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Hitze vs. Lärm

Schanigärten als Hitze-Oasen? Wien ist nicht "wie in Spanien"

Heute, 13:01 · Lesedauer 5 min

Auch die Wiener Gastronomie leidet unter der Hitze. Nicht nur, weil die Arbeit anstrengender wird, auch weil sich das Konsumverhalten ändert. Bars beklagen vor allem die Schanigarten-Regeln, die angesichts des Klimawandels nicht mehr zeitgemäß seien.

"Wir machen jetzt letzte Runde im Garten!" oder "Wir müssen den Garten jetzt leider zusperren - ihr könnt gerne reingehen!" 

Sätze wie diese kennen wohl alle Wiener:innen zur Genüge. Oft stoßen sie auf großes Unverständnis. Zum Leid der Gäste und der Gastronom:innen, die sich dann oft hitzige Diskussionen liefern müssen. 

Ist es doch gerade erst angenehm kühl geworden im Schanigarten. Ist man doch gerade erst von der Donauinsel zurück in die Stadt gekommen, wo es zu früheren Stunden angesichts der hohen Temperaturen schlicht noch nicht erträglich war. Reingehen, ins heiße Lokal, will dann kaum jemand. 

Gerade erst in Wien-Leopoldstadt beobachtet: Ein Kellner schließt den kleinen Schanigarten vor einer Bar. Mehr als die Hälfte der Gäste kauft ein Getränk "to go" und setzt sich auf den kleinen Platz gegenüber. Der Rest geht heim - oder ist plötzlich Raucher:in geworden und steht weiterhin vorm Lokal. Die Bar bleibt leer.

"Bitte Psssst!" 

Schuld sind die Schanigarten-Regeln der Stadt, die vor allem mit Anrainer:innen-Beschwerden wegen Lärms begründet werden. 

Nur: Am Platz sagt zwar ein Schild "Bitte Psssst!" Einen Wirt, der das auch kontrollieren könnte, gibt es hier nicht. 

Sind diese Regeln in Wien angesichts der durch den Klimawandel immer länger und intensiver ausfallenden Hitzeperioden noch zeitgemäß?

Daniel Hnolik, der in Wien-Mariahilf das Stehbeisl und Daniel's Bistronomie betreibt, verneint das im Gespräch mit PULS 24. Er muss den kleinen Schanigarten vor dem Stehbeisl um 23 Uhr schließen. "Da starten wir aber erst", sagt er.

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An den heißen Tagen komme sein Publikum noch später als ohnehin schon. Erst gegen 21 Uhr sei man voll, sagt er. Angesichts des Klimawandels sollte sich Wien anpassen, meint er: "Wie in Spanien beginnt nun eben auch hier alles erst am Abend."

Die Mentalität der Anrainer:innen scheint dazu aber noch nicht zu passen: Es komme vor, dass schon kurz nach 23 Uhr die ersten Anrainer:innen die Polizei wegen Lärmbeschwerden rufen würden, so Hnolik. 

Verständnis dafür habe er nur teilweise. Er hat eine neue Markise gekauft, die Lärm abfangen soll. Er merkt aber auch an, dass es das Stehbeisl seit 60 Jahren geben würde: "Wer hier hergezogen ist, wusste, dass wir hier sind", sagt er. 

Er selbst wohnt am Land: "Eben weil ich meine Ruhe haben will." In der Stadt müsse man laut ihm mit mehr Geräuschen rechnen. 

"Nicht fair" findet der Gastronom außerdem, dass es in der Umgebung Lokale gibt, die ihre Schanigärten länger offen haben dürfen: Auf der Mariahilfer Straße oder am Naschmarkt kann man immerhin bis Mitternacht draußen sitzen.

Restriktive Regeln

Die Regeln sind kompliziert, Gastronom:innen beklagen regelmäßig den bürokratischen Aufwand, um überhaupt einen Schanigarten aufmachen zu dürfen. Rund 3.500 Schanigärten gibt es mittlerweile aber in Wien. 

Eine Anpassung an den Klimawandel wurde schon getroffen: Seit 2023 ist es möglich, Schanigärten leichter auch für das ganze Jahr zu beantragen.

Wie lange sie am Abend offen haben dürfen, ist aber nicht einheitlich geregelt: Flächendeckend bis Mitternacht ist nur in der Inneren Stadt, in Favoriten und in den Bezirken 13 bis 23 - mit der Ausnahme Hernals - erlaubt. 

Die meisten Bezirke erlauben im Sommer zumindest in bestimmten Zonen eine Öffnung bis 24 Uhr - nicht möglich ist das hingegen in der Leopoldstadt, in Margareten und in Hernals.

Gastgärten auf privatem Grund - also etwa in Innenhöfen - müssen generell um 22 Uhr zusperren. Ausnahmen für Öffnungszeiten bis nach Mitternacht gibt es nur sehr wenige - etwa bei den Gürtelbögen, für den Volksgarten-Pavillon oder am Donaukanal. 

"Spannungsfeld"

Politisch wird das Thema wohl so bald nicht angefasst. Thomas Peschta, selbst Betreiber eines Gasthauses in Penzing und Obmann der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer, will zu längeren Öffnungszeiten bei Schanigärten derzeit keine Stellungnahme abgeben.

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Auch er weiß aber - auch aus eigener Erfahrung - , dass die hohen Temperaturen die Gastro vor Herausforderungen stellt. 

Während Betriebe in Schwimmbädern jubeln, verzeichnen andere ein verändertes Konsumverhalten. Die Gäste kommen später, essen weniger und leichtere Kost. Es wird mehr Wasser und weniger Alkohol bestellt. Desserts oder Heißgetränke würden kaum noch gehen. 

Dazu müssen sich Betriebe überlegen, ob sie sich etwa Klimaanlagen anschaffen können. 

Hitze-Tipps: Kein Alkohol, wenig Bewegung, kleine Portionen

Zusammenfassung
  • Die Wiener Gastronomie kämpft mit der Hitze, da sich Gästeverhalten und Arbeitsbedingungen spürbar verändern.
  • Rund 3.500 Schanigärten gibt es in Wien, doch die Öffnungszeiten sind je nach Bezirk unterschiedlich und oft auf 23 Uhr oder früher beschränkt.
  • Seit 2023 können Schanigärten zwar leichter ganzjährig beantragt werden, aber eine flächendeckende Öffnung bis Mitternacht ist nur in bestimmten Bezirken erlaubt.
  • Gastronom Daniel Hnolik kritisiert die restriktiven Regeln und fordert angesichts des Klimawandels eine Anpassung an spätere Freizeitgewohnheiten, ähnlich wie in südlichen Ländern.
  • Das Konsumverhalten der Gäste hat sich verändert: Sie kommen später, konsumieren weniger und bevorzugen leichtere Speisen sowie mehr Wasser statt Alkohol.