APA/APA/MARKUS STEGMAYR/MARKUS STEGMAYR

Zillertal

Messermord bei tagelangem Drogenkonsum - 20 Jahre Haft

12. Mai 2025 · Lesedauer 5 min

Ein 46-Jähriger ist am Montag am Landesgericht Innsbruck wegen des Verbrechens des Mordes zu 20 Jahren Haft verurteilt worden.

Das Geschworenengericht sah es als erwiesen an, dass der Tiroler Ende Oktober 2023 in seiner Wohnung in Fieberbrunn im Bezirk Kitzbühel einen 54-jährigen Bekannten mit einem Stich in den Hals vorsätzlich getötet hatte. Das Urteil war vorerst nicht rechtskräftig.

Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung gaben zunächst keine Erklärung ab. Der Wahrspruch der Geschworenen fiel mit acht zu null einstimmig auf Mord aus. Auch die Zusatzfrage nach Notwehr wurde einstimmig beantwortet und verneint.

Die vorsitzende Richterin Andrea Wegscheider begründete schließlich das Urteil und das Strafmaß. "Mildernd wurde gewertet, dass Sie unbescholten sind und zum Tatzeitpunkt unter Einfluss von Kokain standen und somit die Zurechnungsfähigkeit einschränkt war", so Wegscheider in Richtung des Angeklagten. Erschwerend müsse hingegen berücksichtigt werden, dass sowohl eine Waffe als auch Würgen im Spiel gewesen seien sowie mit "voller Wucht" zugestochen wurde.

Der Angeklagte, ein lokaler Unternehmer, hatte sich am ersten Verhandlungstag am 1. April "nicht schuldig" bekannt, sein Verteidiger Franz Essl sprach von einem "massiven Kampf" zwischen den Männern und damit "Notwehr" seines Mandanten.

Stich "in Bewegung"?

Seine Beweisanträge wurden am Montag allesamt abgewiesen. Solche Anträge des Verteidigers hatten am ersten Verhandlungstag zur Vertagung des Prozesses geführt. Am Montag stellte der Rechtsanwalt schließlich noch weitere Beweisanträge. Ein Großteil dieser bezog sich auf ein gerichtsmedizinisches Gutachten.

Staatsanwalt Hannes Wandl sprach sich indes für die Abweisung aus. "Es handelt sich hierbei um eine reine Würdigung der Beweismittel aus Verteidigerperspektive", sagte Wandl. Solche Ausführungen und Würdigungen hätten bereits "vor der Hauptverhandlung" getätigt worden müssen.

Der Verteidiger hatte in seinen Anträgen etwa eine Unzulänglichkeit des Gutachtens geortet. Beispielsweise sei nicht ausreichend geklärt worden, ob das Opfer zum Zeitpunkt des Stichs ohnmächtig gewesen sei. "Mein Mandant hat keine massive Gewalt angewandt, sondern sich einfach gewehrt", argumentierte Essl einmal mehr. Letzteres sei auch durch die Art der Einstichwunde belegbar, die zeige, dass der Stich "in Bewegung" des Opfers erfolgt sei, was wiederum auf eine Auseinandersetzung hinweise.

"Zuhälter und Drogenhändler"

Zu Prozessbeginn im April hatte der Staatsanwalt exakt dieses Szenario ausgeschlossen. Nach gemeinsamem, massivem Drogenkonsum sei es wohl nach einer Auseinandersetzung in der Wohnung des Angeklagten zunächst zu einem Würgen des Opfers des 54-Jährigen bis zur Bewusstlosigkeit und schließlich zu einem "tödlichen Stich in die rechte Halsseite" gekommen.

Der Verteidiger schilderte die Umstände hingegen gänzlich anders: "Mein Mandant hat eine Attacke von seinem mutmaßlichen Opfer abgewehrt und hatte Todesangst". Er habe sich beispielsweise mit einer E-Zigarette "vehement gewehrt", was körperlich beim Leichnam auch sichtbar sei. Den Getöteten bezeichnete der Anwalt als "Zuhälter und Drogenhändler", der mit der Lebensgefährtin des Angeklagten im Zuge eines Beziehungsstreits unter einer Decke gesteckt habe.

Notwehr oder absichtliche Tötung?

