Hubert Gorbach im Schwarzen KameelKonstantin Auer / PULS 24

Was wurde eigentlich aus 160 auf der Autobahn, Herr Gorbach?

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Er ist wohl immer noch einer der umstrittensten Minister, die Österreich je hatte. Hubert Gorbach (FPÖ, dann BZÖ) wollte auf Autobahnen bis zu 160 kmh/h zulassen. Aufregung gab es auch um einen Brief, den er einem britischen Minister schickte. Was macht das blaue Urgestein heute? PULS 24 hat nachgefragt.

Hubert Gorbach ist überzeugter Frühaufsteher. Oft verlässt er das Bett schon vor Sonnenaufgang. "Arbeit gehört zum Leben", sagt der heute 67-jährige Ex-Vizekanzler und Ex-Minister. Er habe eine "positive Einstellung zum Leben" und damit auch zur Arbeit. Deshalb arbeitet er selbst in der Pension noch, wegen der er einst sogar vors Höchstgericht zog.

Immer noch komme er auf eine Über-40-Stunden-Woche, meint er. Er sei "ein bisschen ein Workaholic". Wobei Gorbach seine Büros auch gerne einmal zum Skifahren, Schwimmen, Reiten oder Jagen verlässt. Heute könne er sich das eben aussuchen.

Von Kameelen und Pferden

Ebenfalls aussuchen könne er sich, in welchem Büro er arbeiten möchte. Sein Homeoffice ist in seinem Zuhause in Frastanz, Vorarlberg. PULS 24 empfängt er in seinem zweiten Büro, wie er sagt. Das Schwarze Kameel in Wiens Innenstadt. Er arbeitet aber auch schonmal vom Rücken eines Pferdes aus.

Zur Erinnerung: Hubert Gorbach wurde 1980 Bundesobmann des Rings Freiheitlicher Jugend, ab '89 war er FPÖ-Landtagsabgeordneter in Vorarlberg, von '92 bis 2004 war er Landesparteiobamm, ab '93 Landesrat und ab '99 Landesstatthalter – in diesem Jahr verlor die Vorarlberger Volkspartei erstmals die absolute Mehrheit. Gorbach bezeichnet das heute als Highlight seiner Karriere.

Dennoch reizte ihn später auch die Bundespolitik: 2003 wurde er in der Regierung Wolfgang Schüssel II Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie und schließlich Vizekanzler. 2005 wechselte er mit Jörg Haider zum BZÖ. 2007 verließ er die Politik.

Aber was macht Hubert Gorbach heute? PULS 24 hat nachgefragt.

FPÖ-Feier nach der Vorarlberger Landtagswahl 1999. APA-Photo: Dietmar Stiplovsek

FPÖ-Feier nach der Vorarlberger Landtagswahl 1999. Hubert Gorbach (m.) mit Susanne Riess-Passer (li neben Gorbach), Margot Gorbach (re. neben Gorbach) und Wahlhelfern.

Gorbach ist selbstständig, hat eine Mitarbeiterin und berät die oberösterreichische Firma Blue Shield Security GmbH, die Cybercrime-Abwehr verkauft. Eine wichtige Sache, meint Gorbach: Es sei heute nicht mehr die Frage ob, sondern wann du gehackt wirst.

Er berät die Firma, in welche Märkte man gehen müsse und stellt Kontakte zu möglichen Kunden her. Außerdem sitzt der ehemalige Vizekanzler in mehreren Aufsichts- und Beiratsposten.

Gorbach nutzt also weiterhin Kontakte, die er in seiner Zeit in der Politik, aber auch schon zuvor als Aufsichtsrat der Vorarlberger Krankenhaus-Betriebsgesellschaft geknüpft hat. Kritische Infrastruktur wie Spitäler seien durch Cybercrime besonders gefährdet, sagt er.

Tunnel mit Schnitzel auf Schiene gebracht

Wechsel von der Politik in die Wirtschaft geraten immer wieder in die Kritik. Auch bei Gorbach: So wurde etwa 2018 bekannt, dass Gorbach dem Aufsichtsrat der Betreibergesellschaft zur Errichtung des Brennerbasistunnels (BBT SE) angehörte.

Als Verkehrsminister brachte Gorbach den Bau des Brennerbasistunnels auf Schiene. Er bezeichnet dies noch heute als "kleines Glanzstück", bei dem es "sicherlich nicht so falsch" gewesen sei, die 27-EU-Verkehrsminister in Brüssel eingeladen zu haben.

