Amerikanerin in Wien
Österreicher schätzen "soziale Möglichkeiten" nicht
Für Fulbright Austria ist es - zumindest von außen gesehen - kein einfaches Jahr, um die Beziehungen zwischen den USA und Österreich zu fördern. Das binationale Stipendienprogramm wolle "Brücken bauen", das sei wichtiger denn je, so der Executive Director Herman Agis anlässlich des 75. Jubiläumsjahres von Fulbright Austria.
Seit 1950 haben 3.870 US-Amerikaner:innen und 2.886 Österreicher:innen Fulbright Austria genutzt, um in einem der beiden Länder zu studieren, zu unterrichten oder zu forschen.
Doch seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump ist die Lage in den USA turbulent, besonders für Ausländer:innen. Internationale Studierende dürfen etwa nicht mehr zum Studium nach Harvard einreisen, auch Österreicher:innen sind betroffen.
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Nichtsdestotrotz steigen die Bewerbungen bei Fulbright Austria - und zwar in beiden Ländern. Zehn Prozent mehr Österreicher:innen als im Vorjahr hätten sich heuer bis zur Deadline im Mai beworben. In den USA gebe es einen ähnlichen Trend, dort stammen die Zahlen aber noch vom vergangenen Dezember.
Auch Toni Grgic würde sich wieder für Fulbright bewerben, erzählt er PULS 24. Der Oberösterreicher unterrichtet Englisch und Mathematik an einem Wiener Gymnasium, im Studienjahr 2022-23 war er als Sprachassistent in Minnesota. Dort brachte er Amerikaner:innen Deutsch bei, während er selbst Uni-Kurse belegen konnte.
Von den USA sei er immer noch "fasziniert", daher wolle er auch wieder zurück. Allerdings mit einem Haken: Nicht mehr zum Leben, sondern nur mehr zum Urlaub machen und auch das erst, wenn die Visa-Situation wieder überschaubarer sei.
US-Amerikanerin bleibt länger in Wien
Wer ebenfalls aktuell ganz glücklich darüber ist, länger in Wien zu bleiben, ist Anjolina Horzynek. Die Amerikanerin aus dem US-Bundesstaat Oregon ist seit einem Jahr in Wien und hat ihren Aufenthalt gerade erst verlängert. Die derzeitige politische Lage habe sie durchaus in ihrer Entscheidung "beeinflusst", dies sei aber nicht der "wichtigste Aspekt".
Horzynek hat Familie in Wien und schätze die Beziehungen, die sie zu ihren Student:innen aufgebaut habe. Sie unterstützt in einem Gymnasium und einer HTL in Wien-Favoriten Schüler:innen beim Erlernen von Englisch.
Dabei schätzt sie vor allem einen Aspekt, der hierzulande sonst oft als Manko des zehnten Bezirks gilt: "Viele von meinen Schülern haben Migrationshintergrund. Wenn ich ihnen sage, Deutsch ist so schwer zu lernen, dann sagen sie: 'Ja, das finden wir auch'!"
"Das ist nichts im Vergleich zu einer US-Uni"
Einer der größten Unterschiede zu den USA seien die "sozialen Möglichkeiten", die von vielen Österreicher:innen als "selbstverständlich" wahrgenommen würden, so Horzynek.
Ihr österreichischer Cousin habe sich etwa beschwert, "dass er sein Studium verlängern und jetzt etwa 700 Euro pro Semester oder so zahlen muss", erzählt sie.
"Ich dachte mir nur: Das ist nichts im Vergleich zu einer amerikanischen Universität."
In den USA ist Studieren ein teures Unterfangen, laut "Education Data" haben 42,7 Millionen Studierende aufgrund von Krediten Schulden. An Elite-Hochschulen wie Harvard kostet ein Studienjahr durchschnittlich rund 75.000 Euro.
Mit 22 erstmals in der U-Bahn
Ein weiteres Novum für die Sprachassistentin ist der öffentliche Verkehr. "Ich war 22 Jahre alt, als ich in Berlin das erste Mal mit der U-Bahn gefahren bin. Wo ich herkomme, gibt es so etwas nicht", erzählt Horzynek.
Der öffentliche Verkehr war auch bei Grgics Auslandsaufenthalt Thema. In Minneapolis sei er eine "Klassen-Sache" gewesen, Horzynek pflichtet ihm bei. Während hierzulande alle Menschen U-Bahn, Bus oder Straßenbahn nutzen würden, seien es dort "eher ärmere Leute", so Grgic.
Zudem hätten ihm "alle" davon abgeraten, die Busse und Straßenbahnen in Minneapolis zu nutzen. "Ich habe sie trotzdem verwendet, aber es war keine schöne Erfahrung". Darüber hinaus seien sie auch "nicht sehr effizient gewesen". Denn: "Mit einem Uber ist man schneller."
"Einzigartiges Privileg"
Abgesehen davon hat Grgic aber nur Gutes über seinen Aufenthalt zu erzählen. Die US-Amerikaner:innen seien "extrem freundlich". Zudem lerne man "nicht nur etwas über die US-Kultur, sondern auch viel über die europäische". Schließlich werde man immer mit anderen internationalen Sprachassistent:innen zusammengespannt.
Bis man aber wirklich einen Fuß in das andere Land setzt, dauere es in der Regel zwischen einem und eineinhalb Jahren. Der Bewerbungsprozess sei "einschüchternd", so Horzynek. Allein auf ihr Stipendium hätten sich acht Menschen beworben, nur die Hälfte sei genommen worden.
Doch die Strapaze habe sich gelohnt. Dass sie in Wien ist und auf Weiteres auch bleibt, sei ein "einzigartiges Privileg". Sie betont: "Die Leute verlassen nicht den Staat oder die Region, geschweige denn das Land."
- Mehr lesen: "Trump-Effekt"? Europas Touristen meiden die USA
Das könnte sich mit der Politik Trumps vielleicht künftig ändern. Denn die Zahl internationaler Tourist:innen in die USA sank im März um fast 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, so die International Trade Administration.
Im Gegensatz dazu stieg die Zahl der US-Bürger:innen, die ins Ausland fliegen, um 1,6 Prozent.
Wer darüber nachdenke, sich bei Fulbright Austria zu bewerben, solle es tun, betont Horzynek: "Auch, wenn es beängstigend ist."
Video: Trump gegen Harvard
Zusammenfassung
- Seit Trumps Amtsantritt gehören Visa-Streits und Einreiseverbote zum Alltag bei der Organisation des Stipendienprogramms Fulbright Austria.
- Es ermöglicht den Aufenthalt in den USA bzw. in Österreich.
- Trotz der politischen Lage wollen mehr Österreicher:innen mit Fulbright in die USA.
- Umgekehrt erzählt aber eine US-Amerikanerin, dass sie ihren Wien-Aufenthalt extra verlängert hat.
- Die derzeitige politische Lage habe sie durchaus in ihrer Entscheidung "beeinflusst", sie stelle aber nicht den "wichtigsten Aspekt" dar.