Tödliche Messerattacke: Mordprozess in Tirol fortgesetzt
Solche Anträge des Verteidigers des Mannes, Franz Essl, hatten am ersten Verhandlungstag am 1. April zur Vertagung des Prozesses geführt. Am Montag stellte der Rechtsanwalt schließlich noch weitere Beweisanträge. Ein Großteil dieser bezog sich auf ein gerichtsmedizinisches Gutachten. Staatsanwalt Hannes Wandl sprach sich indes gegen die Abweisung aus. "Es handelt sich hierbei um eine reine Würdigung der Beweismittel aus Verteidigerperspektive", sagte Wandl. Solche Ausführungen und Würdigungen hätten bereits "vor der Hauptverhandlungen" getätigt worden müssen. Der Verteidiger hatte in seinen Anträgen etwa eine Unzulänglichkeit des Gutachtens geortet. Beispielsweise sei nicht ausreichend geklärt worden war, ob das Opfer zum Zeitpunkt des Stichs ohnmächtig gewesen sei. "Mein Mandant hat keine massive Gewalt angewandt, sondern sich einfach gewehrt", argumentierte Essl einmal mehr. Letzteres sei auch durch die Art der Einstichwunde belegbar, die zeige, dass der Stich "in Bewegung" des Opfers erfolgt sei, was wiederum auf eine Auseinandersetzung hinweise.
Zu Prozessbeginn im April hatte der Staatsanwalt exakt dieses Szenario ausgeschlossen. Nach gemeinsam Drogenkonsum sei es wohl nach einer Auseinandersetzung in der Wohnung des Angeklagten zunächst zu einem Würgen des Opfers des 54-Jährigen bis zur Bewusstlosigkeit und schließlich zu einem "tödlichen Stich in die rechte Halsseite" gekommen. Der Verteidiger schilderte die Umstände hingegen gänzlich anders: "Mein Mandant hat eine Attacke von seinem mutmaßlichen Opfer abgewehrt und hatte Todesangst". Er habe sich beispielsweise mit einer E-Zigarette "vehement gewehrt", was körperlich beim Leichnam auch sichtbar sei. Den Getöteten bezeichnete der Anwalt als "Zuhälter und Drogenhändler", der mit der Lebensgefährtin des Angeklagten im Zuge eines Beziehungsstreits unter einer Decke gesteckt habe.
Auch der Angeklagte selbst, ein lokaler Unternehmer, sprach vor den Geschworenen von einem heftigen Streit, der sich unter anderem um Beziehungsdinge drehte und unter Einfluss von Kokain und Medikamenten stattfand. Es sei um nicht weniger als um Leben und Tod gegangen. Vorangegangen sei diesem Konsum bei ihm zuhause der zweitägige gemeinsame "Genuss von Rauschmitteln" im Zillertal, bei dem man sich auch zum Teil "spätpubertär verhielt und Spaß hatte." Im Zuge der Rauferei habe er dann "mit voller Wucht irgendwohin gestochen": "Es war eine rein intuitive und instinktive Handlung."
Gerichtspsychiaterin attestierte Zurechnungsfähigkeit
Auch die vom Gericht beigezogenen Sachverständigen waren am ersten Verhandlungstag zu Wort gekommen: Gerichtsmedizinerin Elke Doberent berichtete von einer "sehr starken Gewalteinwirkung". Der 54-Jährige sei aufgrund einer tiefen Einstichverletzung und seines anschließenden Verblutens verstorben. Dass der Angeklagte sein Opfer gewürgt habe, sei zudem unstrittig. Gerichtspsychiaterin Adelheid Kastner attestierte dem Angeklagten jedenfalls "Zurechnungsfähigkeit". Es gebe "absolut keinen Hinweis auf eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder eine psychische Erkrankung." Zudem handelte der Mann "blitzschnell und gerichtet und war orientiert", was eine Unzurechnungsfähigkeit und auch eine Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit faktisch ausschließe.
Der 54-Jährige war in der Wohnung des Angeklagten mit Stichverletzungen am Hals aufgefunden worden. Zur Tat soll es im Zuge eines Streits mit einem Küchenmesser gekommen sein, die beiden Männer kannten einander. Der 46-Jährige stand laut Polizei unter dem Einfluss von Rauschmitteln. Mutmaßlich wollte das spätere Opfer zwischen dem Beschuldigten und seiner Lebensgefährtin in einer Beziehungskrise "vermitteln", damit es im Beziehungsstreit zu einer "außergerichtlichen Einigung" kommen könne. Im Falle einer Verurteilung drohte dem Angeklagten eine bis zu lebenslange Haft.
Zusammenfassung
- Nach einer tödlichen Messerattacke auf einen 54-Jährigen Ende Oktober 2023 in Fieberbrunn (Tirol) wurde am Landesgericht Innsbruck der Mordprozess gegen einen 46-jährigen Einheimischen fortgesetzt.
- Alle Beweisanträge der Verteidigung, die sich unter anderem auf ein gerichtsmedizinisches Gutachten bezogen, wurden am Montag abgewiesen, während der Angeklagte weiterhin auf Notwehr plädiert.
- Gerichtsmedizinerin und Gerichtspsychiaterin bestätigten eine 'sehr starke Gewalteinwirkung' und uneingeschränkte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten; im Falle einer Verurteilung droht lebenslange Haft.