Sechs Monate bedingt
Pride-Terrorpläne: Dünne Beweislage, aber erste Strafe
In Wien zogen Zehntausende feiernd über den Ring, als am 17. Juni 2023 in St. Pölten und Wien die Wohnungen von drei jungen Erwachsenen gestürmt wurden.
Dass die drei jungen Männer festgenommen wurden, weil sie Anschlagspläne gegen die Pride-Parade geplant haben sollen, erfuhren die Demonstrierenden erst am Tag danach in einer Pressekonferenz von DSN und Innenministerium. Man habe einen Anschlag verhindert, hieß es da noch.
Am Dienstag, über zwei Jahre danach, saßen die drei jungen Männer im Alter von 16, 19 und 22, die älteren davon sind Brüder, nun am Landesgericht St. Pölten auf der Anklagebank.
In Hemden oder Polo-Shirts, mit frisch rasierten Kurzhaarfrisuren, in modernen Sneakern und ohne große Emotionen verfolgten sie die Ausführungen von Staatsanwalt und ihrer Verteidiger:innen.
Terroristische Vereinigung und kriminelle Organisation
Es ging unter anderem um die Frage, ob hier der Beginn einer klassischen Onlineradikaliserung verhindert wurde, oder ob die Anklage nur "auf Unterstellungen" beruhe, wie etwa die Anwältin des Zweitangeklagten kritisierte.
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Selbst der Staatsanwalt stellte sogleich klar, dass es hier nicht um konkrete Anschlagspläne gegen die Pride-Parade gehe. Von diesem Vorwurf blieb wenig über. Aus der Untersuchungshaft kamen die drei damals schon nach wenigen Tagen frei – sie befinden sich auf freiem Fuß und bleiben das auch nach dem Prozess.
Terroristische Vereinigung und kriminelle Organisation wurde den drei Angeklagten dennoch weiterhin vorgeworfen. Beim dritten Angeklagten – dem Jüngsten – kommen noch die Anleitung zu einer terroristischen Straftat, Körperverletzung und Nötigung hinzu.
Hinweise aus dem Ausland
Der Anklagevertreter erklärte, wie es überhaupt so weit kam: Die DSN habe einen Hinweis von einem ausländischen Partnerdienst bekommen. Demnach seien die Angeklagten in einer Telegram-Gruppe gewesen, in der es um die angeblichen Anschlagspläne gegangen sei. Der Erstangeklagte habe dort in den Raum gestellt, sich in Tschechien eine AK47 besorgen zu können, um einen Anschlag zu verüben.
Bei den folgenden Hausdurchsuchungen konnten allerdings keine Beweise dafür sichergestellt werden, dass es einen konkreten Plan für die Pride gegeben habe. Die Mitgliedschaft in der Gruppe mache sie jedoch zum Teil des "Islamischen Staat - Provinz Khorasan" (ISPK), so die Anklage. In der Gruppe seien schließlich auch ein radikalisierter Ukrainer und ein Belgier gewesen.
"Schlimme Sachen" sichergestellt
Sichergestellt wurden außerdem vor allem beim Jüngsten doch "schlimme Sachen", wie selbst sein Anwalt Andreas Schweitzer einräumte. Er habe sich für die Ausreise nach Syrien interessiert und Bombenbaupläne heruntergeladen, gab er zu.
Andreas Schweitzer
Der 16-Jährige war der Einzige, der sich teilweise schuldig bekannte. Er habe sich eben für den IS und den Ukraine-Krieg interessiert, führte Schweitzer aus. Erklärungen zu diesen Phänomenen habe er nur im Internet, in den Chat-Gruppen, gefunden.
Durch das Einschreiten von DSN und Staatsanwaltschaft sei eine klassische Onlineradikalisieurng verhindert worden, fand der Anwalt ungewöhnlich lobende Worte für die Behörden.
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Durch die Gespräche mit DSN, dem Gericht und einer Deradikalisierungsstelle habe sein Mandant, damals erst 14 Jahre alt, nun eine vernünftige Sichtweise auf den IS gefunden, versicherte Schweitzer. Hätte man nicht eingegriffen, wäre sein Mandant womöglich "noch tiefer hineingerutscht", räumte er ein.
