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Crédit Suisse in Not: Wiederholt sich Bankenkrise von 2008?

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Der Kollaps mehrerer regionaler US-Banken sorgt für Turbulenzen an den Finanzmärkten. Ein massiver Vertrauensverlust setzt der zweitgrößten Schweizer Bank Crédit Suisse zu. Sollte die Crédit Suisse kollabieren, würde dies laut der Ökonomin Heike Lehner zu einer neuen Finanzkrise führen. Auch Finanzjournalist Niko Jilch sieht Ähnlichkeiten zur letzten Bankkrise 2008.

Sowohl die Schieflage der Crédit Suisse wie auch die Notlage der Silicon Valley Bank ordnet die Ökonomin Heike Lehner als Einzelfall ein beziehungsweise als Ereignisse ohne Auswirkungen auf das europäische Bankensystem. Sollte die Schweizer Bank hingegen kollabieren, könnte dies der Beginn einer neuen Finanzkrise sein, wie Lehner im PULS 24 Interview erklärt.

Lehner: Crédit Suisse ist eine systemrelevante Bank

Ökonomin Heike Lehner spricht im PULS 24 Interview u.a. über die Bankenkrise.

Zweitgrößte Schweizer Bank

Tatsächlich ist die Crédit Suisse nach der UBS die zweitgrößte Bank der Schweiz und auch international groß im Geschäft. Mit einer Bilanzsumme von rund 531 Milliarden Franken Ende 2022 ist sie aber deutlich kleiner als die UBS mit 1,1 Billionen Dollar (gut 1,0 Billionen Euro) und die Deutsche Bank mit über 1,3 Billionen Euro.

Der internationale Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board - FSB) führt sie auf seiner Liste der 30 systemrelevanten Banken der Welt, wie auch die US-Häuser Goldman Sachs und JPMorgan Chase, die französischen BNP Paribas oder die Deutsche Bank. Diese Institute sind international stark vernetzt. Wenn eine solche Bank finanziell ins Wanken gerät, kann sie schnell andere Institute mitreißen.

Durch schlechtes Risikomanagement in Schieflage

Doch anders als 2008 geht es nicht um faule Kredite, die plötzlich nichts mehr wert sind und Banken in eine Liquiditätskrise stürzten. Die kriselnde Großbank ist gut kapitalisiert, aber durch schlechtes Risikomanagement tief in die roten Zahlen gestürzt. Sie verlor viel Geld beim Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos und der Liquidierung der Greensill-Fonds.

Dazu kamen Skandale wie die Bespitzelung eines scheidenden Bankers, der zur Konkurrenz ging, und Gerichtsverfahren wegen Verstrickung in einen Korruptionsskandal in Mosambik und Geldwäsche der bulgarischen Mafia. Das Vertrauen war also schon angeschlagen. Nun trifft es in der Nervosität nach dem Sillicon-Valley-Debakel den Schwächsten unter den Großen.

Krise durch fehlendes Vertrauen

Bei der Crédit Suisse "schlägt es jetzt brutal zu", meint auch Finanzjournalist Niko Jilch. Die Probleme selbst hätte die Bank allerdings schon seit einigen Jahren gehabt. Der Unterschied sei nur, dass die Bank nun die "Reißleine gezogen" hat und "zur Nationalbank betteln gegangen" ist, erklärt der Finanzjournalist im PULS 24 Interview. "Jetzt wird offenbar als Reaktion auf diese Bankenkrise aus den USA auch in Europa massiv Geld abgezogen aus den Banken", fasst er die Lage zusammen.

"Solche Bankenkrisen werden ausgelöst durch Vertrauen", denn das könne man durch Zahlungen nicht "ultimativ bekommen", so Jilch. Das könne man auch an der Crédit Suisse beobachten. Das Image der Bank sei "schon lange angeschlagen". 

Jilch: "Haben neue Phase der Krise erreicht"

Finanzjournalist Niko Jilch spricht bei Anchor Jakob Wirl über die Schweizer Bank Crédit Suisse.

SVB weniger bedeutend als Lehman

"Kreditinstitute, die aufgrund anderer Fehler bereits geschwächt sind, laufen jetzt Gefahr, das Vertrauen ihrer Kunden zu verlieren", meint auch der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), Clemens Fuest. Bei der Finanzkrise 2008/09 führte der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman zu Schockwellen durch das globale Finanzsystem. Banken mussten Milliardenverluste verkraften, das Vertrauen innerhalb der Branche erodierte. Die Institute liehen sich untereinander kein Geld mehr. Viele Geldhäuser wurden mit Steuermilliarden vor dem Kollaps gerettet. Die jetzt zusammengebrochene Silicon Valley Bank ist für das weltweite Finanzsystem aber deutlich weniger bedeutend als es Lehman war. Auch Lehner spricht im Fall der SVB von einem "regionalen Schock".

Mehr Kapitaleinlagen seit 2008

Die Lehren aus der Finanzkrise 2008 hätten bereits damals gezogen werden sollen. Rettungsaktionen vom Staat an Banken würden am Ende des Tages vom Steuerzahler getragen werden. Ähnlichkeiten können daher auch in der aktuellen Situation gezogen werden. "Im Fall der Silicon Valley Bank ist es zum Beispiel besonders dramatisch, weil dort die Geschäftsführer, die das ganze Ding dort verbockt haben, Aktien im Millionenwert abgestoßen haben, während die Menschen um ihr Geld fürchten müssen", erklärt Jilch. Damit sei eine Situation entstanden, die 2008 von vielen kritisiert wurde.

Tatsächlich müssen Banken inzwischen deutlich mehr Eigenkapital vorweisen, mit dem sie in Krisen Verluste abpuffern können, um die Branche krisenfester zu machen. Die Europäische Zentralbank (EZB) überwacht die großen Institute im Euroraum zentral.

Zudem werden seit 2016 in Europa im Fall der Schieflage eines Instituts zunächst Eigentümer und Gläubiger zur Kasse gebeten. Erst als letztes Mittel geht es an Einlagen von Sparern sowie Gelder aus einem von den Banken finanzierten Krisenfonds (Single Resolution Fund). Darin waren zuletzt rund 66 Milliarden Euro. Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe zeigt sich zuversichtlich, dass Europas Banken gewappnet sind. "Wir sind uns der Risiken bewusst, die derzeit in unserem Banken- und unserem globalen Finanzsystem bestehen. Aber die Höhe der Eigenkapitalpuffer gibt uns die Gewissheit, dass wir in der Lage sind, diese Risiken zu managen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

ribbon Zusammenfassung
  • Der Kollaps mehrerer regionaler US-Banken sorgt für Turbulenzen an den Finanzmärkten.
  • Ein massiver Vertrauensverlust setzt der zweitgrößten Schweizer Bank Crédit Suisse zu.
  • Sollte die Crédit Suisse kollabieren, würde dies laut der Ökonomin Heike Lehner zu einer neuen Finanzkrise führen.
  • Auch Finanzjournalist Niko Jilch sieht Ähnlichkeiten zur letzten Bankkrise 2008.

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