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Nach Bankraub: 10 Jahre Haft für den Menschenfänger von Wien
"Das ist ein Überfall! Wo ist das Geld?", schrien zwei junge Burschen aus Oberösterreich, als sie vor genau einem Jahr, am 30. September 2024, eine Bank in Linz stürmten.
Sie wurden deswegen bereits zu Haftstrafen verurteilt. Doch erst am Dienstag ging am Wiener Landesgericht der Prozess gegen den Drahtzieher ins Finale.
Dem 25-jährigen Angeklagten wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, den Bankraub als "Mastermind" geplant zu haben. Außerdem soll er einen Teil des erbeuteten Geldes - rund 78.000 Euro - nach Wien gebracht haben.
Auto und Grundstück mit Beute gekauft
Angeklagt wurde er auch wegen Geldwäsche, denn er soll sich mit der Beute - obwohl er keinen Führerschein besitzt - einen Mercedes und ein Grundstück in Ungarn gekauft haben.
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Der Prozess sorgte am Landesgericht für Aufsehen. Polizisten bewachten den Saal, der Verfassungsschutz beobachtete. Denn bei dem Hauptangeklagten, Abubakar D., handelt es sich um keinen Unbekannten. PULS 24 und der "Standard" berichteten bereits ausführlich.
Der zweifach vorbestrafte Tschetschene aus Wien-Favoriten bekannte sich am ersten Prozesstag nicht schuldig und blieb bis zuletzt bei dieser Überzeugung.
Er habe nicht gewusst, was sich in der Tasche befinde, die ihm seine Freunde in Linz kurz nach dem Überfall in einem Park in die Hände drückten. Erst in Wien habe er bemerkt, wie viel Geld darin sei. Er habe die Scheine dann der Familie des zu diesem Zeitpunkt bereits festgenommenen Oberösterreichers übergeben wollen. Das habe aber nicht geklappt, führte er aus.
Die beiden Oberösterreicher, die am ersten Prozesstag unter strenger Polizeibewachung in Fesseln vorgeführt worden waren, unterstützten seine Version. Bestätigend nickten sich die drei während ihrer Ausführungen immer wieder zu.
Die Beute als "Überraschung"
Am Dienstag sollte nun geklärt werden, warum D. an jenem Tag im September überhaupt - kurz nach den beiden Bankräubern - mit dem Zug von Wien nach Linz fuhr. Am ersten Prozesstag nannte er plötzlich eine Freundin, die er habe treffen wollen. Die beiden Bankräuber habe er nur getroffen, weil sie ihm eine "Überraschung" angekündigt hätten - die Tasche mit dem Geld.
Am Dienstag erschien die Freundin dann tatsächlich als Zeugin am Landesgericht. Hilfreich war sie dem Angeklagten nicht wirklich. Sie erzählte von Treffen in Linz - allerdings hätte D. dabei auch einmal seine Jacke geöffnet, wo er mehrere hundert Euro versteckt gehabt hätte.
"Schlechter Kriminalroman"
Der Angeklagte sprach von einem "Fluch der Zeit", weil sich seine vermeintlichen Zeug:innen an so manches nicht mehr erinnern konnten und ersuchte, auch seine "Seite der Medaille" zu betrachten.
Doch der Richter bezeichnete die Aussagen der Zeug:innen am Ende als Darstellung des "Reinhardt-Seminars", als Schauspielerei also. Die Version des Angeklagten klinge "wie ein schlechter Kriminalroman".
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach nur kurzer Beratung zu 10 Jahren Haft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Angeklagte kündigte Beschwerde an, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab.
Der "Rattenfänger" muss zehn Jahre in Haft
Mit Abubakar D. geht ein für die Strafverfolgungsbehörden nicht Unbekannter nun für längere Zeit ins Gefängnis. Auch die Staatsanwältin, die auch in Sachen Terrorismus ermittelt, sagte in ihrem Schlussplädoyer, dass es sich bei D. um einen "Rattenfänger" handeln würde, der im Hintergrund die Fäden ziehe.
Er trete eloquent auf und suche sich junge Menschen, die das nicht seien, die dann für ihn tätig werden würden. Ob aus Angst oder Loyalität, könne sie nicht sagen.
Der 25-Jährige ist zweifach vorbestraft: Weil er IS-Propaganda verbreitete und weil er mit einer Gaspistole einen Mann anschoss.
Eine seiner Haftstrafen saß er mit dem späteren Attentäter Kujtim F. ab, der 2020 in der Wiener Innenstadt vier Menschen tötete und von der Polizei erschossen wurde. "Wir waren Freunde", sagte D., als er nach dem Anschlag als Zeuge befragt wurde.
PULS 24 und der "Standard" berichteten über den Tschetschenen ausführlich und nannten ihn einen Menschenfänger, weil er es immer wieder schaffte, junge Kriminelle und Islamisten um sich zu scharren und auch deshalb in diversen einschlägigen Ermittlungsakten auftaucht: Er organisierte etwa Personal für den Aufbau des schließlich abgesagten Taylor-Swift-Konzerts in Wien.
Einer jener Männer, die er schickte, wurde vergangene Woche wegen Terrorismus zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt.
Außerdem taucht er in den Ermittlungsakten rund um die Meidlinger Schutzgeldbande auf, weil die jungen Kriminellen laut Chats D. von ihren Taten berichten wollten. In beiden Fällen wird D. nicht als Verdächtiger geführt.
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Ein weiterer Prozess kann auf ihn aber im Falle der Bandenauseinandersetzungen zwischen Syrern und Tschetschenen auf den Straßen Wiens zukommen. Laut Ermittlern könnte D. - auch über eine Telegramgruppe - der Drahtzieher hinter einer blutigen Schlägerei am Bahnhof Meidling sein.
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Zusammenfassung
- Der Name Abubakar D. taucht in Ermittlungsakten rund um das geplante Attentat gegen das Taylor-Swift-Konzert, die Auseinandersetzungen zwischen Syrern und Tschetschenen oder die Meidlinger Schutzgeldbande auf.
- Nun wurde er allerdings wegen eines Bankraubs in Linz zu 10 Jahren Haft verurteilt.