Oder lieber nicht?

Lebensmittelpreise: Was der Staat überhaupt tun könnte

Heute, 11:53 · Lesedauer 5 min

Mitten ins Sommerloch hat Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) die Idee platziert, dass die Regierung bei den Lebensmittelpreisen etwas tun müsse. Er habe zwar "kein Modell im Kopf", doch die Wogen gehen bereits hoch. Aber was könnte man überhaupt machen? Und was besser nicht?

Im EU-Vergleich verharrt die Inflationsrate in Österreich mit 3,5 Prozent im Juli weiterhin auf hohem Niveau. Neben der Energie und den Mieten wurden immer wieder die Lebensmittel als Preistreiber ausgemacht. Hier hat SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer eine hitzige Debatte entfacht. Am Montag sprach er sich in den "Salzburger Nachrichten" für mögliche Preiseingriffe aus. 

Die Reaktion aus der Branche kam umgehend. Handelsverband-Chef Rainer Will fürchtet "orbansche Verhältnisse" durch einen Preisdeckel. Doch was könnte der Staat gegen teure Supermarkt-Rechnungen machen? Und könnte das gut gehen?

Wifo-Wettbewerbsexperte Michael Böheim sagte dem "Standard", dass diverse Eingriffe in der Praxis nicht funktionieren würden: "Das widerspricht allen Regeln der Mikroökonomie. Das weiß auch Minister Marterbauer", zitiert ihn die Zeitung. 

Mehrwertsteuer runter

Ein naheliegender Schritt wäre, den Mehrwertsteuersatz auf bestimmte Produkte zu senken oder gar zu streichen. Dies wäre vergleichsweise unbürokratisch und schnell möglich. 

Solche Steuersenkungen sind aufgrund der aktuellen Budget-Lage allerdings ausgeschlossen, das machte auch Marterbauer bereits deutlich. Der langfristige Effekt ist ohnehin fraglich. Sinkt der Steuersatz, müsste der Händler sein Preisschild ändern. Diese Senkung des Steuersatzes könnte von Produzenten oder Händlern mitunter zum eigenen Vorteil genutzt werden. Für Holger Bonin, Chef des Instituts für höhere Studien (IHS), ist es fraglich, ob Mehrwertsteuersenkungen bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommen würden.

Ein Blick auf Spanien zeigt, dass damit wohl nur Symptome vorübergehend bekämpft werden können. 2023 wurde die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel gestrichen, für viele andere Lebensmittel halbiert. Während die Spanier die Inflation zunächst deutlich besser im Griff hatten, sind sie nach Wiedereinführung der Steuern nicht mehr unter den europäischen Teuerungs-Vorzeigeschülern zu finden. 

Preisdeckel einführen

Besonders radikal wäre der staatliche Eingriff mit der Einführung von Preisdeckeln auf bestimmte Produkte. Damit würde man jedoch das Marktgleichgewicht außer Kontrolle bringen, fürchten Kritiker. Sollten die Preise so niedrig sein, dass weder der Landwirt noch der Supermarkt damit Geld verdienen, drohen leere Regale. 

"Produzenten verlieren den Anreiz, mehr zu liefern, während die Nachfrage künstlich hoch bleibt. Die Folge? Leere Regale, sinkende Qualität, Frust bei den Konsumenten. Aber sicher nicht niedrigere Preise", so Agenda-Austria-Ökonomin Carmen Treml in einem Kommentar in der "Kleinen Zeitung".

Unser Nachbarland Ungarn hat auch vorgemacht, wie Preisdeckel nach hinten losgehen können. Die Inflation bei Lebensmitteln lag teilweise bei bis zu 46 Prozent. Daran erinnert auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP): "Ungarn hat mit dem Preiseingriff für enorme Engpässe und leere Regale gesorgt, weil niemand zu den Preisen geliefert hat."

"Nur so einen Deckel einziehen pauschal, das funktioniert nicht sehr gut", urteilt auch Arbeiterkammer-Ökonom Daniel Witzani-Haim.