Gorbach praesentiert das Projekt "Brenner Basistunnel"APA-PHOTO: ROBERT JAEGER

Gorbach präsentierte das Projekt "Brenner Basistunnel" bei der Regierungsklausur 2005.

Er tat dies auf eine Art, die gut zu ihm passt: Bei einem "Österreichabend" habe es Wiener Schnitzel, Wein aus der Wachau und aus dem Burgenland sowie Schnaps und Bergkäse aus Gorbachs Heimat Vorarlberg gegeben, wie er erzählt. Der Brennerbasistunnel sei auf Platz 1 der von der EU geförderten Infrastrukturprojekte gelandet. Sogar Wolfgang Schüssel sei beeindruckt gewesen.

Den Wechsel von der Politik in die Wirtschaft und etwaige Interessenskonflikte müsse eine Demokratie aushalten können, meint Gorbach, der generell kein Fan von Berufspolitikern ist.

Weil er finanziell nicht von der Politik abhängig war – schließlich war er auch davor schon in mehreren Unternehmen in Führungspositionen - habe er als Politiker immer sagen können, was er wollte. Es brauche in der Politik Menschen, die nachts nicht geschlafen haben, weil sie nicht wissen, wie sie das 13. und 14. Gehalt für ihre Mitarbeiter:innen bezahlen sollen, meint er. Es brauche Politiker, die wissen: "Wenn's der Wirtschaft nicht gut geht, geht's den Menschen auch nicht gut".

Networking, Sprüche-Klopfen und Anekdoten-Erzählen – dieses Handwerk beherrscht der gesellige Vorarlberger noch immer.

Was macht Gorbach, wenn er einen Wolf trifft?

Würde er einen Wolf treffen, würde er auf die 4-S-Regel setzen, scherzt der Jäger etwa: "Sehen, schießen, schaufeln, schweigen". Im Ernst glaubt er jedoch an einen "Mittelweg" zwischen Herden- und Naturschutz. Er sei ein "Morgenjäger", kein "Trophäenjäger".

Spricht er über sein ungarisches Pferd Maleika, fällt ihm der folgende Spruch ein: "Stolze Pferde und schöne Frauen - beide sind teuer. Musst du wählen, nimm die Pferde – sie sind treuer".

"The world in Vorarlberg is too small"

Das wohl berühmteste Zitat Gorbachs – "the world in Vorarlberg is too small" – hängt ihm bis heute nach, wie er sagt. Das sei der Nachteil der Spitzenpolitik, aus einer Mücke werde gleich ein Elefant gemacht.

Schüssel und GorbachAPA-FOTO: ROBERT JAEGER

Gorbach und Schüssel nach ihrer Abwahl 2006 am Weg zum Bundespräsidenten.

Im Übrigen sei der Brief an seinen "Freund", den damaligen britischen Finanzmister "in gar nicht so schlechtem Englisch" verfasst gewesen "wie viele behaupten", verteidigt sich Gorbach. Vorarlberg sei eben Exportweltmeister und deswegen aus wirtschaftlicher Sicht zu klein.

Dass der Brief überhaupt öffentlich wurde, sei laut Gorbach fragwürdig – denn er ging an die österreichische Botschaft in London, die ihn an den Minister weiterleiten sollte. Dort muss er geöffnet worden sein, beschwert er sich noch heute.

Amts-Briefpapier nicht mehr in Verwendung

Eine Anzeige bekam aber er, Gorbach. Denn er verwendete Amts-Briefpapier mit dem Wappen der Republik. Neben der Bezeichnung "Vizekanzler" fügte er handschriftlich ein "a. D." (außer Dienst) hinzu. Das war im Jahr 2007. Die Anzeige wurde schließlich fallen gelassen.

"Aus Erinnerungsüberlegungen" habe er solch Briefpaper noch immer zuhause, verwenden würde er es heute aber nicht mehr. Damals habe er gar nicht gewusst, dass es ein Wappengesetz gibt, meint er.

Schüssel und Gorbach im Jahr 2006.APA-PHOTO: HERBERT PFARRHOFER

Schüssel und Gorbach im Jahr 2006.

Einen weiteren Aufreger, der wohl vielen aus Gorbachs Amtszeit in Erinnerung ist, bezeichnet dieser als "Zeitungsente". Es ging um ein Blaulicht, das er angeblich für seinen Dienstwagen wollte. Die Überlegung sei gewesen, erklärt der ehemalige Verkehrsminister, dass in einer Kolonne alle Fahrzeuge Blaulicht brauchen würden, da es im Verkehr sonst zu Verwirrungen kommen könnte. Man habe sich im Innenministerium erkundigt, doch es wäre eine Gesetzesänderung nötig gewesen, dann habe man davon abgelassen.

