Harvard, MIT & Co.
"Zum Heulen": Internationale Studierende berichten von Chaos
Am Donnerstag glühten die Handys internationaler Studierender in Harvard. Die Trump-Regierung hatte angekündigt, dass die Elite-Universität keine ausländischen Studierenden mehr aufnehmen dürfe. Harvard reichte am Freitag Klage ein.
Die Stimmung sei "miserabel", vor allem bei jenen, die hart für einen Studienaufenthalt in den USA gearbeitet hätten, erzählt Florian Dirmayer gegenüber PULS 24. Der Salzburger befindet sich selbst noch in Harvard, er schließt dort seinen Master nächste Woche ab.
In Chats der Studierenden werde von Anwält:innen bereits davon abgeraten "zu versuchen, jetzt als Student:in einzureisen, falls man sich im Ausland befinden sollte".
Agenten kidnappen junge Studentin
Die Ankündigung "ist bis dato wohl die einschneidendste für internationale Studierende", so Dirnmayer. Sie reiht sich jedoch ein, in eine steigende Anzahl von Maßnahmen der Trump-Regierung gegen Studierende aus dem Ausland.
Im März etwa sorgte die Festnahme einer jungen Studentin auf offener Straße für Furore. Sechs Agent:innen packten Rumeysa Ozturk und transportierten sie ab. Sechs Wochen verbrachte die Doktorandin aus der Türkei daraufhin in einer Abschiebehaftanstalt von ICE (Immigration and Customs Enforcement, deutsch: Polizei- und Zollbehörde). Erst Anfang Mai wurde sie freigelassen.
"Das war zwei Straßen neben meiner Wohnung", erzählt André PULS 24 von der Festnahme. Er studiert seit einigen Jahren am MIT und ist so wie Rumeysa ein internationaler Student. Sein Name wurde geändert, seit Februar seien er und seine Kommiliton:innen "unfassbar vorsichtig".
"Wir haben uns nie solche Sorgen gemacht vor einem Jahr", sagt er. Der Unterschied zwischen der Biden- und der Trump-Regierung sei wie "Tag und Nacht". Das Credo: "Ich bin ein Gast, der aufpassen muss."
Ähnliches berichtet auch Dirmayer, der bereits unter der Biden-Regierung sein Studium in Harvard begann. Damals hätte "jeder alles sagen" dürfen. "Schon erstaunlich, wie schnell es ging, dass man auf einmal überlegen musste, okay, kann ich es mir als internationaler Student leisten, an Protesten teilzunehmen?"
Kein Visum wegen pro-palästinensischer Aussagen?
Denn jederzeit könne das Visum unter teils fadenscheinigen Ausreden entzogen werden. Grund für die Verhaftung von Rumeysa dürfte etwa ein pro-palästinensischer Meinungsartikel in der Universitätszeitschrift gewesen sein.
Über diese Problematik rede André daher "gar nicht", im Nachhinein sei er auch froh, weder auf Pro-Israel noch Pro-Palästina-Proteste gegangen zu sein. Er wisse von Studierenden, die dadurch nun Probleme hätten und sich Sorgen um ihre Visa machen würden, da die Trump-Regierung pro-palästinensische Aussagen als Grund für Visa-Reviews geltend macht.
Es gelte ständig die Frage zu klären, "wie weit gehe ich, um politischen Widerstand zu leisten", bekräftigte Dirmayer.
Kein Einblick in Visum-Status
Die Willkür der ICE-Agent:innen ist dabei nur ein Problem. Erschwerend kommt für internationale Studierende hinzu, dass sie selbst keinen Einblick in ihren Visum-Status haben. Nur die Institutionen, die Visa vergeben, können Einsicht nehmen. Und eben ICE.
"Du könntest in der Lage sein, dass du nicht einmal weißt, dass dein Visum-Status aufgehoben wurde, die aber kommen und dich holen", fasst André nüchtern zusammen.
"Die Leute haben Angst", benennt Dirmayer die Situation klar. Es gebe etwa Nachrichtengruppen, die vor "ICE-Sightings" warnen würden. "Da tauscht man sich darüber aus, wo die gesichtet worden sind." Allerdings nicht auf WhatsApp, das sei mittlerweile "zu unsicher".