Antiteuerungskommission

Deshalb schlägt die Arbeiterkammer vor, eine "Antiteuerungskommission" einzuführen, die erhebt, "welche Preise wo steigen". Denn man müsse "gezielt und strategisch eingreifen", so Witzani-Haim.

Die Forderung geistert schon seit Jahren durch die österreichische Polit-Landschaft, konkret wurde es bisher noch nie. Im Gespräch ist immer wieder eine Preisdatenbank. Laut der AK solle sie ungerechtfertigte Aufschläge sichtbar machen. "Wir müssen erst mal wissen, warum steigen die Preise so stark an", sagte er bei "Café Puls". 

Inwiefern der Preis dann auch entlang der Wertschöpfungskette erhoben werden kann, ist bislang unklar. Es erscheint höchst fraglich, dass sich Lebensmittelhändler wie Rewe oder Spar so tief in ihre Geschäfte schauen lassen, um zu erheben, ob der Landwirt, der Produzent, der Händler oder irgendwer dazwischen ungerechtfertigt die Preise erhöht. Debatte um Geschäftsgeheimnisse vorprogrammiert.

Video: Warum unsere Lebensmittel so teuer sind

Was ist mit dem "Österreich-Aufschlag"?

Immer wieder wird in der Debatte der sogenannte "Österreich-Aufschlag" thematisiert. Der fällt vor allem bei Markenprodukten auf, die in Österreich häufig viel teurer sind als beispielsweise in Deutschland. 

Witzani-Haim spricht sich deshalb dafür aus, dass sich die Regierung "auf europäischer Ebene einsetzt, damit die Lebensmittelkonzerne in Österreich nicht so hohe Preise verlangen". Dem AK-Ökonomen zufolge können Lebensmitteleinzelhändler wie Rewe in Deutschland oder Frankreich billiger einkaufen als in Österreich. 

Grund dafür sind sogenannte territoriale Lieferbeschränkungen (Territorial Supply Constraints, kurz TSCs). Das sind von bestimmten großen Herstellern auferlegte Beschränkungen. Diese machen es Einzelhändlern sehr schwer oder unmöglich, Produkte in einem Mitgliedsstaat zu kaufen und in einem anderen weiterzuverkaufen.

Die TSCs erlauben es internationalen Produzenten, Produkte in unterschiedlichen Märkten zu unterschiedlichen Preisen anzubieten. Das sehe auch die EU-Kommission als Wettbewerbsverzerrung, sagte Witzani-Haim. Deshalb müsse hier auf europäischer Ebene etwas geschehen: "Das wäre ein absolut sinnvoller Eingriff".

Man müsse überprüfen, inwieweit die Industrie tatsächlich einen "Österreich-Aufschlag" verrechne, so Fiskalratspräsident Christoph Badelt. Sollte dies zutreffen, wäre dies ein Fall für die EU-Kommission. Andernfalls müsste man für eine höhere Wettbewerbsintensität sorgen, merkte Badelt an. Den US-Lebensmittelkonzern Mondelez hat die EU beispielsweise bereit zu einer Rekord-Strafe in Höhe von 337,5 Millionen Euro verdonnert. Der Milka- und Oreo-Produzent soll den Wettbewerb über Jahre verzerrt und seine Produkte künstlich teurer gemacht haben.

Einen Schritt in diese Richtung soll die Binnenmarktstrategie der EU machen. So sollen bis Ende 2026  "Instrumente zur Bekämpfung ungerechtfertigter territorialer Lieferbeschränkungen" erarbeitet werden. Dort vermutet auch Handelsverband-Chef Will das Übel der hohen Preise: Die globale Markenartikel-Industrie, "die sich den EU-Raum wie Tortenstücke aufteilt". Österreich habe da als kleines Land Nachteile. "Genau da könnte man ansetzen".

Video: Will an Regierung: "Nicht mit Nahversorgung spielen"

Zusammenfassung
  • Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) brachte eine Debatte über staatliche Preiseingriffe bei Lebensmitteln ins Rollen, ohne ein konkretes Modell vorzulegen.
  • Doch welche Möglichkeiten gäbe es?
  • Ein Überblick über die Maßnahmen und die Meinungen von Kritikern und Befürwortern.