Am Montag kam man indes in der Verhandlung relativ schnell zu den Schlussplädoyers, ein Beweisverfahren wurde kaum mehr durchgeführt. Die Plädoyers nahmen vor allem Bezug auf die Tathandlung an sich und arbeiteten sich am Themenkomplex Notwehr versus absichtlicher Tötung ab.

Auf zweitere plädierte wenig überraschend Staatsanwalt Wandl: "Er hat ihn zweifelsfrei ermordet." Das gerichtsmedizinische Gutachten habe nämlich belegt, dass sich das Opfer des Angeklagten nicht wirklich gewehrt habe: "Es war vielmehr ein statisches Geschehen und somit keine Notwehr."

Gegenteilig argumentierte abermals der Verteidiger des Mannes: "Mein Mandant wurde gewissermaßen wachgewürgt, bekam keine Luft mehr und hat sich schließlich berechtigt zur Wehr gesetzt." Es gebe jedenfalls "berechtigte Zweifel" an der Anklage und damit am Tötungsvorsatz, weshalb es in der Mordfrage einen Freispruch geben müsse.

"Habe ihn nicht absichtlich getötet"

In seinem Schlusswort beteuerte auch der Angeklagte selbst noch einmal seine Schuldlosigkeit. "Ich habe ihn nicht absichtlich getötet, ich hatte ja überhaupt kein Motiv und keinen Grund", führte er aus. Seine eigenen Verletzungen, die er sich in der Auseinandersetzung mit seinem mutmaßlichen Opfer zugezogen habe, seien außerdem "zu spät" oder gar nicht dokumentiert worden, kritisierte er vor allem das gerichtsmedizinische Gutachten: "Wie hier agiert wird, ist grob fahrlässig".

In seiner Befragung Anfang April hatte der 46-Jährige von einem heftigen Streit berichtet, der sich unter anderem um Beziehungsdinge drehte und unter Einfluss von Kokain und Medikamenten stattfand. Es sei um nicht weniger als um Leben und Tod gegangen.

Vorangegangen sei diesem Konsum bei ihm zuhause der zweitägige gemeinsame "Genuss von Rauschmitteln" im Zillertal, bei dem man sich auch zum Teil "spätpubertär verhielt und Spaß hatte." Im Zuge der Rauferei habe er dann "mit voller Wucht irgendwohin gestochen": "Es war eine rein intuitive und instinktive Handlung."

Gerichtspsychiaterin attestierte Zurechnungsfähigkeit

Auch die vom Gericht beigezogenen Sachverständigen waren bereits am ersten Verhandlungstag zu Wort gekommen: Gerichtsmedizinerin Elke Doberent berichtete von einer "sehr starken Gewalteinwirkung". Der 54-Jährige sei aufgrund einer tiefen Einstichverletzung und seines anschließenden Verblutens verstorben. Dass der Angeklagte sein Opfer gewürgt habe, sei zudem unstrittig.

Gerichtspsychiaterin Adelheid Kastner attestierte dem Angeklagten jedenfalls "Zurechnungsfähigkeit". Es gebe "absolut keinen Hinweis auf eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder eine psychische Erkrankung." Zudem handelte der Mann "blitzschnell und gerichtet und war orientiert", was eine Unzurechnungsfähigkeit und auch eine Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit faktisch ausschließe.

Video: Ludwig fordert Messerverbot

Zusammenfassung
  • Ein 46-jähriger Tiroler wurde am Landesgericht Innsbruck wegen Mordes an einem 54-jährigen Bekannten zu 20 Jahren Haft verurteilt.
  • Die Geschworenen entschieden einstimmig mit 8:0 Stimmen, dass der Angeklagte den Mann Ende Oktober 2023 in Fieberbrunn vorsätzlich mit einem Stich in den Hals tötete.
  • Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da weder Staatsanwaltschaft noch Verteidigung eine Erklärung abgaben.
  • Der Angeklagte und sein Verteidiger argumentierten mit Notwehr und kritisierten das gerichtsmedizinische Gutachten, dessen Beweisanträge jedoch abgewiesen wurden.
  • Gerichtsmedizinerin und Gerichtspsychiaterin bestätigten eine sehr starke Gewalteinwirkung, Verbluten als Todesursache und die volle Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten.