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8. Mai 1945

80 Jahre Kriegsende: Verstöße gegen Verbotsgesetz steigen

Heute, 08:01 · Lesedauer 4 min

Am 8. Mai 1945, dem Tag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht, hat die provisorische Staatsregierung Österreichs das Verbotsgesetz beschlossen. Ziel war es, ein Wiedererstarken der Nationalsozialisten zu verhindern. In den vergangenen Jahren sind die Verurteilungen wieder deutlich gestiegen.

Wegen hoher Strafen gab es zunächst jedoch so gut wie keine Verurteilungen. Erst nach einer Novelle von 1992, mit der das Strafmaß deutlich gesenkt wurde, wurden es mehr. 2023 gab es laut Justizministerium 207 Verurteilungen.

1980 und 1990 gab es gerade einmal eine Verurteilung nach dem Verbotsgesetz, 2000 stand man bei 31. Ab Mitte der 2010er-Jahre zogen die Zahlen deutlich an, 2020 gab es bereits 128 Verurteilungen, zwei Jahre darauf waren es 215.

Die eine Erklärung für den Zuwachs gibt es dabei laut Strafrechts-Professor Alois Birklbauer, Autor eines Kommentars zum Verbotsgesetz, nicht. Die Senkung des Strafmaßes 1992 habe sicher dazu geführt, dass die Geschworenen - es entscheiden acht zufällig auf dem Volk ausgewählte Laien - sich stärker getraut hätten, Verurteilungen auszusprechen, so Birklbauer im APA-Gespräch.

Bis dahin stand selbst auf leichte Fälle ein Minimum von fünf Jahren Freiheitsstrafe. Deshalb sei jemand, der im Suff im Gasthaus 'Heil Hitler!' geschrien habe, eher freigesprochen worden. Mittlerweile wurde die Mindeststrafe auf ein Jahr gesenkt.

Jeder Like bei neonazistischem Bild ist Verstoß

Dass die Zahlen - wenn auch weiter auf relativ niedrigem Niveau - in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen sind, hat laut Birklbauer mehrere Gründe: "Ich glaube, es wird mehr, aber man geht auch sensibler damit um."

Dass die Ermittlungsverfahren zunehmen, habe zum Teil mit den sozialen Medien zu tun, denn mit jedem Like bei einem neonazistischen Bild verstoße man gegen das Verbotsgesetz.

Vor allem bei Jugendlichen, auf deren Handy etwa nach der Abnahme in der Schule Chats mit einschlägigen Bildern entdeckt werden, führe das in der Regel zwar nicht zu einer Anklage, sondern werde per Diversion gelöst. Insgesamt würden die Staatsanwaltschaften aber die Verfahren seltener einstellen und die Bereitschaft der Geschworenen, Verurteilungen auszusprechen, sei gestiegen.

Die Coronapandemie, als Maßnahmengegner bei Demos etwa modifizierte gelbe Judensterne mit der Aufschrift "ungeimpft" getragen und so die NS-Verbrechen verharmlost haben, hatte hingegen nach Einschätzung des Juristen keine messbaren Auswirkungen auf die Verurteilungszahlen.

Einen möglichen Sprung in den Verurteilungszahlen könnte es aber infolge des Gaza-Konflikt geben, vermutet Birklbauer, weil hier mit Botschaften, wonach etwa zu wenige Juden in den Gaskammern umgekommen seien, Stimmung gegen Israel gemacht wurde. "Da könnte noch einiges kommen, weil da viel auf Social Media läuft."

Abschaffung wäre "Botschaft in die falsche Richtung"

Ursprünglich sollte das Verbotsgesetz verhindern, dass die NSDAP wieder erstarkt und die Nazis wieder an die Macht kommen. Viele Strafnormen, die darin vorkommen, finden sich auch im Strafgesetzbuch - etwa Verhetzung, Verbot der Gründung staatsfeindlicher Verbindungen oder Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen.

Immer wieder gab es deshalb auch Diskussionen, ob es in einer gefestigten Demokratie so viele Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ein eigenes Verbotsgesetz in Verfassungsrang überhaupt noch braucht.

Auch für Birklbauer ließe sich eine Abschaffung theoretisch argumentieren, gebe es doch etwa in Deutschland trotz gleicher Vergangenheit kein vergleichbar strenges Verbotsgesetz.

"Aber das Signal, das man senden würde, ist natürlich fatal. Man macht natürlich diese Botschaften erst recht salonfähig." Gerade in Zeiten, wo das Thema sensibler wird, würde er deshalb nicht daran rütteln - "weil die Botschaft in die falsche Richtung gehen kann".

Zudem sei das Verbotsgesetz zentral im Kampf gegen Antisemitismus, gegen keine andere politische Hassströmung sei ein ähnlicher Schutz garantiert.

Größere Novelle 2023

Kritik gab es auch immer wieder an den vergleichsweise hohen Strafrahmen im Verbotsgesetz. Diese seien allerdings ähnlich wie bei anderen politischen Vorbereitungsdelikten, etwa bei der Gründung staatsfeindlicher Verbindungen oder Reisen für terroristische Zwecke, etwa um sich in Syrien dem IS anzuschließen.

Zudem habe es hier durch die jüngste Novelle von 2023 Verbesserungen gegeben, so Birklbauer, indem seither zwischen schweren und nicht so schweren Fällen unterschieden werde.

Wenn jemand sich ohne verfestigte NS-Ideologie wiederbetätige, wie das oft bei jugendlichen Provokateuren oder auch Erwachsenen mit anderem Geschichtshintergrund passiere, könne das Verfahren nun auch bei Erwachsenen mit einer Diversion erledigt werden.

Dann gibt es Zeitgeschichte-Unterricht und pädagogisch begleitete Gedenkbesuche einer Gedenkstätte. Sind die Täter nicht mit Ernsthaftigkeit dabei, müssen sie wieder vor Gericht.

Das Verbotsgesetz wurde im Frühjahr 1945 von der provisorischen Staatsregierung Österreichs beschlossen.

Zusammenfassung
  • Am 8. Mai 1945, dem Tag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht, hat die provisorische Staatsregierung Österreichs das Verbotsgesetz beschlossen.
  • Ziel war es, ein Wiedererstarken der Nationalsozialisten zu verhindern.
  • In den vergangenen Jahren sind die Verurteilungen wieder deutlich gestiegen.
  • 2023 gab es laut Justizministerium 207 Verurteilungen.