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Gericht entscheidet über Polizeieinsatz zu Gaskonferenz 2023

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Nach der Beschwerde einer Klimaaktivistin ist am Montag am Wiener Verwaltungsgericht eine Verhandlung zum Polizeieinsatz bei der Gaskonferenz im März 2023 fortgesetzt worden. Die Aktivistin bekam am 27. März am hinteren Ende eines Protestzuges Pfefferspray ins Gesicht. Rechtsanwalt Clemens Lahner argumentierte, der Reizgas-Einsatz sei nicht notwendig gewesen, da der Demozug bereits angehalten hatte. Die Polizei bestritt diese Darstellung. Die Verhandlung wurde vertagt.

Die Aktivistin war damals gegen 8.00 Uhr von der U-Bahn-Station Stadtpark gemeinsam mit mehr als 100 weiteren Protestierenden über die Johannesgasse in Richtung des Tagungshotels am Wiener Parkring marschiert. Dort hatte der nicht angemeldete und spontane Protestzug versucht, eine polizeiliche Sperrkette zu durchbrechen, um in die Zone des Platzverbotes rund um das Tagungshotel zu kommen und sei dann laut Zeugenangaben ein bis zwei Minuten mit Pfefferspray eingesprüht worden. Etwa eine Stunde später hatte sich die junge Frau erneut an einem Versuch beteiligt, um in die Nähe des Marriott-Hotels zu gelangen und wurde durch den Pfefferspray verletzt.

Die junge Frau wurde bereits am 12. Dezember ausführlich zu dem Vorfall befragt. Dort brachte die Polizei auch entsprechendes Videos des Einsatzes als Beweis ein. Am Montag wurde dann auch ein medizinisches Gutachten verlesen. Dieses attestierte der 24-Jährigen, sie sei mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" in Kontakt mit dem Pfefferspray gekommen. "Es waren drei Meter Luftlinie zwischen mir und dem Punkt, wo der Pfefferspray abgegeben wurde", sagte die Aktivistin. Die Demonstrierenden seien zu diesem Zeitpunkt bereits angehalten gewesen, für die Polizei habe keine Gefahr mehr bestanden. "Ich hatte Kopfschmerzen den ganzen Tag über, die Wangen und das Gesicht haben gebrannt", erinnerte sich die Aktivistin am Montag an die Folgen des Pfeffersprays zurück.

Die Argumentation der Aktivistin stützte der Grünen-Sicherheitssprecher und Nationalratsabgeordnete Georg Bürstmayr, der als Zeuge geladen war. Bürstmayr hatte damals die Anreise der Protestierenden und die Demo sowie speziell den ersten Pfefferspray-Einsatz beobachtet. Er habe weder Waffen, noch andere gefährliche Gegenstände oder Wurfgeschosse bei den Demonstrantinnen und Demonstranten in der Johannesgasse wahrgenommen. Den Durchbruchversuch habe er gesehen, jedoch nicht als über die Maßen aggressiv beurteilt. Er sprach von "einem Geschiebe". Der Pfefferspray-Einsatz sei darum für ihn überraschend gekommen. "Nach meinem Eindruck waren die gestoppt", sagte Bürstmayr. "Ich habe mich darum auch gewundert über die Verwendung des Pfeffersprays."

Eine weitere Teilnehmerin der damaligen Proteste hob im Zeugenstand das Credo der Gewaltfreiheit bei den Demonstrationen hervor. Sie sei stets davon ausgegangen, dass sie im schlimmsten Fall lediglich eine Verwaltungsstrafe bekommen würde. "Ich wäre nicht zur Demo gegangen, hätte ich gewusst, dass mehr als eine Verwaltungsstrafe passieren kann. Es war mir wichtig, dass es eine friedliche Klimademo ist." Die Polizei zeigte damals jedoch 143 Personen wegen schwerer gemeinschaftlicher Gewalt an. Über den zweiten Versuch, in die Nähe des Hotels zu gelangen, sagte die Zeugin, man habe lediglich versucht Lücken zu finden, jedoch nicht die Absicht gehabt, Beamte oder Beamtinnen zu verletzen.

Dem widersprach ein Beamter der Tiroler Einsatzeinheit, die den Bereich in der Johannesgasse abriegelte. "Wir mussten uns mit aller Körperkraft dagegenstemmen, dass die Kette nicht überrannt wird", sagte der leitende Beamte, der per Video zugeschaltet war. Er sprach von "Gefahr in Verzug", er habe deswegen den Pfefferspray-Einsatz angeordnet. "Ich hatte keine andere Möglichkeit, es war ein massives Gedränge." In Anbetracht der Tatsache, dass bereits im Zuge der "ersten Angriffswelle" ein Polizist leicht am Kopf verletzt worden sei, sei auch der zweite Pfefferspray-Angriff zusammen mit der Verwendung von Schlagstöcken das gelindeste Mittel gewesen.

Nach dem Pfefferspray-Einsatz habe "nur Chaos" geherrscht, erklärte ein ebenfalls als Zeuge geladener Pressefotograf. Er hatte den Einsatz der Exekutive am 27. März mit Fotos und Videos dokumentiert und dabei auch selbst Pfefferspray abbekommen. Aufgrund weiterer Zeugeneinvernahmen wurde die Verhandlung am Montag auf einen weiteren Termin vertagt, um weitere Zeugen zu laden.

Die Polizei hatte laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung des Innenministeriums für den ersten Tag der Konferenz 1.326 Beamtinnen und Beamten aus Wien und sechs weiteren Bundesländern zusammengezogen. Bereits unmittelbar danach war von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die die Proteste an Ort und Stelle verfolgt hatte, deutliche Kritik gekommen. Die NGO zeigte sich damals "besorgt über die Kriminalisierung friedlicher Proteste", der Staat habe "die Pflicht, friedliche Proteste zu ermöglichen und nicht zu verhindern, wie wir es heute gesehen haben", wurde betont. Die Grünen, die FPÖ sowie die NEOS brachten daraufhin Anfragen an das Justiz- sowie an das Innenministerium ein.

ribbon Zusammenfassung
  • Ein medizinisches Gutachten bestätigte, dass die Aktivistin mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Pfefferspray in Kontakt gekommen war. Zeugen, darunter der Grünen-Sicherheitssprecher Georg Bürstmayr, unterstützten die Darstellung der Aktivistin.
  • Die Polizei hatte 1.326 Beamte für den ersten Tag der Konferenz eingesetzt. Amnesty International kritisierte den Polizeieinsatz und die 'Kriminalisierung friedlicher Proteste'.

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