Es sollte nicht der einzige Aufreger in Gorbachs Karriere gewesen sein. Heute klingt Gorbachs Forderung, auf Autobahnen bis zu 160 km/h fahren zu dürfen, überholt. Heute wird eher über Tempo 100 gesprochen.

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100 km/h auf der Autobahn? "Spinnerei!"

Und bei diesem Thema kommt bei Gorbach noch der Ideologe durch: "Das sehe ich als grüne, weltfremde Spinnereien". Das sei "verkehrspolitisch falsches Abbiegen". Er hingegen habe mit seinem Vorschlag für "mehr Fluss" sorgen wollen – und laut eigenen Angaben auch für mehr Sicherheit. Für jede Straße wäre berechnet worden, wie schnell man fahren könne – das wären nicht überall 160 km/h gewesen. In der Nacht, auf einer leeren Straße würde man bei Tempo 100 aber einschlafen, meint er.

Mehr blau als orange

Gorbach ist heute kein Parteimitglied mehr. Seine Gesinnung aber, die habe sich nie geändert, sagt er. Er sei "von der Grundeinstellung Mitte-rechts mit liberalem Touch", er "kenne die FPÖ schon als Urgestein" und sei "sehr froh", dass diese nun so "so stark" sei.

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Gorbach und HaiderAPA-FOTO: ROLAND SCHLAGER

Gorbach und Haider im Jahr 2006.

Der größte Tiefpunkt in seiner Zeit in der Politik? Die Spaltung der FPÖ. "Ich war nicht dafür, dass wir das BZÖ gründen. Ich war der Letzte, der überredet werden musste". Erst als ihm Jörg Haider eine Liste mit 18 von 21 Nationalräten zeigte, die alle zum BZÖ gehen würden, war er überzeugt. Aus "staatstragenden Gründen", sagt er heute. Denn sonst wäre es womöglich zu Neuwahlen und dann zu einer rot-grünen Regierung. Dafür wollte er "nicht mitverantwortlich sein", so Gorbach.

Einstiger DJ stritt um Pension

Und doch pflegt er, wie aus seinen zahlreichen Anekdoten hervorgeht, auch parteiübergreifende Kontakte zu Heinz Fischer, selbst Franz Vranitzky schätze er sehr. Die Zusammenarbeit mit Schüssel lobt er noch heute, obwohl der ehemalige Kanzler bei Verhandlungen mal am Fensterbrett gesessen sei und in französischem Akzent gesagt habe: "Hubert, Hubert, du machst es uns so schwer".

Seinen "Freund" und "Vordenker" Jörg Haider kannte er schon, als Gorbach in der "Rendez-vous-Bar" in einem Hotel in Kärnten zwischen Matura und Bundesheer als Ferialjob DJ war.

Schon damals lief er nachmittags über die Liegewiese und sammelte die Musikwünsche der "gesetzten Herren" ein, erinnert er sich. Von seiner Geselligkeit und seiner Kontaktfreudigkeit, die er vielleicht dort auf der Liegewiese lernte, profitiert Gorbach noch immer. "Es wäre schade, wenn ich mein Netzwerk brache liegen lassen würde".

Die "Causa Gorbach"

Dabei bekommt Gorbach mittlerweile sogar seine Pension, wegen der er einst sogar vors Höchstgericht zog. Das war im Jahr 2017. Er wollte mit 59 Jahren seine Politikerpension als Vorarlberger Landespolitiker haben. Doch in der Zwischenzeit war das Bezügegesetz geändert worden – Landespolitiker gehen mit 65 statt mit 56,5 Jahren in Pension.

Gorbach ging zum Verfassungsgerichtshof, blitzte dort jedoch ab. Die "Causa Gorbach", wie er die Angelegenheit, bei der es laut ihm um bis zu eine Million Euro ging, selbst nennt, sei heute "Schnee von gestern", die aber immer noch "weh tut". Richtig in Pension ist der "Workaholic" aber eh noch nicht. Vom Schwarzen Kameel geht's zum Mittagessen, das auch ein Meeting sei.

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"Bist Du deppert!": Pension Hubert Gorbach

ribbon Zusammenfassung
  • Er ist wohl immer noch einer der umstrittensten Minister, die Österreich je hatte. Hubert Gorbach (FPÖ, dann BZÖ) wollte auf Autobahnen bis zu 160 kmh/h zulassen.
  • Aufregung gab es auch um einen Brief, den er einem britischen Minister schickte.
  • Was macht das blaue Urgestein heute? PULS 24 hat nachgefragt.