Scharfe Kritik an DSN
Ansonsten verloren die drei Verteidiger:innen kein gutes Wort über die DSN. Schweitzer meinte, dass der Staatsschutz die Pressekonferenz nutzte, um Werbung für den "Bundestrojaner" zu machen. Die Hinweise des ausländischen Nachrichtendienstes seien nie vorgelegt worden, kritisierte er.
Die nachrichtendienstlichen Hinweise hätten nie beim Staatsschutz landen dürfen. Die Angeklagten hätten zum Zeitpunkt der Festnahme geschlafen, gar nicht gewusst, dass in Wien gerade die Pride-Parade über den Ring zieht.
"Ich bin der Ansicht, dass diese Anklageschrift auf Unterstellungen beruht", sagte die Anwältin des Zweitangeklagten. Das Bild, das in der Öffentlichkeit gezeichnet worden sei, entspreche nicht der Realität. Fakten seien verdreht worden, meinte sie.
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Auch der Anwalt des Erstangeklagten beklagte, dass es schlicht keine Beweise gebe für Anschlagspläne. Das Brüderpaar will auch gar nicht in der Telegram-Chatgruppe namens "psychology 1444" gewesen sein. Auch dafür gebe es keine Beweise.
Gesten wie den erhobenen Tauhid-Finger oder Nicknamen bei Computerspielen, die die Staatsanwaltschaft an IS-Größen erinnerten, spielten die Verteidiger:innen als Humor oder Jugendkultur herunter. Sichergestellt worden seien nur Dinge, "die in keiner Weise dem Waffengesetz unterliegen" wie etwa Softguns.
Der Anwalt des Erstangeklagten richtete sein Eröffnungsplädoyer auch an die Öffentlichkeit. Er sei dankbar, dass er nun klarstellen könne, dass es für die angeblichen Pride-Anschlagspläne keine Beweise gebe.
"Auf Sie wird ein Auge geworfen"
Er beantragte dann aber den Ausschluss der Öffentlichkeit, weil sein Mandant unter den Vorwürfen schon genug gelitten habe. Das Gericht gab dem Recht – Zuseher:innen mussten den Saal verlassen.
Fertig verhandelt wurde hinter verschlossenen Türen schließlich am Dienstag nur der teilgeständige 16-jährige Drittangeklagte. Er wurde wegen krimineller Organisation und terroristischer Vereinigung und wegen der Körperverletzung an einem Grundwehrdiener schuldig gesprochen. Nicht wegen Anschlagsplänen, sondern vor allem wegen der Bombenanleitungen.
Die Haftstrafe von sechs Monaten wird ihm bedingt auf eine Bewährung drei Jahre nachgesehen. Der Schuldspruch ist nicht rechtskräftig. "Ich werde mir die nächsten drei Jahre ansehen. Auf Sie wird ein Auge geworfen werden, sollte nur eine kleinste Kleinigkeit passieren, dann kommt eine neue Sanktion auf sie zu", sagte der Richter.
Für die anderen beiden, sie bestreiten alle Vorwürfe, geht es wohl erst im August weiter.
Andreas Schweitzer im Interview.
Zusammenfassung
- Drei junge Männer im Alter von 16, 19 und 22 Jahren mussten sich in St. Pölten wegen angeblicher Anschlagspläne gegen die Wiener Pride-Parade 2023 vor Gericht verantworten.
- Für konkrete Anschlagspläne gab es keine Beweise, weshalb niemand deswegen verurteilt wurde.
- Ein 16-Jähriger wurde wegen krimineller Organisation, terroristischer Vereinigung, Körperverletzung zu sechs Monaten bedingter Haft auf drei Jahre verurteilt.
- Die Ermittlungen basierten auf einem Hinweis eines ausländischen Nachrichtendienstes, konkrete Beweise für einen Anschlagsplan oder Waffenbesitz wurden jedoch nicht gefunden.
- Die Verteidigung kritisierte die DSN scharf und warf ihr vor, die öffentliche Darstellung übertrieben und Fakten verdreht zu haben.