kampfmesser liegen, die zu besorgen offenbar kein schwieriges Unterfangen war. Mit der Waffe des getöteten Polizisten wollte der Bursch laut Anklage Passanten bzw. Ungläubige töten.
Bei einer Hausdurchsuchung in der elterlichen Wohnung fanden die Ermittler:innen auch eine handschriftlich angefertigte Skizze des Angeklagten.
Der 15-Jährige bestätigte das in seiner Beschuldigteneinvernahme. Er habe die Absicht gehabt, "das in meiner Wohnumgebung zu machen". In diesem Zusammenhang nannte der Angeklagte eine konkrete Polizeiinspektion, die "ums Eck" liege.
Ab Ende Jänner Westbahnhof "primäres Anschlagsziel"
Davon rückte der Schüler ab, nachdem er in der zweiten Jänner-Hälfte über einen einschlägigen Chat in Kontakt mit einem zwar namentlich bekannten IS-Kontaktmann gekommen war, dessen Identität jedoch noch nicht ausgeforscht werden konnte. Von diesem Zeitpunkt an sei der Westbahnhof als "primäres Anschlagsziel" in den Fokus gerückt, stellte der Staatsanwalt fest.
Der Ankläger skizzierte den Teenie als einen immens gefährlichen und gewaltaffinen IS-Fanatiker. Er sprach von einem "verheerenden Gesamtbild", das der Angeklagte abgebe.
"Bin froh, dass ich es nicht gemacht habe"
"Es war ein sehr großer Fehler", meinte der Angeklagte zu den Anschlagsplänen. Auf die Frage des Richters, ob er bereit gewesen wäre, für seine Pläne zu sterben, erwiderte der 15-Jährige: "Ich wäre nicht bereit. Ich hatte keinen Mut dazu. Ich bin froh, dass ich es nicht gemacht habe."
Verteidigerin begrüßte Festnahme des Angeklagten
Der Schüler war nach länderübergreifenden Ermittlungen am 10. Februar in der elterlichen Wohnung in Währing festgenommen worden. Verteidigerin Anna Mair begrüßte das in ihrem Eröffnungsplädoyer.
So sei ihr Mandant von seinem "Hass auf alles" und der "Spirale", in der er sich befunden hätte, weggekommen. Laut Anklage hatte der 15-Jährige wenige Tage vor seiner Festnahme dem noch auszuforschenden IS-Vertreter bekräftigt, den Anschlag im Sommer durchzuführen. "Umsetzen wollte er das nicht unmittelbar. Erst im Sommer. Er war zu feig", sagte Mair dazu.
Der Bursch hatte sich seit August 2024 das Gedankengut des IS zu eigen gemacht haben. Nachdem er sich im Internet Pläne zur Herstellung von Sprengstoff und Bomben beschafft hatte, erwarb er in einem Baumarkt dafür erforderliche Utensilien und konsumierte Online-Tutorials, um mehr über die Herstellung von explosiven Stoffen zu erfahren.
Auch im Gefängnis aufgefallen
Auch während der Untersuchungshaft fiel der Jugendliche auf: Er soll am 23. Mai eine tätliche Auseinandersetzung mit einem Mithäftling gehabt und diesen dabei verletzt haben.
Nach der Auseinandersetzung soll er angekündigt haben, dass er nach seiner Enthaftung den Klassenlehrer "schlachten" werde. Der Angeklagte bestreitet die gefährliche Drohung. Demnach habe der verprügelte Mithäftling sich mit diesem falschen Gerücht an ihm "rächen" wollen.
Anklage umfasst eine Reihe von terroristischen Straftaten
Vor Gericht muss sich der 15-Jährige am Montag wegen zahlreicher Delikte verantworten.
Konkret werden ihm folgende Delikte zur Last gelegt:
- die Vorbereitung einer terroristischen Straftat - nämlich ein Verbrechen mit Sprengmitteln - im Sinne des § 278c StGB
- terroristische Vereinigung
- die versuchte Ausbildung für terroristische Zwecke
- die Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat
- das Verbrechen der kriminellen Organisation
- Körperverletzung und gefährliche Drohung
Nach seiner Einlieferung in die Justizanstalt Josefstadt soll sich der Jugendliche zu den Terror-Vorwürfen tatsachengeständig gezeigt haben.
Video: Anschlag am Westbahnhof geplant: "Gefahren lauern immer"
Zusammenfassung
- Blutige Zeichnungen, Baupläne für Bomben und ein klares Anschlagsziel: der Westbahnhof in Wien.
- Am Montag muss sich ein 15-Jähriger am Wiener Landesgericht verantworten.
- Er soll Anhänger der Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) sein und fiel auch in Untersuchungshaft durch Gewalt auf.