Max Zirngast bei der Ankunft in WienAPA/ROBERT JAEGER

Was wurde eigentlich aus dem Türkei-Gefangenen Max Zirngast?

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Max Zirngast saß 2018 drei Monate in der Türkei in Haft. Bis September 2019 durfte er die Türkei nicht verlassen. Mittlerweile lebt er in Graz. Aber was macht Max Zirngast jetzt und wie denkt er heute über seine Gefangenschaft? PULS 24 hat nachgefragt.

Fadenscheinige Gründe waren es, die den damals 29-Jährigen am 11. September 2019 in ein türkisches Gefängnis brachten. An diesem Tag kamen Polizisten in seine Wohnung in Ankara, wo er damals lebte und Politikwissenschaft studierte. Sie nahmen den Österreicher und zwei türkische Kollegen fest.

Für verschiedene linke Medien hat Zirngast über politische Entwicklungen in Erdoğans Regime berichtet und auch dessen Kurdenpolitik kritisiert. Vorgeworfen wurde ihm, Mitglied einer Terrororganisation zu sein. Beweise dafür fand man in der Anklage nicht.

Max Zirngast nach der Freilassung.Adem ALTAN / AFP

Max Zirngast nach der Freilassung.

Weihnachten 2018 wurde Zirngast wieder freigelassen, durfte die Türkei jedoch vorerst nicht verlassen. Erst ein Jahr nach seiner Festnahme wurde er dann doch überraschend freigesprochen. Am 26. September 2019 kehrte er nach Wien zurück.

"Warum hat Erdoğan Angst vor Menschen wie mir?", veröffentlichte die "Washington Post" zuvor einen Text von Zirngast aus dem Gefängnis. In Deutschland und Österreich wurden Solidaritäts-Kampagnen gestartet. Seine Freilassung von Bundeskanzler, Vizekanzler und Außenministerin gefordert.

Zur Erinnerung: Das waren damals Sebastian Kurz (ÖVP), Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Karin Kneissl. Zwei Jahre davor war in der Türkei ein Putsch von Teilen des Militärs gescheitert, was Recep Tayyip Erdoğan zum Anlass für eine massive Verhaftungswelle gegen ihm unliebsame Journalist:innen, Opositionelle, Richter:innen, Uni-Professor:innen und andere nahm. Zirngasts Inhaftierung erfolgte nur wenige Monate nachdem der deutsche Journalist Deniz Yücel aus der Haft in der Türkei entlassen worden war. Beide Fälle sorgten für einen Aufschrei in Europa und galten als Anschlag gegen die Pressefreiheit.

Aber was macht Max Zirngast heute? PULS 24 hat nachgefragt.

"Wenig" denke er heute an die Zeit in Haft, sagt der mittlerweile 35-Jährige. Dafür habe er schlicht zu wenig Zeit. Er ist nun "brotberuflich politisch aktiv" und KPÖ-Gemeinderat in Graz, wo er auch wohnt.

Stadtplanung und Menschenrechte

Nach seiner Rückkehr nach Österreich habe er zunächst keinen festen Wohnsitz gehabt, sei herumgereist, habe Vorträge gehalten und sein Buch "Die Türkei am Scheideweg" präsentiert. Irgendwann wollte er sich aber "ansiedeln", also sei er zurück in die steirische Hauptstadt. Am 7. Oktober 2019 bei einer Präsentation im Grazer Volkshaus habe sich dann eine Freundschaft zur KPÖ entwickelt, erinnert er sich. Die KPÖ Graz habe auch schon zu ihm Kontakt aufgenommen, als er noch in der Türkei unter Anklage war und nicht ausreisen durfte.

Während des Corona-Lockdowns startete er dann zusammen mit der Partei das YouTube-Format "Auf Augenhöhe". Mittlerweile ist mit Elke Kahr eine KPÖ-Politikerin Bürgermeisterin in Graz, Zirngast errang eines der 15 Mandate der Partei.

Momentan beschäftige er sich hauptsächlich mit Stadtplanung und Menschenrechten. Außerdem sei er auch für internationale Angelegenheiten zuständig – für Partnerstädte, für internationale Besuche, die die Bürgermeisterin bekomme – oder etwa für einen einstimmigen Beschluss für Hilfe nach dem Erdbeben in Syrien und der Türkei. Zuletzt erregte Zirngast Aufsehen, weil er und die KPÖ gegen das Hissen der israelischen Fahne am Grazer Rathaus stimmten. Eine Nationalflagge sei "nicht das richtige Symbol", erklärte er. Die Fahne wurde dennoch gehisst.

"Ich tue das, was die Partei sagt"

"Wahlkämpfen können wir", sagt Zirngast, der sehr auf Parteilinie zu sein scheint, mit Hinblick auf die anstehenden Nationalratswahlen und dem Erfolg in Salzburg. "Unser aller Ziel ist, die KPÖ zu stärken, um mit politischen Möglichkeiten den Menschen zu helfen". Er selbst werde helfen, die Partei organisatorisch besser aufzustellen, mehr Mitglieder zu gewinnen und Gruppenaktivitäten zu starten. Für sich selbst habe er aber "keine Ambitionen". "Ich tue das, was die Partei sagt".

KPÖ Graz bei der Steiermark-Wahl 2019APA/PETER KOLB

KPÖ Graz bei der Steiermark-Wahl 2019

In der Türkei war er seit der Ausreise im Herbst 2019 nicht mehr. Seine Freunde und Bekannten würde er aber vermissen - viele davon hätten aus politischen gründen ein Ausreiseverbot aus der Türkei. "Ich habe gerne dort gewohnt".

Das Leben geht weiter

Dass die Lage in der Türkei seither besser wurde, bezweifelt der KPÖ-Politiker. Es gebe weiterhin Festnahmen, auch von Ausländer:innen. Die Fälle würden derzeit auf weniger Interesse in der EU stoßen – und die Türkei habe ein Interesse, sich mit der EU gutzustellen.

Eine Entschädigungsklage gegen die Türkei sei noch am Laufen. Es gebe aber noch keine Entscheidung des zuständigen Gerichts. Ob es vor seiner Freilassung im Hintergrund diplomatische Deals gegeben habe, wisse er nicht. Er denke aber nicht mehr so viel darüber nach, sagt er. Dafür sei er einfach nicht der Typ – das Leben gehe weiter. Teil seiner "politischen Identität" bleibe das Erlebte aber.

 

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ribbon Zusammenfassung
  • Max Zirngast saß 2018 drei Monate in der Türkei in Haft. Bis September 2019 durfte er die Türkei nicht verlassen.
  • Mittlerweile lebt er in Graz.
  • Aber was macht Max Zirngast jetzt und wie denkt er heute über seine Gefangenschaft? PULS 24 hat nachgefragt.