Kärnten
Polizeieinsatz am Peršmanhof: Runder Tisch am Mittwoch
Am Peršmanhof in Bad Eisenkappel in Kärnten hatten am 25. April 1945 Teile einer Spezialeinheit des SS-Polizeiregiments ein Massaker an elf kärntner-slowenischen Zivilist:innen verübt.
Heute befinden sich dort eine Gedenkstätte und ein Museum, wo am vergangenen Wochenende ein Antifa-Jugendcamp mit Workshops anlässlich des 80. Gedenkjahres an das Ende des Zweiten Weltkrieges stattfand. Veranstaltet wurde dies, wie auch schon im Vorjahr, vom Klub Slowenischer Studierender in Wien (KSŠŠD). Rund 60 Personen sollen daran teilgenommen haben.
Hunde, Drohnen, Hubschrauber
Am Sonntag gegen 11 Uhr tauchten vor Ort laut Aussendung des Vereins Peršman, der die wissenschaftliche Aufarbeitung und die inhaltliche Vermittlung der Museumsinhalte verantwortet, plötzlich "sieben Polizeifahrzeuge, über 30 - teils schwer bewaffnete - Polizeikräfte", begleitet von "Polizeihubschrauber, Drohnen und einer Polizeihundestaffel" auf.
Die Polizei begründete den Einsatz zunächst in einer Aussendung mit dem Verdacht auf Verwaltungsübertretungen. Alle Teilnehmer:innen hätten Identitätsfeststellungen verweigert, was von Teilnehmer:innen abgestritten wird.
Die Polizei habe dann laut eigenen Angaben "vorsorglich" Verstärkung angefordert. Von Beginn sind auch Beamt:innen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und Vertreter:innen der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt dabei gewesen.
Drei Personen seien vorläufig festgenommen, nach kurzer Zeit aber wieder freigelassen worden, hieß es von der Polizei am Sonntag. Es würden mehrere Anzeigen wegen diverser Verwaltungsübertretungen folgen.
Eine Person verletzt
Laut Aussendung der Polizei seien Beamt:innen zunächst daran gehindert worden, in das Museumsgebäude zu gelangen. Als die Polizei das Gebäude schließlich doch betreten konnte, sollen weitere Personen versucht haben, in das "überfüllte" Gebäude zu drängen.
Eine Person sei verletzt worden, als Beamt:innen versuchten, die Türe zu schließen. Die Person musste vor Ort von der Rettung versorgt werden - und wird laut Polizei wegen des Verdachts des Widerstands gegen die Staatsgewalt angezeigt. Der Einsatz dauerte bis 15.30 Uhr.
62 Verwaltungsübertretungen
Auf PULS 24 Anfrage zu weiteren Hintergründen des Einsatzes, antwortete die Landespolizeidirektion Kärnten am Montag vorerst nicht. In einer weiteren Presseaussendung teilte man nur mit, dass es insgesamt "vorläufig" zu 62 Verwaltungsübertretungen und zwei Widerständen gegen die Staatsgewalt gekommen sein. Man habe 32 Identitätsfeststellungen und zwei Personendurchsuchungen durchgeführt.
Die Übertretungen erfolgten nach dem Naturschutzgesetz und nach dem Kärntner Campingplatzgesetz, außerdem wurden Anstandsverletzungen festgestellt.
Die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt gab gegenüber APA und ORF kein Statement ab. Anwalt Rudi Vouk will eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs erstatten.
Einsatz "reißt Wunden auf"
Laut dem Verein Peršman wurde der Einsatz vor Ort von Beamt:innen mit Verstößen gegen das Campinggesetz und Naturschutz begründet. Der Einsatzleiter, bei dem es sich um einen Vertreter des Landesamts für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) gehandelt haben soll, habe auch gesagt, dass ein antifaschistisches Bildungscamp einen sittenwidrigen Umgang mit der Gedenkstätte darstelle.
Der Verein kritisierte den Einsatz als "pietät- und respektlos". Das Camp habe sich auf einem Privatgrundstück befunden und werde von der Gedenkstätte unterstützt.