Die Universitäten selbst schlagen ebenfalls Alarm, erzählt André: "Uns wird explizit gesagt, dass wir niemanden irgendwo reinlassen dürfen, wo es 'private access' gibt."
"Viel Unsicherheit und Unwohlsein"
Zudem warne die Uni davor, keine Datenträger auf internationale Flüge mitzunehmen, "wenn möglich nicht einmal das persönliche Handy".
Die Ein- und Ausreise selbst kann für internationale Studierende ebenfalls zur Hürde werden. Es gebe eine Notfallhotline, falls man an der Grenze feststecke.
Viele Studierende vermeiden diese Möglichkeit aber ganz: "Ich bin nicht ausgereist, aber auch mit dem Gedanken, dass ich mir diese Unsicherheit nicht antun möchte", so Dirmayer.
Rechtliche Unterstützung
Es bleibt nicht bei simplen Warnungen der Universitäten. Das MIT und Harvard bieten auch rechtliche Unterstützung an, so können etwa Pro-bono-Anwält:innen angerufen werden, wenn Studierende rechtliche Fragen haben.
Die Maßnahmen kommen nicht von ungefähr. Laut "Inside Higher Ed." haben über 280 Universitäten mittlerweile mehr als 1.800 Studierende identifiziert, deren Visa zurückgenommen wurden, oder deren legaler Status sich verändert hat.
Nach Tausenden Klagen von Studierenden wurden einige dieser Veränderungen wieder zurückgenommen, doch "das Hin und Her verbreitet einfach sehr viel Unsicherheit und Unwohlsein", so André.
Finanzielle Einschnitte
Die Sorgen der Studierenden sind aber auch anderer Natur, denn die Trump-Regierung hat großflächig Finanzierungen eingestellt. Ein Studierender aus Österreich hat etwa seinen Master vorzeitig abgebrochen: Sein Labor wurde nicht mehr finanziell unterstützt, teilte Fulbright Austria auf PULS 24 Anfrage mit.
Andere Studierende bekamen keine PhD-Angebote oder mussten ihr Projekt ändern, "weil einfach das Geld nicht mehr da war, zum Beispiel für Stammzellen oder Datenerhebungen", so André.
Vorübergehend wurden auch finanzielle Mittel für das Institut für internationale Bildung eingefroren, viele Mitarbeiter:innen entlassen. Auch Fulbright Austria spürte die Auswirkungen davon. Mittlerweile wurden die Mittel zwar wieder freigegeben, Studierende des Programmjahres 2025-26 würden wichtige Dokumente aber später als normalerweise, jedoch rechtzeitig erhalten, hieß es.
"Wachsam bleiben"
"Es ist zum Heulen alles", fasst André die Lage zusammen. Generell sei es in den USA gerade "sehr, sehr geladen". Alle Lebensbereiche würden polarisieren, die Kluft dazwischen sei groß: "Autos und Züge. Politische Meinungen. Visum oder Einheimischer. Überall gibt’s zwei Lager und nur zwei Lager. Und die sind so weit auseinander, dass man wirklich nur sagen kann, blau-rot, schwarz-weiß, plus-minus."
Dirmayer hat sich daher entschieden, nach seinem Abschluss wieder nach Österreich zurückzukehren, um dort politisch "einen Beitrag zu leisten".
Die USA würden zeigen, wie schnell es gehe. Schließlich ist Trump erst seit Jänner wieder im Amt. Für den Studenten sei es ein "Weckruf" gewesen, es habe ihn "frustriert, hier zusehen zu müssen".
Mit einer anderen Regierung "hätten wir uns auch damit beschäftigen müssen", meint Dirmayer. Daher sollten die USA als Anstoß verstanden werden, "aktiv und wachsam zu bleiben und zu überlegen, was kann ich machen, bevor es zu so etwas kommt? Wie kann ich kritisch bleiben?"
Zusammenfassung
- Internationale Studierende leben in den USA seit der Machtübernahme von Präsident Donald Trump in Ungewissheit.
- Ihre Visa können ihnen wegen geringster Vergehen entzogen werden, sie selbst wissen darüber erst Bescheid, wenn es zu spät ist.
- Zwei betroffene Studierende sprachen mit PULS 24 über die Lage: "Es ist zum Heulen."