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"Kalte Progression" wird einmal mehr evaluiert

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Die "kalte Progression" – gut für die Staatsfinanzen, schlecht für das Bürger-Börserl. Das Finanzministerium will sich einmal mehr dem Thema widmen.

"ÖVP will Abschaffung der 'kalten Progression' Ende 2015 fertighaben", schreibt die APA am 31. August 2015. Damals hieß der Finanzminister noch Hans Jörg Schelling, die ÖVP war noch schwarz und der Koalitionspartner die SPÖ. Knapp sieben Jahre und vier Finanzminister später erklärt Magnus Brunner (ÖVP) u.a. im Ö1-Morgenjournal er habe Experten im Finanzministerium beauftragt, sich dem Thema der "kalten Progression" intensiv zu widmen: Man müsse sich anschauen, was eine Abschaffung für Auswirkungen in welchen Bereichen bzw. für welche Gruppen habe.

Es ist die nächste Episode einer unendlichen Geschichte – die "kalte Progression" war in so ziemlich jeder Koalition Thema. Eine mögliche Abschaffung mal teilweise, mal komplett geplant. Während die jeweilige Opposition meist für eine Abschaffung eintritt – die APA titelte beispielsweise 2008: "Steuerreform: Grüne wollen Kalte Progression abschaffen" – wird in Regierungsverantwortung geprüft, evaluiert und Arbeitsgruppen werden eingesetzt. Warum? Es bringt Geld ins Staatsbudget. Jörg Haider (damals FPÖ) rechnete 1993 vor, dass der damalige Finanzminister Ferdinand Lacina (SPÖ) in den vergangenen Jahren rund 59 Milliarden Schilling (4,29 Milliarden Euro) an Mehreinnahmen lukriert habe. Knapp 30 Jahre später sorgt laut dem Forschungsinstitut Eco die "kalte Progression" ohne Steuerreform zwischen 2019 und 2025 für eine zusätzliche Steuerbelastung von insgesamt 19,5 Milliarden Euro – eine Berechnung aus dem Herbst 2021, ohne der aktuellen hohen Inflation.

Was ist denn eigentlich die "kalte Progression"?

Vereinfacht gesagt ist die "kalte Progression" eine versteckte Steuererhöhung. Durch die progressive Besteuerung entsteht eine Einkommenssteuer-Mehrbelastung: Das Einkommen wird je nach Höhe mit unterschiedlichen Sätzen besteuert. Steigen die Löhne – beispielsweise durch die Inflationsanpassung – rutscht man in eine höhere Steuerstufe, die eben nicht der Inflation angepasst wird. Das ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Gleichzeitig steigen mit der Teuerung auch die Steuereinnahmen beispielsweise bei der Mehrwertsteuer. Laut Agenda Austria sorgt die "kalte Progression" dafür, "dass der Staat Geld seiner Bürger hat, das er eigentlich nicht haben sollte". Durch alle paar Jahre stattfindende Steuerreformen sollen diese Mehreinnahmen "zurückgegeben" werden.

Damit argumentiert aktuell auch Finanzminister Brunner. Angesprochen auf Berechnungen der Agenda Austria, wonach die hohe Inflation dem Budget in den Jahren 2022 und 2023 Mehreinnahmen aus Mehrwert-, Lohn- und Einkommenssteuer zwischen 7,5 und elf Milliarden Euro bringen solle, sagt Brunner, eine seriöse Betrachtung zeige, dass demgegenüber auch höhere Ausgaben - etwa im Bereich der Pflege oder der Pensionen - stehen. Mit der Steuerreform und den Entlastungspaketen würde die Bevölkerung bis 2023 bereits um rund elf Milliarden Euro entlastet.

Ende der "kalten Progression" Ende 2023 möglich

Ob die "kalte Progression" von der eingesetzten Arbeitsgruppe tatsächlich abgeschafft werden wird, wird die Zukunft zeigen. Sie soll bis zum Sommer die möglichen Szenarien durchrechnen und Vorschläge liefern. Das Thema solle "seriös diskutiert" werden, erklärte Brunner. Die Abschaffung sei "eine Möglichkeit". Im kommenden Jahr 2023? "Wir werden sehen. Eine Möglichkeit ist es."

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  • Die "kalte Progression" – gut für die Staatsfinanzen, schlecht für das Bürger-Börserl. Das Finanzministerium will sich einmal mehr dem Thema widmen.

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