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Bernard Sadovnik, Vorsitzender des Volksgruppenbeirates und ein Nachfahre der vor 80 Jahren Ermordeten, sagte: "So ein massiver Polizeieinsatz genau 80 Jahre nach dem Massaker reißt bei mir als Nachkomme Wunden auf."
Die Causa wird zum Politikum. Die Südkärntner Regionalpartei Enotna Lista ortet in einer Aussendung "eine gezielte Aktion, die enormes Potenzial hat, wieder Unfrieden in unser Land zu bringen". Als politische Organisation der Volksgruppe der Kärntner Slowen:innen sei man über derartiges Vorgehen der Staatsgewalt 80 Jahre später "zutiefst erschüttert", der Innenminister werde aufgefordert, die Hintergründe der "gezielten Aktion" offenzulegen.
Die Grünen kündigten noch am Sonntag parlamentarische Anfrage an. Lukas Hammer, Sprecher für Gedenkpolitik und Rechtsextremismus, übte in einer Aussendung Kritik am Bezirkshauptmann von Völkermarkt: "Es scheint kein Zufall, dass der Einsatz beim Peršmanhof über den Tisch des Völkermarkter Bezirkshauptmanns gegangen ist. Jener Behördenleiter, der über Jahre das faschistische Ustaša-Treffen in Bleiburg-Pliberk ermöglichte und es bis zu seiner Einstellung verteidigte. Vergleichbare massive Polizeieinsätze beim faschistischen Treffen gab es trotz mehrerer dokumentierten Verstöße kein einziges Mal."
Am Montag postete der Politiker, dass der stellvertretende Landespolizeidirektor nicht wisse, wer den Einsatz angeordnet habe.
Kaiser will alle an einen Tisch bringen
Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) kündigte für Mittwoch einen gemeinsamen Termin mit Museumsleitung, Verfassungsschutz, Bezirkshauptmannschaft und Gemeinde an. Man wollte damit "deeskalieren" und verhindern, dass so etwas nochmal passiere.
Kritik am Vorgehen der Behörden wollte man im Büro des Landeshauptmanns gegenüber PULS 24 nicht üben - man wolle sich zuerst ein umfassendes Bild verschaffen.
Polizei begrüßt runden Tisch
In der Polizei-Aussendung von Montag teilte Landespolizeidirektor-Stellvertreter Markus Plazer mit, dass er den runden Tisch "ausdrücklich" begrüße. Man werde den Einsatz umfassend analysieren.
"Orte von grausamen NS - Verbrechen, wie der Peršmanhof, sind Orte einer modernen und regional verankerten Erinnerungskultur zu den Gräueltaten des NS-Verbrecherregimes, aber vor allem sind sie auch Orte des Gedenkens an den österreichischen Widerstand. Jede polizeiliche Maßnahme an einem derartigen Ort bedarf besonderer Sensibilität und Bewusstsein über die Geschehnisse vor mehr als 80 Jahren", so Plazer.
Hinweis: Der Artikel wird laufend aktualisiert.
Peter Kaiser: Letzter Sommer als Landeshauptmann
Zusammenfassung
- Am Sonntag kam es bei einem Antifa-Jugendcamp mit rund 60 Teilnehmer:innen am Peršmanhof in Kärnten, einer NS-Gedenkstätte, zu einem großen Polizeieinsatz mit sieben Fahrzeugen, über 30 Kräften, Hubschrauber, Drohnen und Hundestaffel.
- Die Polizei begründete den Einsatz mit Verdacht auf Verwaltungsübertretungen, darunter Verstöße gegen das Campinggesetz und den Naturschutz, und nahm drei Personen vorübergehend fest.
- Eine Person wurde bei dem Einsatz verletzt, als die Polizei versuchte, die Tür zum Museumsgebäude zu schließen, und musste vor Ort medizinisch versorgt werden.
- Der Verein Peršman und Vertreter der Kärntner Slowen:innen kritisierten den Einsatz als pietätlos, während die Grünen eine parlamentarische Anfrage ankündigten und die Enotna Lista von einer 'gezielten Aktion' sprach.
- Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) kündigte einen Krisengipfel mit Museumsleitung, Behörden und Gemeinde an, um die Hintergründe des Einsatzes aufzuarbeiten und ähnliche Vorfälle künftig zu verhindern.